2008 | OriginalPaper | Chapter
Sozialverträglichkeit und ethische Prüfverfahren
Author : Clemens Sedmak
Published in: Sozialverträglichkeitsprüfung
Publisher: VS Verlag für Sozialwissenschaften
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Eine Sozialverträglichkeitsprüfung stellt eine Überprüfung politischer Maßnahmen hinsichtlich ihrer Auswirkungen für Menschen als Einzelne und im sozialen Verbund dar. Besonderes Augenmerk wird bei der Idee der Sozialverträglichkeit auf Menschen gerichtet, die von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffen sind — diese Menschen sind es auch, die gegenüber sozialen Veränderungen am verwundbarsten sind, weil sie den kleinsten Spielraum zur alternativen Lebensgestaltung bei sich ändernden sozialen Bedingungen haben. Die Sozialverträglichkeitsprüfung ist eine präventive Maßnahme, die zur Qualitätssicherung politischer Maßnahmen beitragen will, indem sie deren ungeplanten oder unerwarteten negativen Nebenwirkungen aufzeigt und diese dadurch zu verhindern bemüht ist. Die Frage lautet: Was sind Konsequenzen und „Nebenwirkungen“ von gesetzlichen Bestimmungen? Die Idee einer Sozialverträglichkeitsprüfung mag Insider an die Verantwortungsethik von Hans Jonas erinnern, der seinerzeit an die Bedeutung der langfristigen Konsequenzen menschlichen Tuns erinnert hat. Jonas appelliert an die Rolle von Vorstellungskraft und moralischen Affekten. Angesichts technologischer Entwicklungen bedarf es klaren Tatsachenwissens von den Fernwirkungen technischer Aktionen und damit einer „Heuristik der Furcht“. Auf diese Weise entwirft er eine verpflichtende Zukunftsethik mit zwei zentralen Pflichten: (i) Beschaffung der Vorstellungen von den Fernwirkungen unseres Handelns; (ii) Aufbietung des dem Vorgestellten angemessenen GefÜhls. Die Rolle der Vorstellungskraft für ethische Prüfverfahren wird uns noch beschäftigen. Interessant ist der Hinweis auf die Rolle von Intuitionen und Affekten, die bei einer zukunftsorientierten Ethik, wie wir sie auch in der Idee der Sozialverträglichkeit grundgelegt finden, vorliegt. Jonas erkennt Verantwortung als die als Pflicht anerkannte Sorge um ein anderes Sein, die bei Bedrohung seiner Verletzlichkeit zur ‚Besorgnis‘ wird und mahnt zu einem Fortschritt mit Vorsicht, zu Bescheidenheit und Selbstbeschränkung, zu Ehrfurcht und Schaudern.