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02-09-2024 | Stromnetze | Schwerpunkt | Article

Erster PV-Stringwechselrichter und Batteriewechselrichter für Mittelspannung

Author: Frank Urbansky

3:30 min reading time

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Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE hat den weltweit ersten Mittelspannungs-PV-Stringwechselrichter und einen Mittelspannungs-Batteriewechselrichter entwickelt.

Für die Transformation des deutschen Energiesystems zur Treibhausgasneutralität im Jahr 2045 sind erhebliche installierte Leistungen notwendig. Um die Erzeugung, Speicherung, Verteilung und Nutzung von Energie im Stromnetz zu verknüpfen, sind nach heutigem Stand der Technik enorme Mengen an Rohstoffen erforderlich.

Mittelspannung ist hierbei der Schlüssel zur ressourceneffizienten Integration erneuerbarer Energien in das zukünftige Stromnetz. Höhere Systemspannungen ermöglichen erhebliche Einsparungen an Material, Kosten und Fläche sowie die Entwicklung völlig neuer Systemarchitekturen regenerativer Hybridkraftwerke, deren Einzelbausteine über die Mittelspannung miteinander verknüpft sind.

Die benötigten Kapazitäten sind beträchtlich

  • PV-Anlagen, die 2023 eine Kapazität von 82 GW aufwiesen, sollen bis 2045 auf 430 GW ausgebaut werden.
  • Die installierte Leistung der Onshore-Windenergie wird voraussichtlich von 61 GW auf 200 GW steigen.
  • Offshore-Windparks sollen von 9 GW auf 66 GW wachsen.
  • Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungen (HGÜ) für Offshore-Wind sollen von 8 GW auf 46 GW und allgemeine HGÜ sowie Flexible Wechselstrom-Übertragungen (FACTS) von 1 GW auf 25 GW ausgebaut werden.
  • Stationäre Batteriespeicher, die 2023 eine Kapazität von 8 GW hatten, sollen bis 2045 auf 180 GW anwachsen.
  • Elektrolyseure, die 2023 noch keine Kapazität aufwiesen, sollen bis 2045 eine Kapazität von 83 GW erreichen.

(Daten: Energy-Charts des Fraunhofer ISE; Studie: Wege zu einem klimaneutralen Energiesystem)

Insgesamt wird für Deutschland bis 2045 eine installierte elektrische Leistung von rund 1.030 GW erforderlich sein, um die Energiewende zu realisieren. Dabei ist der zusätzliche Bedarf aus den Sektoren Mobilität, Wärme, IT und Verbrauchslasten, die zukünftig ebenfalls einen hohen Bedarf haben werden, noch nicht berücksichtigt.

Mittelspannung senkt Materialverbrauch

Dafür sind enorme Mengen an Rohstoffen nötig, insbesondere Kupfer und Aluminium für Leitungen zur Anbindung erneuerbarer Energiequellen ans Netz. Ein vielversprechender Ansatz zur Rohstoffeinsparung ist der Wechsel von der Niederspannungs- zur Mittelspannungsebene bei der Produktion erneuerbarer Energien. Das Fraunhofer ISE sieht hier besonders bei PV-Großkraftwerken großes Potenzial. Das Institut plant erste Pilotprojekte und strebt gemeinsam mit der Industrie eine breite Markteinführung an

Bis 2050 wird weltweit ein Zubau von etwa 73 TW an installierter PV-Leistung benötigt. Laut dem "Global Critical Minerals Outlook 2024" der Internationalen Energie-Agentur wird ab 2025 der Kupferbedarf das Angebot übersteigen. "Eine Erhöhung der Systemspannung kann hier Abhilfe schaffen. Durch das Absinken der Ströme können erhebliche Rohstoffeinsparungen erzielt werden", so Andreas Hensel, Gruppenleiter Hochleistungselektronik und Systemtechnik am Fraunhofer ISE.

Kabelquerschnitt um 75 % reduziert

Eine Erhöhung der Ausgangsspannung von 800 VAC auf 1.500 VAC kann den Kabelquerschnitt um etwa 75 % reduzieren, was zudem die Verlegung und den Anschluss vereinfacht und die Installationskosten senkt. "Nachdem die PV-Modulkosten seit 2010 um 90 % gesunken sind, bieten Installation und Balance-of-System Komponenten nun die größten Einsparungshebel", so Hensel.

Der Wechsel zur Mittelspannung ermöglicht auch eine höhere Leistung der Subsysteme: Bei 1.500 V sind bereits 10 bis 12 MVA pro Transformator möglich, verglichen mit den heute üblichen 3 bis 5 MVA. Dies führt zu einer geringeren Anzahl an Transformatoren und Schaltanlagen und damit zu verringerten Bau- und Installationskosten.

Dieser Wechsel wurde durch die Entwicklung hochsperrender Siliziumkarbid-(SiC)-Bauelemente möglich. Das Fraunhofer ISE hat 2023 im Projekt "MS-LeiKra" den weltweit ersten Mittelspannungs-PV-Stringwechselrichter entwickelt und erfolgreich am Netz in Betrieb genommen.

Dieser Wechselrichter hat eine Ausgangsspannung von 1.500 VAC bei einer Leistung von 250 kVA. "Wir haben gezeigt, dass die technologischen Weichen für den Weg in die Mittelspannung gestellt sind", erklärt Christian Schöner, Projektleiter Mittelspannung am Fraunhofer ISE. Eine erste PV-Pilotanlage auf Basis dieses Wechselrichters ist derzeit in Planung.

Im April 2024 wurde ein europäisches Konsortium gebildet, das die technologischen und normativen Voraussetzungen für den Wechsel zur Mittelspannung untersucht. "Als schlagkräftiges Konsortium, das offen für weitere Mitstreiter ist, können wir gemeinsam die bestehenden Hürden überwinden und eine Optimierung für das komplette Kraftwerk erzielen", so Schöner.

Auch Verbraucher integrieren

PV-Großkraftwerke sind nur der Anfang: Auch Ladeinfrastrukturen, Industrienetze, Großwärmepumpen, Batteriespeicher, Elektrolyseure und Windkraftanlagen sind interessante Anwendungsgebiete für die niedrige Mittelspannungsebene. Höhere Systemspannungen ermöglichen neben erheblichen Material-, Kosten- und Flächeneinsparungen auch völlig neue Systemarchitekturen regenerativer Hybridkraftwerke, deren Einzelbausteine über die Mittelspannung miteinander verknüpft sind.

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