Zusammenfassung
In der EU zeigt sich eine zunehmende Spannung zwischen einer forcierten Systemintegration von Seiten der europäischen Eliten und einer geringen Sozialintegration aus Sicht der BürgerInnen. Im Beitrag wird versucht, die systemische und lebensweltliche Integrationsdynamik in der EU getrennt in den Blick zu nehmen. Dabei wird – wenig überraschend – auf die Aktualität des Ansatzes von Jürgen Habermas hingewiesen. Durch die zunehmende Verselbständigung des europäischen Integrationsprozesses werden Tendenzen einer zunehmenden Entkoppelung zwischen System und Lebenswelt wieder offenkundig und zudem forciert die im Zuge der Kolonisierung der Lebenswelt vorangetriebene marktgetriebene Individualisierung individuelle Verunsicherungen. Die These der abnehmenden Solidarität innerhalb und zwischen europäischen Gesellschaften kann durch individuelle Handlungsstrategien in allen Gesellschaftsschichten begründet werden. Dem weitverbreiteten Unbehagen in der Gesellschaft wird – so die Leitthese des Beitrags – entweder offensiv und egozentrisch in den oberen Statusgruppen oder defensiv und ethnozentrisch an den unteren Rändern der Gesellschaft begegnet. Derartige Entsolidarisierungsprozesse erschweren und verhindern möglicherweise den weiteren europäischen Einigungsprozess, weil aufgrund der fehlenden Sozialintegration von EU-BürgerInnen eine Kraft ausgehen könnte, die in der gegenwärtigen Europaforschung häufig unterschätzt wird.