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23-02-2021 | Steuerrecht | Schwerpunkt | Article

Mit Data Science Steuerbetrüger dingfest machen

Author: Angelika Breinich-Schilly

3:30 min reading time

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Jedes Jahr verliert der deutsche Staat Milliarden durch gezielte Steuergestaltung und Steuerbetrug. Eine Gruppe aus IT- und Steuerexperten will nun mit Data Science den Unternehmen schneller auf die Spur kommen und kriminelle Muster besser erkennen.

"Innovationen treiben die Unternehmensentwicklung. Der größte Teil der F&E-Aufwendungen wird in multinationalen Unternehmen mit vielen Standorten getätigt. Diese haben steuersparende Möglichkeiten, den F&E-Aufwand in Ländern mit hoher Steuerbelastung zu tätigen, aber die Patente an Standorte in Niedrigsteuerländern zu übertragen, um dort die Patenterträge gering zu versteuern", zitiert Philine Widmer den österreichischen Ökonomen Christian Keuschnigg im Buchkapitel "Patente, Gewinnverschiebung und Steuervermeidung" (Seite 43). Diese steuermindernde Gewinnverschiebung bringe die Hochsteuerländer unter Druck und schaffe Probleme in der steuerlichen Wettbewerbsneutralität zwischen nationalen KMUs und großen Multis.

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Forschungskooperation zur Betrugsabwehr

Durch die internationale Steuergestaltung und Steuervermeidungsstrategien sowie durch unrechtmäßig erstattete oder nicht gezahlte Umsatzsteuern entsteht in Deutschland jedes Jahr ein Schaden in Milliardenhöhe. Diesem oft bandenmäßig organisierten Umsatzsteuerbetrug wollen die Universität Oldenburg und das Landesamt für Steuern Niedersachsen nun unter anderem mittels maschinellem Lernen bekämpfen. 

Die hierzu von der Universität und der Behörde gegründete Forschungskooperation "TaDeA – Tax Defence Analytics" soll bisher unentdeckte Fälle von grenzüberschreitendem Umsatzsteuerbetrug und aggressive Steuervermeidungspraktiken mit den Instrumenten der Data Science aufdecken. Das Projekt ist zunächst auf insgesamt drei Jahre angelegt. 

Ausmaß des Steuerbetrugs kaum überschaubar

Besonderes Augenmerk der Forscher liegt dabei zum einen auf betrügerische Umsatzsteuerkarusselle innerhalb der EU, bei denen Firmen sich beispielsweise vom Finanzamt die Umsatzsteuer für Produkte erstatten lassen, die sie nur zum Schein verkauft haben. Mangels aussagekräftiger Statistiken über die so entstandenen Schäden fasst Karlhans Liebl im Buchkapitel "Umfang der Wirtschafts- und Organisierten Kriminalität" (Seite 42 f.) verschiedene Zahlen aus den Medien zusammen: 

So meldete vor Kurzem das ZDF, dass alleine jährlich rund 50 Euro Schaden in der EU nur durch Betrug mit Ökostrom-Zertifikaten und den Umsatzsteuerkarussellen entstünde. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) veröffentlichte eine Meldung, nach der kriminelle Banden, Netzwerke und Einzeltäter insgesamt 870 Milliarden US-Dollar Schaden (im Jahre 2016) angerichtet hätten. Demgegenüber wird in einem Bericht von Andreas Frank davon gesprochen, dass die UN die jährlichen Einnahmen der Organisierten Kriminalität auf 3.000 Milliarden Euro schätzt."  

Automatisierung manueller Steuerprüfungsprozesse

Zudem wollen die Wissenschaftler Betrügern auf die Schliche kommen, die Schlupflöcher im Steuersystem nutzen, indem sie Gewinne in andere EU-Länder verlagern. "Solche Sachverhalte aufzudecken und zu ermitteln ist wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen", erläutert Andre Klümpen vom Landesamt für Steuern und Referatsleiter des Fachbereichs Internationale Steuergestaltung. 

Ein Problem bestehe darin, dass bei der Steuerprüfung teilweise große Mengen so genannter unstrukturierter Daten – vor allem Texte – aufgearbeitet und analysiert werden müssen. Zum anderen reiche die Datenlage oft nicht aus, um den grenzüberschreitenden Umsatzsteuerbetrug zu bekämpfen, da beteiligte betrügerische Firmen meist schnell wieder vom Markt verschwinden. Moderne Data-Science-Methoden sollen nun dabei helfen, auch bislang manuell durchgeführte Prüfschritte zu automatisieren. "So lassen sich sehr viel mehr Daten in kürzerer Zeit analysieren", erläutert Marx Gómez, Professor der Abteilung Wirtschaftsinformatik/Very Large Business Applications der Universität Oldenburg. 

Steuerdaten sollen unentdeckte Zusammenhänge zeigen

Dabei geht es dem Forschungsteam nicht nur um eine Automatisierung der Prüfung, sondern auch darum, neue Erkenntnisse aus den Daten zu gewinnen. "Dies liegt zum einen daran, dass die Finanzverwaltung durch den Datenzugriff auf die digitale Buchführung einen nahezu vollständigen Einblick in die Unternehmen erhält", führt Rudolf Mellinghoff hierzu aus. Im Buch "Reformfragen des deutschen Steuerrechts" schreibt er auf Seite 162: 

"Die enormen Datenmengen ermöglichen aber nicht nur eine umfassende und vertiefte Prüfung, sondern in zahlreichen Wirtschaftsbereichen vergleichende Prüfungen und Kontrollen, die wesentlich effektiver sind als die bisherigen Verfahren."

Mittels Data Science erkennen Steuerbehörden Anomalien

Laut des Oldenburger Forschungsteams lasse sich beispielsweise ein Verfahren implementieren, das Anomalien in den Daten selbständig erkennen könne - also ungewöhnliche Muster oder Zusammenhänge, die zuvor nicht bekannt waren. So können Steuerbehörden etwa frühzeitig erkennen, wenn unrechtmäßige Umsatzsteuerauszahlungen oder -verrechnungen für eine bestimmte Produktkategorie auffällig werden – ein mögliches Indiz dafür, dass beim Handel mit diesen Waren Betrüger am Werk sind.

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