An Stahlträgern unterschiedlichen Alters, unterschiedlicher Qualität und unterschiedlicher Materialeigenschaften bestimmten Wissenschaftler des Fachgebiets Stahlbau im Fachbereich Bauingenieurwesen und des Lehrgebiets Statistik des Fachbereichs Mathematik der TU Kaiserslautern zusammen mit Forschern des Fraunhofer-Instituts für Zerstörungsfreie Prüfverfahren IZFP durch standardisierte Zugversuche die Streckgrenzen. An ihnen führten sie außerdem auch mikromagnetische Messungen durch und verglichen die dabei erhaltenen Ergebnisse mit den Referenzwerten aus den Zugversuchen. Über eine Kalibrierfunktion besteht die Möglichkeit, Streckgrenzen zu bestimmen.
Damit Tragwerke robuster gegenüber nicht geplanten Systemänderungen zum Beispiel aus Alterung oder Umnutzung eines Bauwerks sind oder Tragreserven bei Überbeanspruchung heranziehen k̈önnen, sollte man vorrangig statisch unbestimmte Systeme entwerfen", heißt es in dem Kapitel "Eigenschaften statisch unbestimmter Systeme“ des Springer-Fachbuchs "Grundlagen der Baustatik“.
Eine Definition des Begriffs Streckgrenze sowie Formeln zu deren Berechnung finden sich im Kapitel "Grundbelastungsarten“ des Springer-Fachbuchs "Einführung in die Festigkeitslehre". Demnach ist die Streckgrenze "diejenige Spannung, bei der mit zunehmender Verlängerung der Probe die Zugkraft erstmals konstant bleibt oder abfällt. In der Regel unterscheidet man eine obere Steckgrenze ReH und eine untere Streckgrenze ReL“. In dem Kapitel wird auch detailliert auf den Zug und die Biegung eingegangen.
Resttragfähigkeiten können bestimmt werden
Im Labor untersuchten die Forscher außerdem an belasteten sowie an unbelasteten Stahlträgern verschiedener Hersteller und verschiedener Produktionsjahre Änderungen der Ultraschalllaufzeiten. Dabei wurde ein Kalibrierfaktor zur Umrechnung der Ultraschalllaufzeiten in Spannungswerte bestimmt und die vorhandenen Spannungen in Längsrichtung ermittelt.
Schließlich wurde zur Ermittlung der Schubspannungen im Steg noch ein Algorithmus zur Beschreibung des Textureinflusses aus dem Walzprozess auf die Laufzeiten entwickelt. Damit lässt sich der Längsspannungsverlauf in den Flanschen sowie der Schubspannungsverlauf ermitteln. Die Messdaten weisen laut der Projektbeschreibung Streuungen auf und können Messfehler enthalten. Daher wurde ein weiterer Algorithmus zur Auswertung der Messdaten entwickelt, um aus dem Datensatz alle fehlerhaften Messwerte zu eliminieren. Darüber hinaus wird der Längsspannungsverlauf zusätzlich geglättet, wofür auf die nichtparametrische Zeitreihenanalyse zurückgegriffen wurde.
Mit all diesen Maßnahmen konnte gezeigt werden, dass mit dem ermittelten Beanspruchungszustand und dem auf die Streckgrenze bezogenen Tragwiderstand die vorhandenen Resttragfähigkeiten bestehender Bauwerke bestimmt werden können und damit notwendige Ertüchtigungen gezielt wirtschaftlich und ressourcenschonend durchgeführt werden können. Dies ist wichtig, da die Klärung der Tragreserven sowie des tatsächlichen Lastabtrags einen erheblichen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit und die technischen Möglichkeiten einer langen Bauwerksnutzung haben – gerade auch vor dem Hintergrund der vielen notwendigen Ertüchtigungen an Bestandsbauwerken.