Skip to main content
Top

2022 | Book

Technikpionier Karl Maybach

Antriebssysteme, Autos, Unternehmen

Editors: Erik Eckermann, Wilhelm Treue, Stefan Zima

Publisher: Springer Fachmedien Wiesbaden

insite
SEARCH

About this book

Viele Bücher dokumentieren die glanzvolle Zeit der Zeppeline. Eingebettet in die Weltkriegswirren der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert, symbolisieren die großen Zeppeline noch heute technologischen Fortschritt und die Hoffnung auf eine besser vernetzte Welt. Weit weniger ist hingegen über die Männer hinter dem Zeppelinbau, die Baugeschichte und die Auswirkungen auf die heutige Mobilität bekannt. Wilhelm Treue und Stefan Zima haben das Wirken von Wilhelm und Karl Maybach unter diesen Aspekten zusammengestellt. Mit der aktuellen Auflage hat Erik Eckermann den Einfluss auf den Motorenbau zwischen den 60er Jahren bis heute ergänzt und mit einem besonderen Blick auf den Automobilbau erweitert.

Table of Contents

Frontmatter

Karl Maybach und sein Werk

Frontmatter
1. Einführung

Bei wenigen Menschen standen persönliche Neigung und berufliche Tätigkeit so in Einklang wie bei Karl Maybach. Von seinem Vater, Wilhelm Maybach, hatte er die ingeniös-konstruktive Begabung geerbt. Das Umfeld, in dem er aufwuchs, die Anregungen und Förderung, die ihm durch den Vater zuteil wurden, vertieften seine Neigung zur Technik und richteten sie auf eine besondere Maschinenart, die Verbrennungsmotoren. Die Motorentechnik nahm Karl Maybach gefangen und ließ ihn nicht mehr los; sie bestimmte sein Leben mehr als alles andere.

Wilhelm Treue
2. Jugend-, Lehr- und Wanderjahre

Karl Maybach wurde am 6. Juli 1879 in Köln-Deutz als Sohn des Konstrukteurs August Wilhelm Maybach und seiner Ehefrau Bertha Wilhelmine, Tochter des Posthalters und Wirtes Karl Gottfried Habermaß, geboren. Die Familie Maybach war seit dem 16. Jahrhundert in Löwenstein bei Heilbronn ansässig. Bereits 1628 ist der Tod eines Michael Maybach urkundlich erwähnt. 1813 wurde Christian Karl Maybach, der Vater Wilhelm Maybachs und Großvater Karl Maybachs, in Löwenstein bei Heilbronn geboren. Der gelernte Schreiner starb aber schon 1856 durch einen Unfall. Damit wurden seine fünf Söhne, unter ihnen der am 9. Februar 1846 in Heilbronn geborene Wilhelm, Vollwaisen, da ihre Mutter Luise Barbara bereits drei Jahre zuvor, 1853, gestorben war.

Wilhelm Treue
3. Von der Luftfahrzeug-Motorenbau-Gesellschaft bis zum Ende des Ersten Weltkrieges

Graf Zeppelin (Abb. 3.1) stand vor dem finanziellen Ruin. Die Rettung kam vom deutschen Volk: Hunderttausende, die von seiner Idee begeistert waren, Vereine, Schulen, Unternehmen, Städte und Gemeinden, spendeten spontan Geld (Abb. 3.2). Am 8. August 1908 teilte Wilhelm Maybach seinem Sohn mit, dass die Sammlung für Zeppelins Unternehmen schon über 200.000 M. erbracht habe:

Wilhelm Treue
4. Karl Maybach und der »Motorenbau« von 1918 bis zum Zusammenbruch 1945

Einige Zeit nach Kriegsende konnte Karl Maybach also den verbliebenen Rest der Mitarbeiterschaft noch beschäftigen und – schließlich vom Unternehmensvermögen – bezahlen. Aber dann musste etwas geschehen. Bereits am 1. September 1918, also noch während des Krieges, hatte er Richard Lang (Abb. 4.3), einen jungen Diplom-Ingenieur, eingestellt und damit beauftragt, den derzeitigen Stand der Technik auf dem Gebiet schnelllaufender Dieselmotoren im Leistungsbereich von 120 bis 150 PS zu ermitteln. Karl Maybach hatte sich für den ganzen Komplex interessiert, weil er aufgrund gelegentlicher Beobachtungen und Veröffentlichungen den Eindruck gewonnen hatte, dass sich hier ein neues Entwicklungs- und Anwendungsgebiet für sein Unternehmen auftat. Am 27. November 1918 legte ihm Lang einen »aus den neuesten Zeitschriften und sonstigen Werken« zusammengestellten ausgewerteten Bericht über »raschlaufende Diesel-Motoren (insbesondere Schiffs- und Fahrzeugmotoren)« vor. Der Bericht begann mit dem Satz:

Wilhelm Treue
5. Karl Maybach in der Zeit des Wiederaufbaus 1945 bis 1960

Das Verhalten Karl Maybachs in der ersten Zeit unter der französischen Besatzung war verblüffend. Es hat den Anschein, als ob er die Tragweite des deutschen Zusammenbruchs und seiner Folgen gar nicht wahrgenommen hat. Man blieb in Wohmbrechts wohnen und versuchte zunächst also nicht, ins zerstörte Friedrichshafen zurückzukehren. In Wohmbrechts arbeitete Karl Maybach weiter wie bisher, als ob nichts geschehen wäre. Als er für seine Tätigkeit gewisse Unterlagen brauchte, die sich in seinem Wangener Büro befanden, schickte er ohne Zögern eine Mitarbeiterin per Fahrrad über die höchst unsicheren Straßen dorthin – sie folgte seiner Anordnung und kehrte, unbelästigt von marodierenden Soldaten, wieder zurück. Das Leben mit der Familie verlief wie vor dem 30. April ruhig und geordnet, ohne dass Maybach mehr Interesse als sonst an den Ereignissen in der Welt zeigte, in der Deutschland soeben als Staat aufgelöst wurde, bald Atombomben fallen sollten und ein neues Zeitalter begann. Mehr und mehr wurde die Ehefrau, die unter großen Schwierigkeiten für das Leben der Familie sorgen musste, auch zu einer Gehilfin dieses Konstrukteurs. War er wirklich weltfremd – oder war es, wie schon früher, bequemer, sich in die Arbeit zurückzuziehen und seinen Neigungen nachzugehen?

Wilhelm Treue
6. Tafeln zu Teil I

Tafeln zu Teil I

Wilhelm Treue

Von Maybach bis zur MTU

Frontmatter
7. Einführung

Das Bild Karl Maybachs und seines »Motorenbaus« hat viele Facetten. Urteile und Bewertungen hängen vom Standpunkt des Betrachters ab. Der Wirtschaftshistoriker sieht manches anders als der Technikhistoriker. Was sich dem einen als unter Mühen und Überwindung großer Widerstände errungene technische Meisterleistung darstellt, beschreibt der andere anhand von Korrespondenzen, Jahresberichten, Besprechungsprotokollen und Bilanzen als verhängnisvoll für den Geschäftsgang eines Gesamtunternehmens. Technischer Fortschritt und kaufmännischer Erfolg verlaufen selten synchron, oft stellt sich der wirtschaftliche Nutzen erst lange nach dem technischen Fortschritt ein.Unser Eindruck von Vorgängen und Ereignissen ist auch ein Spiegelbild der Quellenlage. Zuverlässigkeit und Aussagekraft der Quellen können recht unterschiedlich sein; auch hängt es oft vom Zufall ab, welches Material die Wirren der Zeitläufte überstanden hat und was für aufbewahrenswert erachtet worden ist. Im Fall Maybach sind die wirtschaftlichen und technischen Unterlagen zwar keineswegs lückenlos, aber doch weit vollständiger erhalten geblieben als in vielen anderen Unternehmen.

Wilhelm Treue
8. Von den Anfängen bis zum Ende des Ersten Weltkrieges 1908 bis 1918

Friedrichshafen bestand bereits im Jahre 837 unter dem Namen »Buchhorn« als Sitz der Linzgauer Grafen, die sich seit der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts auch Grafen von Buchhorn nannten. Nach ihrem Aussterben ging der Ort an die Welfen, 1191 an die Hohenstaufen. Im Jahre 1275 wurde er zur Reichsstadt unter dem Schutz von Überlingen erhoben. Im 15. Jahrhundert erwarb er Besitzungen in der Umgebung. Im Jahre 1802 wurde er Bayern, 1810 aufgrund der Hilfsleistungen des Königs für Napoleon Württemberg zugeschlagen, 1811 mit dem ehemaligen Priorat Hofen vereinigt und 1824 Sommerresidenz des Hofes. Seit 1811 heißt der Ort nach Friedrich I., der seit 1805 Napoleons Rheinbund angehörte und 1806 den Königstitel annahm, Friedrichshafen.Bereits früh, nämlich im ersten Bauabschnitt der bis 1850 fertiggestellten Nord-Süd-Linie, wurde Friedrichshafen dem modernen Eisenbahnverkehr durch die Strecke Ulm-Friedrichshafen angeschlossen. Seitdem spielte die Vorstellung von der Bedeutung des Transits bei allen Verkehrsplanungen eine wichtige Rolle. Das galt insbesondere für die Bodensee-Schifffahrt. Gründung, Ausbau und Förderung von Friedrichshafen sowie die Errichtung einer Dampfschifffahrts-Linie, die weitgehend unter staatlicher Leitung stand, dienten der Verbesserung der Verbindung mit der Schweiz und darüber hinaus mit Italien.

Wilhelm Treue
9. In der Zeit der Weimarer Republik 1919 bis 1932

Am 10. November 1918, dem ersten Tag nach dem Waffenstillstand (Abb. 9.1), beschäftigte der Maybach-Motorenbau noch 3.601 Angestellte und Arbeiter, unter ihnen 763 Frauen. Am Tag darauf wurden überall rote Fahnen gehisst, die Arbeit eingestellt. Viele Unterlieferanten konnten wieder ihre alte Friedensfabrikation aufnehmen. Der Maybach-Motorenbau aber war gezwungen, sich ein neues Arbeitsgebiet zu suchen bzw. zu schaffen. Zunächst einmal setzte Colsman rigoros die Belegschaft auf 844 Männer herab, wodurch er sich in weiten Kreisen unbeliebt machte. Insgesamt verließen in den folgenden Monaten etwa 75 % der Belegschaft, darunter viele ausgezeichnete Facharbeiter, nicht nur das Werk, sondern auch den Raum Friedrichshafen. Wer freiwillig kündigte, erhielt eine Entschädigung von mehreren tausend Mark.

Wilhelm Treue
10. Die Jahre der Aufrüstung 1933 bis 1939

Am 30. Januar übernahmen die Nationalsozialisten unter Adolf Hitler die Regierung (Abb. 10.1). Damit änderte sich vieles. Zwar hatte sich schon vorher in der Wirtschaft eine gewisse Trendwende angedeutet, doch es war augenfällig, dass es den Nationalsozialisten gelang, wirtschaftlichen Optimismus zu verbreiten. Diese Aufbruchsstimmung kam auch dem Maybach-Motorenbau zugute. Das Dritte Reich war zunächst auf die Revision des Versailler Vertrages sowie die Wiederherstellung der Wehrhoheit Deutschlands ausgerichtet. Hierfür bedurfte es der Aufrüstung. Mit ihr entsprach Hitler nicht nur dem Wunsch seiner unmittelbaren Anhänger, sondern breiter Teile der deutschen Bevölkerung, welche die Bestimmungen des Versailler Vertrages zutiefst ablehnte. Zudem war die Erinnerung an die Besetzung des Ruhrgebietes durch Franzosen und Belgier im Jahre 1923 noch frisch.Bereits zwei Monate nach Hitlers Machtergreifung legte Karl Maybach am 28. März 1933, als der Maybach-Motorenbau dem Bankrott nahe war, der Muttergesellschaft eine Denkschrift »betr. Erweiterung des Fabrikationsprogramms« vor. Darin hieß es, die Berliner Automobil-Ausstellung im Herbst 1932 habe »eklatant gezeigt«, dass während der letzten Jahre, in denen Karl Maybach immer größere Automobilmotoren entwickelt und teurere Wagen gebaut hatte, »in der Entwicklung des mittleren und kleinen Automobils sehr große Fortschritte gemacht wurden. Wollen wir uns aus dem Automobilgeschäft nicht ausschalten lassen, so müssen wir in allerkürzester Zeit ebenfalls mit einem erstklassigen mittelstarken Wagen herauskommen.«

Wilhelm Treue
11. Im Zweiten Weltkrieg 1939 bis 1945

Die einzelnen Kriegsereignisse finden in den bei Maybach erhalten gebliebenen Akten keinen Niederschlag – weder in den Protokollen über meist lange Besprechungen der Oberbeamten, an denen fast immer Karl Maybach und nicht selten auch Hugo Eckener teilgenommen haben, noch bei den weniger häufigen Gesellschafterversammlungen. Mit dieser Feststellung ist nicht gemeint, dass der Historiker so naiv ist, Äußerungen der Begeisterung oder der Befürchtung, des Patriotismus oder des Defätismus zu erwarten. Aber der Krieg wirkte sich vom ersten Tag an für den Maybach-Motorenbau technisch und wirtschaftlich in allen Bereichen aus.Bereits seit 1938 war es schwierig, genug Arbeitskräfte zu finden, um die großen Aufträge für die Wehrmacht termingerecht zu erfüllen. Beim Beginn des Polenfeldzuges und beim Aufmarsch am Westwall, spätestens am 10. Mai 1940, musste man sich fragen, wie man der vorauszusehenden Produktionssteigerung gerecht werden wollte, wenn ein Großteil der Männer zur Wehrmacht eingezogen wurde (Abb. 10.55, 11.2 und 11.3). Gewiss: Die Älteren konnten sich erinnern, dass seit 1915 zum Ersatz der Männer Frauen und Mädchen freiwillig oder gleichfalls »eingezogen« zum »Motorenbau« gekommen waren. Würde das auch jetzt wieder geschehen (Abb. 11.1)? Noch machte man sich in Deutschland keine Gedanken darüber, weil man glaubte, dass mit dem Frankreichfeldzug der Krieg zu Ende sein würde.

Wilhelm Treue
12. Die Nachkriegsjahre 1945 bis 1949

Am 9. Mai 1945 hatte das Deutsche Reich kapituliert und war in militärische Besatzungszonen aufgeteilt worden. Nach dem Einmarsch der Franzosen in Friedrichshafen herrschte etwa einen Monat lang Ruhe auf dem weiten Werksgelände mit den Ruinen und Trümmern (Abb. 11.53 und 12.1), den gesperrten Straßen und Wegen (Abb. 12.1). Ende Mai/Anfang Juni wurde auf Geheiß der französischen Besatzungsmacht eine Großreparaturstelle für Pkw der Franzosen eingerichtet; im Juni/Juli kam ein Abschluss über die Fortführung der Diesel- und Benzinmotoren-Entwicklung in Wangen auf Rechnung der französischen Regierung zustande. Darüber hinaus mussten die HL-230-Motoren noch weiter gebaut werden. Auch das französische Heer konnte die berühmten Panzermotoren aus Friedrichshafen brauchen – gerade mal ein Vierteljahr, nachdem die letzten an das deutsche Heer ausgeliefert worden waren.

Wilhelm Treue
13. Die Zeit des Wiederaufbaus 1949 bis 1960

Seit Ende 1948 konnte man langsam mit der Instandsetzung und dem Wiederaufbau des Werkes (Abb. 13.1) sowie mit der Durchführung des auf der »Convention« beruhenden Fabrikationsprogramms beginnen – »langsam und mit größter Vorsicht«. Denn noch immer waren einflussreiche, ja »maßgebliche« französische Kreise (auch deutsche Industrielle) am Werk, die gegen das Weiterbestehen des Maybach-Motorenbaus eingestellt blieben. Auch bereitete die Finanzierung eines so großen Vorhabens gleich nach der Währungsreform erhebliche Schwierigkeiten, »da wir als der Demontage verfallener Rüstungsbetrieb nach den seinerzeitigen Bestimmungen keine langfristigen Wiederaufbaukredite bekommen konnten, ohne Gefahr zu laufen, evtl. durch öffentliche Kritik eine neuerliche Gefährdung zu riskieren«.Die Gründung der Bundesrepublik Deutschland am 7. September 1949 (Abb. 13.2), d. h. die Erlangung der Teilsouveränität des westdeutschen Staates mit dem CDU-Kanzler Konrad Adenauer und dem Repräsentanten der sozialen Marktwirtschaft Ludwig Erhard an ihrer Spitze sowie die langfristigen Pläne der Besatzungsmächte, vornehmlich der USA, im Hinblick auf einen Beitrag der Bundesrepublik zur Verteidigungsfähigkeit Europas sowie schließlich Frankreichs Absicht, seine Panzerwaffe qualitativ der englischen und amerikanischen anzugleichen, erleichterten den Aufstieg des Maybach -Motorenbaus.

Wilhelm Treue
14. Auf dem Weg zur MTU 1960 bis 1969

Am 6. Februar 1960 starb Karl Maybach (Abb. 14.1) im Alter von 80 Jahren, nachdem er an diesem Tag wie immer gearbeitet hatte. Er sollte somit die grundlegenden Veränderungen, die das von seinem Vater und ihm vor einem halben Jahrhundert begonnene Werk im Jahre 1960 erfuhr, nicht mehr erleben.Am 9. Dezember 1960 konnte Raebel bei einer Betriebsversammlung über die am 10. August dieses Jahres begonnene Zusammenarbeit des Maybach-Motorenbaus mit Daimler-Benz berichten. Beide Unternehmen hatten beschlossen, auf dem Gebiet der schnelllaufenden Großmotoren in Zukunft wirtschaftlich und technisch eng zusammenzuarbeiten. Flick, Großgesellschafter bzw. Großaktionär bei beiden Firmen, sah die Notwendigkeit, dass man auf dem zwar aussichtsreichen, aber technisch anspruchsvollen und hart umkämpften Markt der Großmotoren in Zukunft in größeren unternehmerischen Einheiten operieren müsse, als es bis dahin in Deutschland der Fall gewesen war. Da beide Firmen zusätzliche Fertigungskapazitäten benötigten und die Daimler-Benz-Werke sich in Untertürkheim nicht mehr ausdehnen konnten, beschloss man, durch eine Ausweitung des Maybach-Motorenbaus in Friedrichshafen einen »Schwerpunkt der Großmotorenfertigung« zu schaffen. Dass dies einer organischen Entwicklung entsprach, sollte der Hinweis darauf unterstreichen, dass damit das gemeinsame Werk von Gottlieb Daimler und Wilhelm Maybach eine sinnvolle Fortführung finde.

Wilhelm Treue
15. Tafeln zu Teil II

Tafeln zu Teil II

Wilhelm Treue

Hochleistungsmotoren

Frontmatter
16. Einführung

In den Veranstaltungen, Vorträgen und Veröffentlichungen anlässlich des hundertjährigen Jubiläums des Automobils wurde auch die Erinnerung an den Namen Maybach wieder wachgerufen, an Wilhelm Maybach, den Schöpfer des modernen Autos, den »König der Konstrukteure«, wie er von Zeitgenossen genannt wurde, und an seinen Sohn Karl Maybach, Erbauer exklusiver Luxusfahrzeuge.Anders als heute war früher, in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen, der Name Maybach in Deutschland in aller Munde, nicht nur weil er als Synonym für Spitzenleistungen im Automobilbau galt, sondern wegen der im wahren Sinne des Wortes »Aufsehen« erregenden Fahrten der Luftschiffe und der Geschwindigkeitsrekorde der Schnelltriebwagen. Doch es war das Vordergründige, das Spektakuläre, worauf sich hier die Perspektive verkürzte, denn die Antriebsanlagen jener Fahrzeuge, die Maybach-Motoren und -Getriebe, verborgen in Motorgondeln und Motorräumen, sah man nicht. Als dann zu Beginn des Zweiten Weltkrieges der Bau von Maybach-Fahrzeugen aufgegeben werden musste – für immer, wie sich später herausstellte –, verblasste die Erinnerung an den großen Namen. Motoren und Getriebe vermögen nun einmal nicht die Fantasie so zu beflügeln, wie es Automobile tun.Karl Maybach hatte sich schon während seiner Ausbildung und mit Beginn seiner beruflichen Tätigkeit dem schnelllaufenden Verbrennungsmotor verschrieben. Zuerst entwickelte er einen Kraftwagenmotor, dann wandte er sich auf Anraten und mit Unterstützung seines Vaters größeren Aufgaben zu.

Stefan Zima
17. Luftschiff- und Flugzeugmotoren 1909 bis 1918

Das Unglück von Echterdingen am 5. August 1908, bei dem das Luftschiff LZ 4 von Ferdinand Graf Zeppelin nach einer bis dahin erfolgreichen Rundfahrt durch eine Sturmbö von seiner Verankerung losgerissen wurde und in Flammen aufging, löste in Deutschland spontan eine Woge der Sympathiebekundungen und der Unterstützung für das Werk des Grafen aus. Wilhelm Maybach, der bereits während seiner Tätigkeit bei der Daimler-Motoren-Gesellschaft (DMG) mit dem Grafen Zeppelin zu tun gehabt hatte, wandte sich nach dem Unglück von Echterdingen mit einem Schreiben an den Grafen. Darin lenkte er dessen Aufmerksamkeit auf einen neuen, von seinem Sohn Karl Maybach für eine französische Studiengesellschaft entwickelten Motor. Dieser Motor sei aufgrund seiner Bauart und Leistungsstärke zum Antrieb besonders von Luftschiffen geeignet. Der Graf ging auf diesen Vorschlag ein, nahm Kontakt mit den Maybachs auf, und so kam es schließlich am 23. März 1909 zur Gründung der »Luftfahrzeug-Motorenbau-Gesellschaft m. b. H« mit Sitz in Bissingen an der Enz (LMG). Später schilderte Graf Zeppelin die Situation so:

Stefan Zima
18. Personenwagen- und Nutzfahrzeug-Motoren 1920 bis 1939

Das Ende des Ersten Weltkrieges bedeutete auch das Ende für die Maybachschen Flugmotoren, weil die Waffenstillstandsbedingungen und später der Versailler Vertrag (1919) die Entwicklung und den Bau von Flugzeugen und Flugmotoren untersagten. Vorhandene Motoren mussten an die Siegermächte abgeliefert oder zerstört werden (Abb. 18.1 und 18.2), ebenso die Propellerprüfstände. Schwerer noch traf den Maybach-Motorenbau die Anordnung, dass auch sieben Wasserwirbelbremsen zu zerstören seien. Die Ausführung dieser Anweisungen wurden von Kontrollkommissionen der Entente argwöhnisch überwacht. Der Maybach-Motorenbau GmbH, wie die Firma seit 1918 hieß, war die Existenzgrundlage genommen!

Stefan Zima
19. Luftschiffmotoren 1923 bis 1930

Der Verbrennungsmotor als »Motor«, als »Beweger« ist viel mehr als andere Maschinenarten in das nichttechnische Umfeld eingebunden. Nicht nur, dass er es ermöglichte, die Transportgeschwindigkeit auch außerhalb des Schienennetzes weit über die des Pferdes zu beschleunigen; mit dem Flugzeug und dem Luftschiff erschloss er dem Menschen auch die dritte Dimension!Das gilt in besonderem Maße für Hochleistungsmotoren, wie der Maybach-Motorenbau sie baute. So nimmt es nicht wunder, dass das Unternehmen von den großen politischen und militärischen Ereignissen dieses Jahrhunderts stärker betroffen wurde als z. B. die Hersteller von Textil- oder Verpackungsmaschinen.Karl Maybach war ein nüchterner, ruhig denkender Mann, dem extreme Anschauungen ebenso fern lagen wie ein überzogener Nationalismus; durch den Bau von Hochleistungsmotoren geriet der Maybach-Motorenbau jedoch zwangsläufig in den Mahlstrom beider Weltkriege und ihrer Folgen. Ein Beispiel, wie sich die politischen Ereignisse auf die Motorenentwicklung auswirkten, ist das Tauziehen um den Bau oder Nicht-Bau von Luftschiffen und damit der Luftschiffmotoren nach dem Ersten Weltkrieg.

Stefan Zima
20. Hochleistungsmotoren 1933 bis 1950

Die technische Philosophie des Maybach-Motorenbaus, nämlich denselben Grundmotor in entsprechenden Versionen für Pkw wie für Nkw zu verwenden, führte fast zwangsläufig zu starken und kompakten Motoren. Denn anders hätten sich die unterschiedlichen Anforderungen dieser beiden Fahrzeugarten nicht erfüllen lassen. Der DS 8, Antrieb eines der exklusivsten und teuersten Pkw, lief gleichermaßen zufriedenstellend als DSO 8 im Omnibus, Kommunalfahrzeug oder Lastkraftwagen, und als DSO 8 spez. trieb er sogar Halbketten-Zugmaschinen (KMZ 100) an!Dadurch wurde das Interesse der Militärs, genauer gesagt des Heereswaffenamtes, an den Maybach-Motoren geweckt. Für die von den Nationalsozialisten nach ihrer Machtübernahme forcierte Rüstung wurden geeignete Antriebe für die neu zu schaffende Panzerwaffe gebraucht.

Stefan Zima
21. Dieselmotoren 1919 bis 1969

Als der Maybach-Motorenbau mit der Entwicklung des schnelllaufenden Dieselmotors begann, konnte er sich zwar auf seine Erfahrungen im Bau von Flugmotoren stützen – eine Motorenart, bei der wegen ihres Hochleistungscharakters Probleme der Massenwirkungen, des Ladungswechsels, der Triebwerkslagerung oder der Kühlung in weit schärferer Form auftraten als bei anderen Motoren; dafür war bei Dieselmotoren, schnelllaufenden zudem, mit anderen Schwierigkeiten zu rechnen, insbesondere bei der Gemischbildung. Während Kfz-Ottomotoren bereits in mannigfaltigen Typen existierten und somit eine Ausgangsbasis für Neuentwicklungen boten, gab es für den geplanten Diesel-Schnellläufer-Motor kein Vorbild.Karl Maybach war sich deshalb von Anfang an im Klaren, dass die Entwicklung eines solchen Motors aufwendig und langwierig sein würde, und es spricht für seine Weitsicht und seinen Wagemut gleichermaßen, dass er in der schwierigen Zeit nach dem Ersten Weltkrieg die Entwicklung einer Motorenart in Angriff nahm, von der nicht abzusehen war, wann sie zum Erfolg führen würde. Ein Mitarbeiter Karl Maybachs drückte das später so aus: »… Es ist selbstverständlich, daß man innerhalb eines Werkes die Pflicht hat, Erzeugnisse zu entwickeln, die die Weiterexistenz in der Zukunft sicherstellen können. Einer Firma aber, die auf ihrem Gebiet als Pionier an der Spitze marschieren will, bleibt es nicht erspart, technische Aufgaben zu lösen, deren materieller Erfolg durchaus nicht immer in wünschenswerter Bälde sichergestellt ist …«

Stefan Zima
22. Mess- und Versuchstechnik

Der Kurbelwellenschaden an dem ersten (Karl) Maybachschen Luftschiffmotor war ein Menetekel für jene physikalischen Phänomene in der Motorentechnik, deren Erkenntnis und Behebung sich – ungleich mehr als in anderen Sparten des Maschinenbaus – als schwierig und aufwendig erwiesen und auch das Prozedere in der Motorenentwicklung maßgeblich beeinflussen sollten.

Stefan Zima
23. Getriebe-Entwicklung

Das Drehmoment-Drehzahl-Verhalten des Verbrennungsmotors deckt sich nicht mit dem der anzutreibenden Straßen- und Schienen-Fahrzeuge, weshalb es besonderer Vorrichtungen, sprich Getriebe (»Kennungswandler«), bedarf, will man den Motor für den Antrieb dieser Fahrzeuge verwenden. Deshalb musste der Maybach-Motorenbau, als er mit der Fertigung der Kfz-Otto- und der Dieselmotoren für die Schienentraktion begann, gleichzeitig auch die dazugehörenden Getriebe entwickeln.Die Maybach’sche Vorstellung von einem »erstklassigen Benzin-Fahrzeugmotor« implizierte natürlich auch eine entsprechende Kraftübertragung, damit Motor und Fahrzeug optimal zusammenarbeiten konnten. Dieses Getriebe konnte nun keineswegs eines der damals üblichen unsynchronisierten Schubrad-Getriebe sein. Wie schon an anderer Stelle erwähnt, darf man die Schwierigkeiten, ein unsynchronisiertes Getriebe zu schalten, nicht unterschätzen: Schwer schaltbare Getriebe wurden weniger häufig geschaltet, was dem Motor ebenso abträglich war wie dem Fahrzeug. Somit war der Wunsch nach einem gewissen Bedienungskomfort auch von technischer Seite her gerechtfertigt. Von Karl Maybach wird berichtet, dass er ungern schaltete und schon deshalb großen Wert auf leichte Schaltbarkeit legte; es ist von ihm der Ausspruch überliefert: »… Mir ist an einem Getriebe nichts zu kompliziert, wenn es dem Fahrer die Schaltarbeit erleichtert oder gar ganz abnimmt. Aber sicher funktionieren muss es …«

Stefan Zima
24. Maybach-Dieselmotoren in Schnelltriebwagen der Deutschen Reichsbahn von 1932 bis 1951

Bis zum Beginn der Zeiten Weltkrieges wurden rund 800 Maybach-Dieselmotoren unterschiedlicher Leistungsklassen für den Antrieb von Schienenfahrzeugen in Europa hergestellt. Mit ihnen errangen deutsche Schnelltriebwagen wie der »Fliegende Hamburger« und andere weltweites Aufsehen. Die Geschichte dieser Verkehrsmittel umfasst zwei Themenfelder, nämlich den Bau von Hochleistungsmotoren mit ihren Kraftübertragungsanlagen einerseits sowie die Entwicklung moderner Wagenbaukonzepte andererseits.Die wenigen frühen Motortriebwagen, die seit der bekannten Berlin-Seddiner Verkehrsausstellung im Herbst 1924 über die Schienen der Reichsbahn fuhren, benutzten zumeist Benzolmotoren sowie eine mechanische Kraftübertragung mit Zahnrädern, Gangstufen und Kupplung. Karl Maybach hatte in Seddin (Abb. 4.12) hingegen einen Nebenbahn-Triebwagen aus der Waggonfabrik Wismar der Eisenbahn-Verkehrsmittel AG (Eva) mit dem ersten schnelllaufenden Sechszylinder-Dieselmotor des Typs G 4a gezeigt, der 150 PS bei 1.300 min $${}^{{-}1}$$ - 1 abgab (Abb. 9.12). Dieser Rohölmotor war im Drehgestell untergebracht. Über Vierganggetriebe, Blindwelle und Kuppelstangen wurde der »Eva-Maybach-Wagen« angetrieben. Die Deutsche Reichsbahn kaufte ihn an, erprobte ihn gewissenhaft und bestellte einige weitere Exemplare (Abb. 9.14).

Alfred Gottwaldt
25. Tafeln zu Teil III

Tafeln zu Teil III

Stefan Zima

Transportation-Design und der Neue Maybach

Frontmatter
26. Einführung

Der Personenwagen aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg (1939–1945) war nicht nur technisch, sondern auch mental zweigeteilt: hier das fahrfähige Fahrwerk, hergestellt vom eigentlichen Fahrzeughersteller, dort der Aufbau, eine meist nach Kundenwunsch angefertigte Karosserie; hier der wissenschaftlich orientierte, auf der Fachschule ausgebildete Techniker, dort der Handwerker mit einer zwei- bis dreijährigen Lehre im (Kutsch-)Wagen- oder Karosseriebau mit anschließender Walz (Gesellenwanderung). Obwohl auch die Handwerker Fortbildungsschulen besuchen konnten und obwohl aus ihren Reihen wahre Künstler hervorgingen, die den Ruf des deutschen Karosseriebaus auf Weltniveau brachten, spürten sie die Geringschätzung der Techniker über Generationen hinweg.Die Maybach-Motorenbau GmbH hat sich nicht mit der Gestaltung der Karosserien ihrer Automobile beschäftigt. Insbesondere von Karl Maybach wird berichtet, dass er, wie auch August Horch, kein Interesse an dieser Seite der Autos mit seinem Namen hatte und überhaupt keinen Einfluss auf ihre Gestaltung nahm. Dies wurde den einzelnen Karosseriebauern und ihren Gestaltern überlassen.

Erik Eckermann
27. Karl Maybach und die Gestaltung der Fahrzeugmotoren und der Fahrwerke

Karl Maybach war im wörtlichen wie im weiteren Sinne der »erste Konstrukteur« der Luftfahrzeug-Motoren-Gesellschaft mbH in Bissingen/Enz. Seit der Gründung 1909 beschäftigten sich Karl Maybach und seine wachsende Mannschaft von Konstrukteuren und Technikern ausschließlich mit der Entwicklung von Luftschiff- und Flugmotoren. Die Formgebung dieser Motoren war bestimmt durch die Anforderungen von Einsatzzweck und Fertigung, v. a. des Gießens der Gehäuse und Zylinder.Die Zeichnungen der Motoren entstanden zunächst klassisch ingenieurmäßig als geometrische Konstruktionen mit Zirkel und Lineal. Doch ging die Arbeitsweise Karl Maybachs über die rein zeichnerische Lösung hinaus. Gerade in der Zeit des Ersten Weltkrieges und danach war er häufig in der Modellwerkstatt zugegen, um dort die äußere Form der Motorbauteile festzulegen. Umgeben von seinen Chefkonstrukteuren bestimmte er intuitiv die endgültige Form der Gussmodelle und somit für die ausgeführten Motoren, bis ihm die Form gefiel. Die Vorstellung eines günstigen Kraftflusses und einer niedrigen Beanspruchung des Bauteils entstand vor Maybachs Auge.

Hartmut Seeger
28. Exterieur- und Interieur-Design der Karosserien der MM-Wagen

Die Vorstellungen Karl Maybachs für einen Pkw, der in Technik wie Komfort eine Spitzenstellung einnehmen sollte, konnten nie zu einem Fahrzeug führen, das für eine breite Kundschaft gedacht war. Dem stand allein schon der Preis für ein solches Spitzenprodukt entgegen, was auch Karl Maybach bewusst und von ihm gewollt war.Während des gesamten Produktionszeitraums der Maybach-Wagen von 1921 bis 1941 entstanden daher Fahrzeuge, die klar auf eine Klientel ausgerichtet waren, die komfortable Repräsentations- und Reisewagen, auch bei entsprechendem Preis, bevorzugte. Entsprechender Preis bedeutete beispielsweise allein für das Fahrwerk des Zwölfzylinder-Modells »Zeppelin DS 7 Liter« 27.000 RM, für das des leistungsstärkeren »Zeppelin DS 8 Liter« 29.500 RM, in Spezial- und Sportausführung jeweils 1.000 RM mehr. Bei diesen Fahrzeugen handelte es sich zugegebenermaßen nicht nur um die Spitzenprodukte des Maybach-Motorenbaus, sondern um die teuersten Fahrzeuge aus deutscher Produktion zu diesem Zeitpunkt überhaupt.Zum Fahrwerk kamen noch die Kosten für eine entsprechende Karosserie. Maybach bot eine »Standard«-Karosserie an, eine 6- bis 8-sitzige Pullman-Limousine für insgesamt 30.000 RM für den »Zeppelin DS 7 Liter« und 34.000 RM bzw. 36.500 RM für den »Zeppelin DS 8 Liter«. Das heißt, eine Pullman-Karosserie von Spohn kostete durchschnittlich 7.000 RM. Zum Vergleich: BMW 327: 7.500 RM (1937); Opel »Kapitän« (1938): 5.940 RM, beides Sechszylinder-Wagen.

Hartmut Seeger
29. Die Wiederbelebung der Automarke Maybach 2002 bis 2012

Nach dem Zweiten Weltkrieg, der neben anderen Verwüstungen eine zerstörte Industrie und Verkehrsstruktur hinterlassen hatte, nahm das Volkswagen-Werk bereits 1945 die Produktion von Zivilfahrzeugen wieder auf. Es folgten Daimler-Benz 1946, Opel 1947, Ford 1948, Borgward 1949 und die im Westen neu gegründete Auto Union mit ihrer Marke DKW sowie Goliath, Lloyd, Gutbrod und Porsche 1950. Bis 1952, dem Ende der eigentlichen Wiederaufbauphase, kam BMW in München als letztes großes Autowerk hinzu. Bereits 1951 produzierten die westdeutschen Pkw-Werke mehr Einheiten als 1938 das Reichsgebiet – bei weniger Herstellern als vor dem Krieg und vor dem Hintergrund eines geografisch und ideologisch geteilten Landes: Stoewer in Stettin befand sich auf polnischem Gebiet, Hanomag konzentrierte sich auf Schlepper und Lkw, Adler, Wanderer, Horch und Maybach zogen sich ganz vom Autobau zurück.

Erik Eckermann

Maybach-Traditionspflege

Frontmatter
30. Einführung

Wenn zwei Deutsche zusammenstehen, so weiß der Volksmund, gründen sie einen Verein. Das muss nicht unbedingt anrüchig sein, denn schon unsere frühen Denker erkannten, dass es gut und sogar »göttlich« ist, einig zu sein (J. C. F. Hölderlin), und dass durch Eintracht kleine Dinge wachsen (Sallust). Das übrigens wussten vor den Klassikern schon die Höhlenmenschen, die sich zu Gemeinschaften zusammenschlossen, denn Einigkeit macht stark (Sigmund Graff).So war es nur eine Frage der Zeit, wann sich die Eigner der nach dem Krieg übrig gebliebenen Maybach-Fahrzeuge einig sein und einen Club gründen würden. Das war zufällig jenes Jahr, in dem das seit der Währungsreform 1948 ungebrochene Wirtschaftswachstum, genannt »Wirtschaftswunder«, mit einer Rezession endete, nämlich 1966/67, sechs Jahre nach Karl Maybachs Tod.Und wie durch Eintracht kleine Dinge wachsen können, belegt die geradezu unglaubliche Geschichte von der Auferstehung eines Maybach aus den 1930er Jahren, den es vorher gar nicht gegeben hatte. Dank der Beharrlichkeit eines Berufsschullehrers und mithilfe von einigen Schüler- und Lehrergenerationen sowie Sach- und Finanzhilfe aus Industrie und Gewerbe entstand in 18-jähriger Arbeit ein Maybach aus dem Nichts – fahrfähig, versteht sich.

Erik Eckermann
31. Wilhelm und Karl Maybach in Ordensregister, Ehrenlisten und Ruhmeshallen

Eigentlich wollte der bayerische König Ludwig I. mit dem Walhalla genannten tempelartigen Bauwerk bei Donaustauf ein »dauerndes Denkmal deutschen Ruhms und deutscher Größe« schaffen. Über die mehr als 100 Bildnisbüsten sind seit 1842 so einige Kriege, Staatsformen, Nationalflaggen und Währungen hinweggerauscht, manch »wackerer Teutscher« ist in Vergessenheit geraten. Doch die Idee lebt weiter, und zwar heftig. Denn des Monarchen zweiter Gedenkstätte, der Ruhmeshalle gleich hinter dem Kolossalstandbild der Bavaria auf der Theresienhöhe in München, fertiggestellt 1850, folgte 1925 der Ehrensaal im Deutschen Museum, ebenfalls München. Und dort wurde am 15. Juli 1965 ein Relief des »unvergeßlichen Wilhelm Maybach« enthüllt.In seiner Laudatio lobte Jean Raebel »den eigentlichen Schöpfer des raschlaufenden Verbrennungsmotors; alle konstruktiven Einzelheiten … stammen von ihm … Gottlieb Daimlers großes Verdienst bleibt es, als erster und früher auch als Wilhelm Maybach erkannt zu haben, daß der Verbrennungsmotor als Schnelläufer gebaut werden kann … und es dem mittellosen Wilhelm Maybach ermöglicht zu haben, seine wundervollen schöpferischen Leistungen zu vollbringen«. Dann folgte unter allgemeinem Applaus (Abb. 31.1) die Enthüllung von Relief und Tafel, worauf zu lesen steht: »Gemeinsam schufen sie in der leichten schnellaufenden Verbrennungskraftmaschine den entwicklungsfähigen Fahrzeugmotor«. Relief-Nachbar Gottlieb Daimler wird’s gefallen haben (Abb. 31.2).

Erik Eckermann
32. Der Club zum Auto

Ein kostbares Auto, zum Beispiel einen Rolls-Royce, »… lässt man nicht verschrotten. Anschaffungspreis und Status sprechen dagegen. Nach ein paar unbeschwerten Jahren wandert er in eine Sammlung und darf auf einem Teppich stehen. Brot- und Butter-Autos dagegen, bei denen mit zunehmendem Alter die Reparaturanfälligkeit zu- und Nachbars Wertschätzung abnimmt, sehen irgendwann den Hochofen von innen. Ein Zeugnis der Alltagskultur ist unwiederbringlich dahin mit der Folge, dass, setzt man die Produktionszahlen zueinander ins Verhältnis, die Anzahl der Plebejer geringer ist als die der Aristokraten. Im richtigen Leben ist es bekanntlich umgekehrt.« Das trifft auf den Luxuswagenbauer Rolls-Royce zu, von dem zwischen 80 und 90 % Überlebende von allen jemals gebauten Autos angenommen werden, nicht aber auf Maybach. Von den etwa 1.800 Personenwagen, die der Maybach-Motorenbau von 1921 bis 1941 hergestellt haben mag, sind heute etwa noch 160 Exemplare bekannt – das sind noch nicht einmal 9 %.

Erik Eckermann
33. Ein Maybach aus dem Nichts

Zu Ehren des in Heilbronn geborenen Wilhelm Maybach beschloss der dortige Gemeinderat 1972, die Gewerbliche Berufs- und Fachschule I in »Wilhelm Maybach-Schule« umzubenennen. Als dort tätiger Lehrer veranstaltete ich im folgenden Jahr für Schüler und Kollegen eine kleine Ausstellung, die über Kopien von Geburts-, Heirats- und sonstigen Urkunden nicht hinauskam. Später abgehaltene Maybach-Club- und Jahrestreffen sowie Maybach-Jubiläen führten zu Bekanntschaften mit Wilhelms Enkelin Irmgard Schmid-Maybach, ferner mit MTU-Ingenieur und -Archivar Gustav Burr, mit MTU- und Daimler-Vorstandsmitgliedern, mit Alois Fehrenbach, einst Maybach-Werkmeister und letzter Fahrer von Karl Maybach, mit Alfons Hagmann, ehemaliger Maybach-Konstrukteur, sowie weiteren Personen mit Beziehungen zu Familie und Unternehmen. Sie alle unterstützten nicht nur meinen Vorschlag, alljährlich begabte Berufsschüler mit einem Wilhelm-Maybach-Preis auszuzeichnen, sondern auch ein Fahrgestell nachzubauen, aus dem dann im Verlauf von 18 Jahren trotz Rückschlägen und den stets auftauchenden Bremsern und Bedenkenträgern ein komplettes, fahrfähiges Auto entstand.

Klaus Schellenberger
34. Museum für Historische Maybach-Fahrzeuge

Der Anfang der eigentlichen Museen liegt, von den Schatzkammern der Antike und des Spätmittelalters abgesehen, in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Damals legten meist Fürsten Sammlungen von Kuriositäten, Monströsem, seltsamen und ungewöhnlichen Gegenständen an, die sich zu Kunst- und Naturalienkammern entwickelten, in denen kunstgewerbliche, künstlerische, mechanische und technische Objekte aufgehoben wurden. Die Sammlungen waren nicht öffentlich, verliehen dem Besitzer jedoch die Aura von Wissenschaft und Macht.Um die »Ordnung der ganzen Welt« zu erfassen, entwarf Samuel von Quiccheberg, Sammlungsbeauftragter und Leibarzt Herzog Albrechts V. in München, 1565 den Plan für ein Universalmuseum, wie wir es heute in Ansätzen vom Deutschen Museum kennen. Er unterteilte den Inhalt seines Idealmuseums nach Klassen und Gruppen, wobei die Klasse »Artifizialen« neben Waffen auch Werkzeuge für alle möglichen Gewerke enthielt, ferner astronomische Apparaturen, Hebe- und Rammzeuge sowie Geräte für Jagd, Garten- und Ackerbau. Quiccheberg garnierte seinen Idealplan, der damals noch nicht in Materie gegossen wurde, mit Bibliothek und angeschlossenen Werkstätten.

Helmut Hofmann
35. Die Wilhelm und Karl Maybach Stiftung

Als »Vater des Mercedes« und »König der Konstrukteure« hat man Wilhelm Maybach bezeichnet, und in der Tat zählt er zu den großen Ingenieuren, die die Geschichte der Mobilität weitreichend beeinflusst haben. Sein Sohn Karl Maybach trat in seine Fußstapfen. Er schuf als Konstrukteur 80 Prozent der Motoren für die Luftschiffe des Grafen Zeppelin und konstruierte wegweisende Antriebssysteme für Flugzeuge, Schiffe, Züge und die berühmten Maybach-Automobile. Aus der von ihm mitgegründeten Maybach-Motorenbau GmbH entstand später die MTU Friedrichshafen.Lesern dieses Buchs dürften die technologisch-ökonomischen Zusammenhänge mindestens in Grundzügen vertraut sein. Weniger bekannt ist womöglich, dass die Förderung junger Talente, der Wissenstransfer, die stetige Suche nach neuen Ideen nicht nur für die Maybachschen Unternehmen von entscheidender Bedeutung waren, sondern auch im Leben der beiden Konstrukteure selbst eine besondere Rolle spielten. Wilhelm Maybach, geboren 1883 in Heilbronn, wurde im Alter von zehn Jahren als Vollwaise in das Bruderhaus in Reutlingen aufgenommen. Kinder in einer derartigen Lebenssituation hatten üblicherweise keine Chance auf höhere Bildung und gesellschaftlichen Aufstieg, und so war für den jungen Wilhelm Maybach eine Ausbildung zum Konditor vorgesehen, als Pfarrer Gustav Werner, der das Bruderhaus leitete und seine Schützlinge im gemeinschaftlichen Geist erzog, dessen Zeichentalent entdeckte.

Andrea Böttcher
36. Der Freundeskreis Maybach Museum e.V.

Seit jeher pflegte Irmgard Schmid-Maybach, Tochter von Karl Maybach und Enkelin von Wilhelm Maybach, engen Kontakt zu einem Teil der leitenden Angestellten der MTU Friedrichshafen, dem Nachfolgeunternehmen der Maybach-Motorenbau GmbH, heute unter dem Dach der Rolls-Royce Power Systems AG. Sie selbst war über 20 Jahre Mitglied des Aufsichtsrats der MTU, danach Ehrenmitglied.Die Pensionäre dieses Kreises bilden eine lose Gemeinschaft, die seit 1978 besteht. Dieser Personenkreis unterstützt Irmgard Schmid-Maybach seit 2012 in ihrem Vorhaben, ein Maybach-Museum in Friedrichshafen zu etablieren. Anfang 2014 wurde die Idee, das Wissen der ehemaligen Maybächler zu erhalten und Dokumente aus der Maybach-Zeit zu sammeln, durch die Pensionäre in die Tat umgesetzt.Ab 2015 strukturierten die Maybach-Stiftung und ehemalige Maybächler ihr Vorhaben. Sie gründeten am 6. Juli 2015, dem 136. Geburtstag von Karl Maybach, den Freundeskreis Maybach Museum e. V. in Friedrichshafen. Damit begann für den vierköpfigen, ehrenamtlich arbeitenden Vorstand eine intensive Arbeit. Priorität hatte – neben der Sammlung von Dokumenten und dem Bewahren des Wissens von Zeitzeugen – die Mitgliederwerbung.

Siegfried Rehm
37. Ausklang

Als 1959 mit dem 80. Geburtstag Karl Maybachs auch das 50-jährige Jubiläum der Maybach-Motorenbau GmbH gefeiert wurde, konnte Karl Maybach auf ein erfülltes und erfolgreiches Leben als Konstrukteur und Ingenieur zurückblicken. Ein halbes Jahrhundert hatte er der Motorentechnik wichtige Impulse gegeben und mit seinen Motoren und Getrieben Maßstäbe gesetzt.Die Entwicklung schnelllaufender Hochleistungsmotoren hatte eine Vielzahl von Problemen aufgeworfen. In dieser Erschwernis lag auch ein Grund für den Erfolg der Maybachschen Konstruktionen: hoher entwicklungstechnischer Aufwand in Verbindung mit hochwertiger Präzisionsfertigung. Hierzu brauchte man fähige und qualifizierte Mitarbeiter, die Karl Maybachs Ideen verwirklichen konnten und die beste Gewähr dafür boten, sein Werk auch in der Zukunft fortzusetzen.Karl Maybach hat im Laufe der Jahrzehnte viele Motoren entwickelt: Ottomotoren für Luftschiffe und Flugzeuge, hochwertige Automobilmotoren, aus denen immer stärkere Triebwerke für schwere Nutzfahrzeuge bis hin zu den Motoren für Kettenfahrzeuge abgeleitet wurden. Seine größte Leistung jedoch war der schnelllaufende Dieselmotor größerer Leistung, mit dem die Ära der Diesel-Schienentraktion in Deutschland eingeleitet wurde. Das war nicht nur eine Pioniertat, damit wurden auch die Weichen für die Zukunft gestellt.

Wilhelm Treue, Stefan Zima
Backmatter
Metadata
Title
Technikpionier Karl Maybach
Editors
Erik Eckermann
Wilhelm Treue
Stefan Zima
Copyright Year
2022
Electronic ISBN
978-3-658-37065-7
Print ISBN
978-3-658-37064-0
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-37065-7

Premium Partners