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2023 | Book

Stadterneuerung und Spekulation

Jahrbuch Stadterneuerung 2022/23

Editors: Uwe Altrock, Ronald Kunze, Detlef Kurth, Holger Schmidt, Gisela Schmitt

Publisher: Springer Fachmedien Wiesbaden

Book Series : Jahrbuch Stadterneuerung

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About this book

Was richten öffentliche Eingriffe gegen das Geschäft mit Boden und Immobilien aus? Diese Frage ist der Anlass für eine Bestandsaufnahme aus der Perspektive der Stadterneuerung – deren Umgang mit privaten Verwertungsinteressen, baulich-räumlicher Aufwertung und sozialer Verdrängung. Es wird ein Bogen gespannt von den Folgen globaler Finanzkrisen und den Raumpotenzialen in Städten über kommunale Strategien im Umgang mit Wohnungsfragen und den Handlungsstrategien wohnungswirtschaftlicher Akteure bis hin zu Regulierungsansätzen in Stadterneuerungsprozessen. Die Sammlung spannender Beiträge aus verschiedenen Disziplinen verknüpft in der Zusammenschau die Wohnungs- und Bodenfrage mit der Programmatik der Stadterneuerung.

Table of Contents

Frontmatter

Schwerpunkt „Stadterneuerung und Spekulation“

Frontmatter
Das systemische Risiko des (globalisierten) Funktionssystems „Finance“ für Städte
Zusammenfassung
In den letzten Jahrzehnten ist ein globalisierten Funktionssystem „Finance“ entstanden, das die Liquiditätsversorgung vereinfacht. Dieses System folgt einer eigenen Logik, welche sich verstärkend auf Finanz- und Wirtschaftskrisen auswirkt, und damit auch Folgen für Städte und die Immobilienwirtschaft hat. Nachweislich hat sich die Vernetzung der Finanzmärkte untereinander und mit der Wirtschaft erhöht. Mein Beitrag erläutert Finance als ein soziales Funktionssystem. Er zeigt das Risiko der Finanzmarktlogik am Beispiel der Übertragung von Volatilität, d.h. von überstarken, oft unerwarteten Preisschwankungen. Abschließend erörtert er das systemische Risiko, das von globalen Finanzkrisen für Städte ausgeht, sowie die Wege zu mehr Resilienz.
Harald A. Mieg
Urbane Obsoleszenzen
Zukünftige Transformationsfelder erkennen und vor Spekulationen schützen
Zusammenfassung
Wenige freie Flächen im Innenbereich, ein andauernder Wachstumsdruck und steigende Bodenpreise hemmen die nachhaltige Entwicklung wachsender Großstädte. Es fehlen insbesondere Grundstücke für bezahlbares Wohnen, aber auch für die soziale und technische Infrastruktur der wachsenden Stadtgesellschaften sowie klimaregulierende Funktionen. Überdies werden die wenigen verfügbaren Grundstücke häufig entsprechend der höchsten Gewinnmarge entwickelt oder dienen als Spekulationsobjekte. Damit eine gemeinwohlorientierte und klimaadaptive Innenentwicklung gelingen kann, müssen Methoden angewendet werden, mit denen bisher nicht verfügbare Flächen frühzeitig identifiziert und mobilisiert werden können. Der Ansatz des folgenden Beitrags beruht auf der Beobachtung, dass städtische Teilräume – beispielsweise der Produktion, der Mobilität oder des Militärs – die von Stadtgesellschaften mit großem Aufwand erstellt wurden, aus der Nutzung fallen, wenn sich gesamtgesellschaftliche Rahmenbedingungen ändern. Es hat sich jedoch gezeigt, dass diese teilweise erst Jahrzehnte nach ihrer Obsoleszenz neu entwickelt werden konnten. An Hand von aktuell vorherrschenden gesellschaftlichen, ökonomischen und technologischen Megatrends, wie der Digitalisierung, der Energie- und Verkehrswende und dem Religiositätswandel, lassen sich perspektivisch obsolete Flächen und Gebäude erkennen. Am Fallbeispiel Hamburg wird aufgezeigt, über welche Methoden eine Identifizierung perspektivischer Potenzialräume im Stadtraum möglich ist. Denn diese Flächen für eine gemeinwohlorientierte Nutzung zu sichern scheint eine wesentliche Aufgabe zukünftiger Stadtentwicklung zu sein.
Stefan Rettich, Sabine Tastel
Von der Vision zur Rendite?
Fiktionale Erwartungen, wohnungswirtschaftliche Handlungsstrategien und Gentrification
Zusammenfassung
Der Beitrag entwickelt eine theoretisch-konzeptionelle Grundlage für die empirische Untersuchung von Gentrification mit dem Fokus auf der Rolle der Wohnungsanbieter*innen und ihren Handlungsstrategien. Dazu werden zunächst die Rent-Gap-Theorie als die einflussreichste angebotsseitige Erklärung für Gentrification erläutert und aufgezeigt, dass diese anschlussfähig für Überlegungen auf der Mikroebene ist, weil sie davon ausgeht, dass die Akteure Erwartungen über zukünftige Ertrags- und Wertsteigerungen entwickeln. Anschließend legt der Forschungsstand zu den angebotsseitigen Indikatoren für Gentrification (Mietenentwicklung, Sanierungen, Umwandlungen, Neubau) dar, wie diese den Aufwertungsprozess in Gebieten bedingen und hebt die Bedeutung der Wohnungsanbieter*innen hervor. Der zweite Teil des Beitrags fokussiert die Wohnungsanbieter*innen und ihre Handlungsstrategien. Es wird eine Charakterisierung verschiedener Wohnungsanbieter*innen vorgenommen, die – so die zentrale These des Beitrags – ihre Anlage-, Bewirtschaftungs- und Investitionsstrategien im Umgang mit Wohnraum in Abhängigkeit der institutionell verankerten Zielsetzung, dem Professionalisierungsgrad und den durch das wirtschaftliche Umfeld geprägten Erwartungen wählen. Diese Erwartungen seien nicht allein rational, so die These von Beckert (2013), die an dieser Stelle auf den Gegenstandsbereich der Wohnungswirtschaft übertragen wird, sondern fiktional, da sie sich auf Vorstellungen zukünftiger Zustände beziehen. Der Beitrag endet mit Implikationen für zukünftige Untersuchungen, die sich aus dieser neuen theoretischen Perspektive ergeben.
Jan Üblacker
Wohnungsneubau – wer profitiert?
Zur Theorie des Sickereffekts und der Praxis der Hamburger Wohnungspolitik am Beispiel des Quartiers Mitte Altona
Zusammenfassung
Neubau ist eine zentrale Antwort auf die neue Wohnungsfrage. Doch inwiefern kann über diesen Weg eine soziale Wohnraumversorgung gewährleistet werden, in der auch Haushalte mit niedrigen und mittleren Einkommen angemessen versorgt werden? Denn Neubau ist, unter anderem aufgrund von Grundstücksspekulation, teuer. Politisch wird diese Frage auch mit Hinweis auf den Sickereffekt beantwortet: Zwar würden vorwiegend Gutverdienende in die relative teuren Neubauten ziehen, jedoch würden die dadurch freiwerdenden Wohnungen dann für Haushalte mit geringerem Einkommen zur Verfügung stehen. Wir diskutieren die Frage nach sozialer Wohnraumversorgung durch Neubau zunächst in einer konzeptionellen Rekapitulation, und dann empirisch – eingehend auf die Hamburger Wohnungspolitik – auf Basis einer umfangreichen Haushaltsbefragung mit Bewohner*innen der Mitte Altona, eines Hamburger Neubauquartiers. Unsere Daten weisen einerseits darauf hin, dass die Sozialstruktur dort von überdurchschnittlich hohen Einkommen und von Familien im „adult worker model“ geprägt ist. Andererseits zeigen sie, dass ein Sickereffekt unwahrscheinlich ist.
Christoph Haferburg, Annike Knopf, Thomas Pohl, Anne Vogelpohl
Sozial gerechte Stadtentwicklung
Stadtentwicklung zwischen Veredelung und Verelendung
Zusammenfassung
Planungskultur kann in München auf eine lange Tradition zurückblicken. Von den berühmten Stadterweiterungsplänen von Theodor Fischer bis zur Perspektive München, dem strategischen Stadtentwicklungskonzept Kompakt Urban Grün, das nun im Stadtentwicklungsplan 2040 fortgeschrieben wird. Flankiert werden die fachplanerischen Konzepte durch die Anwendung von städtebaulich rechtlichen Instrumenten und dies seit vielen Jahrzehnten. München erlaubt daher sowohl eine Langzeitbetrachtung im Stadtlabor sowie eine aktuelle Fokussierung auf die Brennpunkte nachhaltiger Stadtentwicklung.
Elisabeth Merk
Vertikale Bodenpolitik
Stadt-„Sanierung“ durch (hybride) Hochhäuser in Frankfurt am Main
Zusammenfassung
Der Wolkenkratzer gilt weithin als „machine that makes the land pay“, so der amerikanische Architekt Cass Gilbert. Er hat scharfsinnig auf die durch den Hochhausbau ansteigende Grundrente hingewiesen. Neben der Grundrente gibt es eine Geschossflächenrente. Heute wird in der Stadt Frankfurt/ Main im Planungsdezernat gefragt, wie sich die Grundrente beeinflussen, gar „abschöpfen“ ließe. Die Stadt Frankfurt am Main fordert gemäß Baulandbeschluss vom 7. Mai 2020 bei der planerischen Hochzonung oder bei der grundlegenden Veränderung des Baurechts im Rahmen der Bebauungsplanung einen 30 %-igen Anteil an öffentlich gefördertem Wohnungsbau in den Projekten. Durch die Einschränkung der wirtschaftlichen Ausnutzbarkeit kommt es zu einer Dämpfung des Bodenwerts in Lagen unter Hochhauseinfluss im Umfang von 10-15 %. Man kann von „vertikaler Bodenpolitik“ sprechen. Diese Regelungen gelten auch bei hybriden Hochhäusern mit vertikaler Nutzungsmischung. Die Investoren reagieren auf diese politischen Vorgaben. Die Reaktionen und die Handlungsmöglichkeiten der Stadt sollen nachfolgend dargestellt werden.
Fabian Thiel
City-Bildung und Stadtumbau auf ehemaligen Bahnflächen
Das Beispiel der „Europaviertel“ in Stuttgart, Frankfurt am Main und Berlin
Zusammenfassung
Dieser Beitrag beleuchtet, wie in Stuttgart, Frankfurt am Main und Berlin die Umwandlung von zentral gelegenen ehemaligen Bahnflächen zu „Europavierteln“ planerisch gesteuert wird und zu welchen städtebaulichen Entwicklungen die starke Profitorientierung der beteiligten privaten Akteure im Zusammenspiel mit den Interessen der öffentlichen Hand dabei führen. Er zeigt auf, dass eine Feinsteuerung sowohl auf der städtebaulich-funktionalen als auch auf der architektonisch-gestalterischen Ebene nur teilweise greift. Er weist überdies nach, dass die sich entfaltenden Wachstumskoalitionen Quartiere hervorbringen, die sich trotz des hohen Wohnanteils eher an spektakulären Bildern globaler Cities orientieren als an einer lokalen Bedürfnisbefriedigung der ansässigen Bevölkerung.
Uwe Altrock
(Wohn)Stiftungen als Bollwerke gegen Wohnungsspekulation und Verdrängung
Zusammenfassung
Stiftungen werden in der Fachöffentlichkeit zunehmend als mögliche Partner einer gemeinwohlorientierten Stadt- und Wohnungsmarktentwicklung wahrgenommen. Das liegt insbesondere an aktiven jungen Stiftungen wie der Stiftung Edith Maryon oder der Stiftung trias. Über die Tätigkeit der letzteren hat Rolf Novy-Huy im Jahrbuch Stadterneuerung 2019 berichtet.
Der vorliegende Beitrag skizziert, wie (Wohn)Stiftungen in das Spektrum gemeinwohlorientierter Akteure einzuordnen sind, was sie charakterisiert und welche Unterschiede es gibt. Zudem wird anhand einzelner Beispiele der Frage nachgegangen wie sich Stiftungen im wohnungspolitischen Diskurs positionieren, wie sie einen Beitrag gegen Wohnungsspekulation und Verdrängung leisten und welche Grenzen sich dabei abzeichnen.
Anja Nelle
Nonprofit Housing?
Annäherung an ein diffuses Feld wohnungs- und stadtentwicklungspolitischer Hoffnungen am Beispiel von San Diego und Frankfurt am Main
Zusammenfassung
Drei Jahrzehnte liberalisierter und mittlerweile auch finanzialisierter Wohnungsversorgung sorgten dafür, dass es in wachsenden Stadtregionen in Deutschland massenhaft an bezahlbarem Wohnraum fehlt. Vor diesem Hintergrund erfreut sich unter anderem die alte Idee, Wohnraum jenseits von Staat und Markt anzubieten, neuem Interesse. Damit einhergehende wohnungs- und stadtentwicklungspolitische Hoffnungen machen es nötig, das diffuse Feld nicht-staatlicher und nicht-profitorientierter Akteur*innen zu sortieren und ihre Rolle in Wohnungsversorgung und Stadtentwicklung systematisch zu erforschen. Im Kontext der interdisziplinären Wohnungsforschung und unter Anwendung eines international vergleichenden, fallstudienorientierten Ansatzes wurden drei Forschungsfragen beantwortet: (1) Welche Rolle spielen nicht-staatliche und nicht-profitorientierte Akteur*innen in der Wohnungsversorgung, (2) inwieweit lässt sich ihr diesbezügliches Handeln als gemeinwohlorientiert einordnen und (3) welche Potenziale bieten sie darüber hinaus für die Stadt- und Quartiersentwicklung? Die Erkenntnisse der Fallstudien aus San Diego und Frankfurt am Main lassen den Schluss zu, dass sich die wohnungsund stadtentwicklungspolitischen Hoffnungen in Deutschland von kleinen gemeinschaftsorientierten Projekten ablösen und auf die (Wieder-)Einführung eines professionalisierten gemeinnützigen Sektors richten sollten.
Carsten Praum, Mirle Rabinowitz Bussell, Barbara Schönig
Rendite durch Armutsmigration
Gewinnmaximierende Bewirtschaftungsstrategien am Wohnungsmarkt im Kontext der EU-2-Zuwanderung
Zusammenfassung
Seit die beiden südosteuropäischen Staaten Rumänien und Bulgarien 2007 der Europäischen Union beigetreten sind, ist in einigen deutschen Städten ein Zuzug von armutsgefährdeten Migrant*innen zu beobachten, die sowohl in den Herkunftsländern als auch im Zielland unter zum Teil prekären Bedingungen leben. Mit der Migrantengruppe, die kaum Zugang zum regulären Wohnungsmarkt hat, wird Rendite erwirtschaftet, indem ansonsten kaum marktgängiger Wohnraum vermietet wird, Wohnungen überbelegt oder wucherische Mieten gefordert werden. Teilweise werden die Zuwander*innen systematisch in ein Netz von organisierter Ausbeutung mit Sozialleistungsmissbrauch und Schwarzarbeit verwickelt. Die Bekämpfung der so entstehenden Problemimmobilien und kriminellen Strukturen erfolgt mithilfe unterschiedlicher Rechtsinstrumente und im Rahmen der Strafverfolgung, stellt die betroffenen Kommunen aber vor große Herausforderungen. Ziel der öffentlichen Hand ist, zum einen die Ausbeutung der armutsgefährdeten Migrant*innen zu verhindern sowie deren Integration zu fördern und zum anderen eine nachhaltige städtebauliche Stabilisierung auf Quartiersebene herbeizuführen.
Sandra Herrmann
Wandel und Wirkungen des Sanierungsrechts in der späten DDR und im vereinten Deutschland in den 1990er Jahren
Zusammenfassung
Ausgehend vom gesellschaftspolitischen Umbruch in der DDR im Herbst 1989 untersucht der Beitrag, welche Planungsinstrumente die erhaltende Stadterneuerung in der DDR und den ostdeutschen Bundesländern in den 1990er Jahren prägten. Dabei wird zum einen das besondere Städtebaurecht und seine regulierende Wirkung thematisiert. Zum anderen zeigt der Beitrag auf, wie das besondere Städtebaurecht angewandt wurde und welchen Wandel das Instrumentarium in den ostdeutschen Bundesländern in den 1990er Jahren vollzog. Die Grundlagen dazu liefern die Zwischenergebnisse aus dem Teilprojekt „Deutsch-deutscher Fachaustausch und Wirkungen nach der Wende“ des Forschungsprojekts „Stadtwende“. Im Fokus steht dabei der fachliche Austausch zwischen Planer*innen in DDR und BRD vor 1989 und die Wirkungen des Fachaustauschs auf das Planungsinstrumentarium und die Förderprogrammatik in der DDR und im vereinten Deutschland ab 1990.
Jana Breßler
Spekulation nach Abschluss einer erfolgreichen Sanierung?
Das Beispiel der Spandauer Vorstadt in Berlin
Zusammenfassung
Immobilienspekulation wird häufig während und nach Stadterneuerungsprozessen beobachtet, insbesondere in Gebieten mit bevorzugter Innenstadtlage wie der Spandauer Vorstadt im Bezirk Mitte in Berlin. An ihrem Beispiel wird herausgearbeitet, wie politisch-planerische Instrumente speculative Tendenzen während und nach der Sanierung beschleunigen oder bremsen können. Die im konkreten Fall für geförderte Häuser eingeführten Mietpreisbindungen, der gescheiterte Versuch zur Festlegung von Mietobergrenzen und die Erhebung von Ausgleichbeträgen im Rahmen des Sanierungsrechts haben sich letztlich als teilweise wirksam erwiesen. Nach Abschluss der Sanierung wurden sie nur marginal durch Milieuschutz ergänzt. Insbesondere die Lage des Gebiets am Rand des Zentrums und seine Attraktivität machten es – wie andere vergleichbare Gebiete – zum Schauplatz spekulativer Aktivitäten. Bemerkenswert ist, wie stark sich die Nutzung in den Erdgeschossen gewandelt hat, da Gewerbemieten durch den freien Markt bestimmt werden. Auffällig ist weiter, wie sich das Umfeld des ehemaligen Sanierungsgebietes durch dessen Attraktivität wandelt.
Uwe Altrock, Li Fan
Spekulationsobjekte in stagnierenden oder schrumpfenden Städten
Zusammenfassung
Spätestens seit Beginn der 2000er Jahre sind schrumpfende Städte ein virulentes Thema der Stadtentwicklung, sie sind mittlerweile nicht nur in den Städten der ehemaligen „neuen Länder“ ein bestimmender Entwicklungstyp von Kommunen. Ein Phänomen in schrumpfenden Städten sind verwahrloste Problemimmobilien, die ein zentrales Hemmnis für die Entwicklung lebendiger Innenstädte sind und vielerorts als ein Zeichen für das Versagen der kommunalen Selbstverwaltung angesehen werden. Auf Basis umfassender heuristischer Erkenntnisse aus der Stadterneuerungspraxis wird das Phänomen spekulativer Bewirtschaftungsstrategien von Eigentümern mit Leerstandsimmobilien beschrieben und es wird eine Systematisierung zur Diskussion gestellt. Abschließend werden mögliche Strategien und Maßnahmen im Sinne eines proaktiven Gegensteuerns der Kommunen diskutiert.
Holger Schmidt, Gernot Lindemann
Kleinvieh macht auch Mist
Regulierungsansätze für spekulative Kurzzeitvermietungen
Zusammenfassung
Der vorliegende Beitrag stellt die Plattform Airbnb als Prototyp spekulativer Kurzzeitvermietungen vor. Bislang gelingt es vielen Kurzzeitvermieter*innen, der Wirkung klassischer Regulierungsinstrumente zu entgehen. Dies führt insbesondere in sogenannten Airbnb-Hotspots zu negativen Effekten auf dem Wohnungsmarkt. Die zugrundeliegenden Mechanismen solcher lokalen Häufungen von Unterkünften und ihre Folgen werden im vorliegenden Artikel als spezifische Regulierungsherausforderung erörtert. Dazu wird die Metapher des Schwarms als theoretische Linse zur Begründung der schwierigen Handhabung plattformbasierter Kurzzeitvermietung herangezogen. Wir betrachten darauf aufbauend den verbreiteten Steuerungsansatz des Zweckentfremdungsverbots näher und analysieren verschiedene strategische Ausgestaltungen des Ansatzes vergleichend anhand dreier deutscher Großstädte. Dabei legen wir ein Augenmerk auf den jeweiligen Umgang mit dem digitalen Schwarm. Im Kern des Interesses steht die Suche nach zentralen Ansatzpunkten, Strategien und Grenzen der Regulierung von räumlich konzentrierten Kurzzeitvermietungen und ihren Auswirkungen auf die begrenzten Wohnraumressourcen.
Vilim Brezina, Lea Fischer, Jan Polívka

Forschung und Lehre

Frontmatter
Transformation urbaner Zentren
Chancen und Herausforderungen eines offenen Forschungsansatzes
Zusammenfassung
Onlinehandel und Digitalisierung verändern nicht nur den Lebensalltag vieler Menschen, sie wirken sich auch auf die baulichen und funktionalen Strukturen der städtischen Zentren aus. Der Beitrag reflektiert die Möglichkeiten, Herausforderungen und Ergebnisse der Reallabore, die im Rahmen des Forschungsvorhabens TransZ durchgeführt worden sind. Das Projekt geht davon aus, dass die Zukunftsfähigkeit der Zentren unter anderem davon abhängt, ob und wie es gelingt, die relevanten Akteur*innen vor Ort in den Transformationsprozess zu integrieren und ihnen die Möglichkeit zu geben, sich über die eigenen Interessen hinausgehend in den Umgestaltungsprozess einzubringen. Der Beitrag stellt dar, wie ein offener Forschungsansatz eine sinnvolle Ergänzung abseits etablierter formeller und informeller Stadtplanungsprozesse sein kann.
Sascha Anders, Elisabeth Schaumann, Jaqueline Schmidt
Soziale Stadterneuerung in Dänemark?
Der „Ghetto-Plan“ und seine Auswirkungen in Kopenhagen
Zusammenfassung
Der Beitrag thematisiert die aktuelle Stadtentwicklungspolitik in Dänemark mit besonderem Fokus auf die soziale Stadterneuerung. Hinsichtlich der Entwicklung benachteiligter Quartiere verfolgt das Land einen in Europa einzigartigen und umstrittenen Ansatz. Der Artikel beschreibt dabei das politische Umfeld der Stadtentwicklung in Kopenhagen und setzt sich kritisch mit der Strategie der politischen Entscheidungsträger:innen und der Praxis im Umgang mit der Bevölkerung auseinander. Das dabei zur Anwendung kommende Instrument des sogenannten “Ghetto-Gesetzes” zielt darauf, dass innerstädtische Gebiete definiert werden, um diese zu entwickeln. Der dazugehörige “Ghetto-Plan” und seine Auswirkungen werden am Beispiel des Kopenhageners Stadtteil Nørrebro dargestellt und auf städtischer Ebene verortet. Auch die Kriterien, welche zur Einstufung als solche “Ghettos” führen, werden dabei beleuchtet kritisch hinterfragt. Abschließend wird eine vorläufige Bewertung der sogenannten “Ghetto-Politik” im Kontext der wachstumsorientierten Stadtentwicklungspolitik Kopenhagens gegeben. Dabei wird deutlich, dass die dort ansässige Bevölkerung stark unter der Einstufung als “Ghetto-Bewohner:innen” leidet, da die Kriterien stark auf bestimmte ethnische und religiöse Gruppe zugeschnitten sind. Die soziale Stadtentwicklung in Kopenhagen ist demnach nicht gleichermaßen auf alle Bevölkerungsschichten ausgerichtet. Vielmehr erweckt die Aufstellung und praktische Anwendung der Kriterien den Eindruck der gezielten Diskriminierung und Segregation unerwünschter Teile der Bevölkerung. Es ist zu argumentieren, ob diese Art der Stadterneuerung als “sozial” zu bezeichnen ist und wer von der Entwicklung des “Ghetto-Plans” profitiert.
Sebastian Block, Maximilian Frey
Akzeptanzsteigerung bei Nachverdichtung
Zusammenfassung
Die Schaffung von neuem Wohnraum ist in den von Wachstum geprägten Teilregionen Deutschlands ein wichtiges Aufgabenfeld von Kommunen und Wohnungsunternehmen. Gleichzeitig soll die Flächeninanspruchnahme drastisch reduziert werden, sodass Innenentwicklungsprojekte zunehmend in den Fokus kommen. Parallel zu Planung und Bau von konkreten Nachverdichtungsmaßnahmen müssen die Bestandsbewohner*innen beteiligt werden und möglichst einen Mehrwert für sich erkennen. Im Beitrag werden bereits realisierte Fallbeispiele von baulichen Nachverdichtungsprojekten unter der zentralen Fragestellung ausgewertet, welche ergänzenden kommunikativen Maßnahmen bei den Projekten angewendet wurden. Im Ergebnis der Untersuchung schlägt die Autorin einen Beteiligungsbaukasten zur Akzeptanzsteigerung bei Nachverdichtung vor.
Tina Nitschke
Home-Office Trends als Entlastung des Wohnungsmarkts?
Untersuchung der Wohn- und Büroflächenentwicklung in Frankfurt am Main in Zeiten von Covid-19
Zusammenfassung
Der auf einer Masterarbeit an der Universität Kassel beruhende Beitrag untersucht vor dem Hintergrund des Trends zum Home-Office am Fallbeispiel Frankfurt am Main, inwieweit durch die Umwandlung von Büroflächen erhebliche zusätzliche Flächenreserven für das Wohnen aktiviert werden könnten. Dabei betrachtet er Voraussetzungen und Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt vor dem Hintergrund der ausdifferenzierten Teilmärkte im Wohn- und Büroflächensektor. Ziel ist es, eine Debatte darüber anzuregen, ob in der heutigen Zeit der Weg zur Arbeit unter den Aspekten des Klimawandels in der Stadt immer zwangsweise notwendig ist, oder ob die Flächen nicht auch Chancen bieten, andere Formen des Zusammenlebens, des Wohnens und des Arbeitens in den Mittelpunkt zu rücken.
Sebastian Block
Erratum zu: Akzeptanzsteigerung bei Nachverdichtung
Tina Nitschke
Backmatter
Metadata
Title
Stadterneuerung und Spekulation
Editors
Uwe Altrock
Ronald Kunze
Detlef Kurth
Holger Schmidt
Gisela Schmitt
Copyright Year
2023
Electronic ISBN
978-3-658-39659-6
Print ISBN
978-3-658-39658-9
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-39659-6

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