Mit welchen Maßnahmen lässt sich das tribologische System optimieren und wie können CO2-Emissionen reduziert werden? Das diskutieren Experten aus Forschung und Praxis auf der Tagung zur Reibung in Antrieb und Fahrzeug.
Noch nie zuvor in der Automobilgeschichte standen die Fahrzeughersteller und Zulieferer aber auch Entwicklungsdienstleister so stark unter Druck wie derzeit. Immer strengere CO2-Grenzwerte müssen eingehalten und Prüfzyklen unter realen Fahrbedingungen bestanden werden. Das sagte Dr. Johannes Liebl, Herausgeber von ATZ, MTZ und ATZelektronik bei der Eröffnung der 7. ATZ-Fachtagung Tribologie, die vom 20. bis 21. November 2018 in Esslingen am Neckar stattfindet. Die Veranstaltung mit dem neuen Titel "Reibung in Antrieb und Fahrzeug" ist noch breiter aufgestellt, um die steigenden Anforderungen ganzheitlich zu betrachten.
Reibungsreduzierung sei direkt spürbar: Verbrauch und CO2-Ausstoß sinken, die Reichweite steigt – sowohl bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor als auch bei Elektro- oder Hybridfahrzeugen. Vor rund 90 Experten aus Forschung und Entwicklung, von Zulieferern und OEMs sowie Universitäten ging der wissenschaftliche Leiter der Tagung, Professor Dr.-Ing. Tim Hosenfeldt, in seiner Keynote auf die vier Themen ein, die zunehmend die Mobilität prägen und beeinflussen werden: Klimawandel, Digitalisierung, Urbanisierung und Globalisierung, und der daraus entstehende deutlich steigende Energiebedarf.
Tribologie hat Potenzial
Es braucht umweltfreundliche Antriebe, zu denen nicht nur batterieelektrische Fahrzeuge zählen, sondern auch solche, die mit Wasserstoff oder synthetischen Kraftstoffen betrieben werden, idealerweise produziert mit Strom aus regenerativen Quellen. Geht es um urbane Mobilität, darf man nicht nur das Auto betrachten: Es wird zunehmend auch Zweiräder geben oder Mikrocars, die innerstädtisch das konventionelle Auto ersetzen können.
Die Tribologie ist ein recht junges Fachgebiet, jedoch wird es immer wichtiger, da hier großes Potenzial vorhanden ist. 23 Prozent des Energieverbrauchs wird in tribologischen Kontakten umgesetzt. Das langfristige Einsparpotenzial sehen Experten bei 40 Prozent, mittelfristig seien durch die konsequente Umsetzung tribologischer Maßnahmen Energieeinsparungen von 18 Prozent möglich.
Ziel, aber praktisch kaum erreichbar: Nullreibung
Damit das gelingt, ist die Betrachtung verschiedener Teilbereiche nötig: Materialien, Oberflächen, Schmierstoffe, zudem Simulationen und Realversuche. Jede Änderung eines Systems zieht jedoch möglicherweise weitere Änderungen nach sich. So steigert die bedarfsgerechte Steuerung von Nebenaggregaten zwar die Energieeffizienz, führt aber zu höheren tribomechanischen Bauteilbelastungen. Als Beispiel nennt Hosenfeldt die Hybridisierung und damit einhergehend beispielsweise ein erweiterter Start-Stopp-Betrieb mit längeren Stillstandszeiten und Segelbetrieb.
Bei Nullreibung, die praktisch kaum erreichbar, aber zumindest angestrebt wird, sind in einem aktuellen konventionellen Fahrzeug mit Verbrennungsmotor und einem CO2-Ausstoß von 119 g/km vor allem im Bereich der Motorreibung Reduzierungen von zehn Prozent möglich. Bei den Riemenverlusten sind es weitere zwei und bei den Getriebeverlusten sogar vier Prozent. Und auch die Fahrzeuge der Zukunft werden meist vier Räder und dementsprechend vier Radlager besitzen – hier liegt das Einsparpotenzial bei ebenfalls vier Prozent. In Summe ließen sich durch die Eliminierung der Reibung gut 20 g CO2/km einsparen. Einig sind sich die Experten ebenfalls seit langem, dass Wälzlager reibungsärmer laufen als Gleitlager; aufgrund von höheren Kosten und teilweise ungünstigem NVH-Verhalten haben sie sich dennoch noch nicht überall durchgesetzt.
Herausforderung Hybridantriebe
In weiteren Vorträgen berichteten die Referenten am ersten Tag unter anderem über Reibungsuntersuchungen an unterschiedlichen Motorenkonzepten, über Simulationsmethoden zur zuverlässigen Optimierung von Nutzfahrzeug-Motoren oder auch über Wirkungsgradverbesserungen unter anspruchsvollen RDE-Randbedingungen.
Christian Kehren von der FEV ging auf die Probleme ein, die sich ergeben, wenn Antriebsstränge zunehmend elektrifiziert werden und sich Verbrennungsmotoren im Hybridbetrieb langsamer aufheizen. Versuche an einem 2-l-Ottomotor hätten gezeigt, dass eine Verschiebung der Starttemperatur im WLTP von 23 °C (Raumtemperatur) auf 14 °C (mitteleuropäische Durchschnittstemperatur) zu einem Anstieg der CO2-Emissionen von rund 8 g/km führen. Im Fallbeispiel lag die Öltemperatur im konventionellen Betrieb bei rund 72 °C, im Hybridbetrieb bei etwa 57 °C – das führt laut FEV zu einer Reibungserhöhung von circa 15 Prozent bei 2.000/min, das entspricht einer Erhöhung der CO2-Emissionen um vier Prozent.
Niedrigviskose Öle, Formhonen und Polymerbeschichtungen von Lagern können Abhilfe schaffen und die innermotorische Reibung reduzieren. Versuche mit 0W-8-Ölen haben ergeben, dass sich die Reibung im Kurbeltrieb um bis zu 20 Prozent reduzieren lässt. Hinsichtlich erhöhtem Verschleiß, Änderungen in der Akustik und höherem möglichen Ölverbrauch sind jedoch weitere Untersuchungen nötig – Öle mit immer niedrigerer Viskosität sind also kein Allheilmittel zur Reibungsreduzierung.
Split-Lubrication-Methoden
Geforscht wird auch an sogenannten Split-Lubrication-Methoden, bei denen in einem Motor je nach Bauteilgruppe Öle mit unterschiedlichen Viskositäten zum Einsatz kommen. So könnte im Kurbeltrieb ein niedrigviskoses Öl eingesetzt werden, im Ventiltrieb jedoch eines mit einer höheren Viskosität, weil es sich dafür besser eignet.
Zum Abschluss des ersten Veranstaltungstages stellten sich vier Referenten einer Podiumsdiskussion – deren Zusammenfassung gibt es im ausführlichen Tagungsbericht in der ATZ 3/2019.