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13-04-2022 | Strategieentwicklung | Schwerpunkt | Article

Ein bisschen sanieren oder grundlegend restrukturieren?

Author: Annette Speck

4:30 min reading time

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Die Corona-Hilfen der Regierung haben vielen Unternehmen die Existenz zunächst gesichert. Jetzt bremst der Ukraine-Krieg Firmen aus. Ob sie langfristig fortbestehen, von der Konkurrenz geschluckt werden oder Pleite gehen, hängt auch von ihrer Fähigkeit zur Restrukturierung ab.

Wie die Bundesregierung im November 2021 meldete, hat die Lufthansa die staatlichen Finanzhilfen zur Linderung der Pandemie-Auswirkungen vorzeitig zurückgezahlt. Viele andere Unternehmen, die sich in den beiden letzten Jahren gerade so über Wasser halten konnten, sehen sich jedoch kaum imstande, die erhaltenen Corona-Hilfen nun zurückzuzahlen. Angesichts dessen forderte Wirtschaftsminister Robert Habeck die Bundesländer auf, die Rückzahlungsfrist um sechs Monate zu verlängern.

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Erst gerettet und dann doch insolvent

Die Frage ist aber, ob der Aufschub die Firmen wirklich stabilisiert oder ihre Pleite nur hinauszögert. Entsprechende Befürchtungen gab es bereits im Zusammenhang mit der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, die am 30.4.2021 endete. Diese führte zwar 2020 sowie 2021 zu einem historischen Tiefstand an Insolvenzen, doch die finanzielle Situation vieler Betriebe ist laut der aktuellen Benchmark-Analyse des Beratungsunternehmens Alvarez & Marsal besorgniserregend und laut Statistischem Bundesamt nehmen die Regelinsolvenzen aktuell wieder zu.

Laut der Analyse von Alvarez & Marsal befand sich 2020 ein Viertel der 4.123 analysierten europäischen Firmen in instabiler Finanzlage bei gleichzeitig schwacher wirtschaftlicher Performance. 2019 traf dies nur auf ein Fünftel zu. Die Berater sehen bei vielen Unternehmen sofortigen Handlungsbedarf. Für den Fall, dass die staatlichen Hilfsmaßnahmen auslaufen, gehen sie von mehr Transformationen, mehr operativen Restrukturierungen sowie mehr Unternehmensinsolvenzen in den nächsten Monaten aus.

Pandemie verschärft die Probleme

Auch die Unternehmensberatung Deloitte prognostiziert einen erhöhten Restrukturierungsbedarf im Jahr 2022. In ihrem Restructuring Report 2021, der auf den Einschätzungen von 143 Wirtschaftsexperten aus den Bereichen Finanzierung, Private Equity, Restrukturierung und Insolvenz basiert, werden die Auswirkungen der Pandemie und die geopolitische Lage als wesentlichste Gründe genannt. Aber auch die Digitalisierung, der Klimawandel und der demografische Wandel erhöhen demnach mittelfristig den Restrukturierungsbedarf entscheidend. Vor allem die Branchen Automobil, Tourismus und Handel stehen dem Report zufolge im laufenden Jahr unter hohem konjunkturellen und strukturellen Druck.

Die Pandemie wirkt gerade in diesen von starken Veränderungen geprägten Branchen und Märkten als Brandbeschleuniger bereits vorher bestehender Herausforderungen. So reichen die aktuellen Probleme von hohen Investitionsbedarfen, einem schwierigen Refinanzierungsumfeld und Post-Brexit-Umsatzeinbußen über Beschaffungsengpässe und steigende Energie- und Logistikkosten bis hin zum veränderten Verbraucherverhalten und einem zunehmenden Ladensterben.

Zudem bremst aktuell der Ukraine-Konflikt die Weltwirtschaft aus. Daher rechnet Euler Hermes bei den Insolvenzen in Europa mit einem Plus von 23 Prozent im Jahr 2022. Auch in Deutschland erwartet der Kreditversicherer mit einem Anstieg von vier Prozent eine Trendwende bei den Pleiten.

Wirkung des StaRUG wird bezweifelt

Wen wundert es da, dass zwei Drittel der befragten Experten generell von einer steigenden Komplexität der Restrukturierungen ausgehen. Die zunehmende Anzahl von Stakeholdern mit unterschiedlichen Interessen macht es ebenfalls nicht leichter. Vor diesem Hintergrund erwarten viele Befragte eher einen stärkeren Anstieg von M&A-Transaktionen und Abwicklungen als operative und finanzielle Restrukturierungen.

Angesichts der Befragungsergebnisse empfiehlt Dr. Thomas C. Sittel, Managing Director im Corporate Finance Advisory bei Deloitte, gefährdeten Unternehmen, simultan alle Optionen zu analysieren und evaluieren, um eine kontrollierte und kosteneffiziente Lösung zu finden. Mit dem 2021 eingeführten Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz (StaRUG) gebe es zwar ein Instrument, das der frühzeitigen Restrukturierung von Krisenunternehmen und damit der Insolvenzvermeidung dienen solle, doch ein Game Changer werde es wohl nicht. Nur die Hälfte der für den Report Befragten glaubt nämlich daran, dass durch das StaRUG Insolvenzen vermieden werden können. Zudem sind 70 Prozent der Meinung, dass Krediterleichterungen und -verlängerungen lediglich für ein künstliches Überleben der Unternehmen sorgen.

Turnaround scheitert an drei Kardinalsfehlern

Aus langjähriger Praxiserfahrung beurteilen auch Thomas Forster et al. die Erfolgschancen vieler Firmensanierungsversuche skeptisch. In dem Buchkapitel “Strategische Business Transformation“ nennen die Springer-Autoren als Hauptursachen für das Scheitern vor allem das Fehlen einer klaren Strategie und das Festhalten an alten Geschäftsmodellen, die bei der Sanierung nicht hinterfragt werden. (Seite 105)

In vielen Fällen sei heute aber eine umfassende, strategische Business Transformation mit Fokus auf der Strategieentwicklung nötig. Diese beziehe alle Unternehmensbereiche ein, sei auf langfristigen Erfolg ausgerichtet und fuße auf einer kritischen Bestandsaufnahme, die folgende Fragen beantworte (Seite 106):

  • Wie ist die eigene Wettbewerbsposition? 
  • Gibt es Wettbewerbsvorteile, die künftig zu nutzen sind? Was macht das Unternehmen einzigartig gegenüber anderen? 
  • Gibt es zukunftsfähige Produkte, Dienstleistungen und Ressourcen für neue Zielmärkte in den Megatrends? 
  • Ist die Organisation wettbewerbsfähig und entspricht sie der strategischen Ausrichtung?

Sind hierauf vielversprechende Antworten gefunden, gilt es laut Forster et al., folgende Aspekte zu beachten, damit die strategische Business Transformation gelingt (Seite 110/111):

Erfolgsfaktoren für die strategische Business Transformation

Eindeutige strategische Ausrichtung mit Integration der Stakeholder auf Basis von Stärken- und Schwächenanalysen sowie Branchen- und Marktanalysen

Klare Ziele, Zielvereinbarungen mit präzisen Maßnahmen

Konsistenz und Alignment der Systeme und Maßnahmen, professionelle Planung

Konsequenz und Glaubwürdigkeit in der Umsetzung, hohe Identifikation der Beteiligten

Passgenaues Managementteam, Multiplikatoren und Promotoren mit Leidenschaft und Erfahrung

Die Autoren betonen, dass die Transformation dennoch nur erfolgreich sein könne, wenn sie auch auf die bewährten Methoden und Maßnahmen einer klassischen Sanierung zurückgreife.

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