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01-04-2022 | Umformen | Schwerpunkt | Article

Mit inkrementellem Umformen zur wirtschaftlichen Kleinserie

Author: Thomas Siebel

4:30 min reading time

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Mit der inkrementellen Umformung lassen sich Bleche in kleinen Stückzahlen zu geringen Kosten wiederholgenau fertigen. Die Vorzüge des Verfahrens erinnern in mancherlei Hinsicht an die additive Fertigung.

Komplexe Geometrien lassen sich einfach und in kurzer Zeit fertigen, die Fertigungsparameter ergeben sich direkt aus dem CAD-Modell und neue Bauteildesigns lassen sich mit bestehendem Werkzeug herstellen. Damit eignet sich das Verfahren besonders für die kosteneffiziente Fertigung von Einzelteilen oder Kleinserien. Was stark an die Vorzüge der additiven Fertigung erinnert, trifft auch auf die inkrementelle Blechformung zu. Im Gegensatz zur additiven Fertigung lassen sich jedoch auch dünne geometrische Strukturen herstellen. Und auch gegenüber konventionellen Blechformtechnologien wie dem Tief- oder Streckziehen hat das Verfahren einen entscheidenden Vorteil: Das Werkzeug muss nicht der finalen Bauteilgeometrie entsprechen, wodurch hohe Werkzeugkosten entfallen.

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01-02-2022 | Titelthema

Simulative Prozessauslegung für die geometrieflexible Umformung

Um die aufwendige und kostenintensive Werkzeugherstellung in der Blechumformung für eine höhere Variantenvielfalt zu vereinfachen, wird im Rahmen eines EU-Projekts ein innovativer hybrider 3-D-Druck-Umformprozess kombiniert auf einer Demonstratormaschine untersucht.

Erstmals beschrieben in einem Patent aus dem Jahr 1969 erleben inkrementelle Umformverfahren seit Beginn der 2000er-Jahre einen Aufschwung, der nun allmählich in industrieller Anwendung mündet, wie die Autoren um Daniel Afonso im Kapitel Incremental Sheet Forming des Buchs Incremental Forming as a Rapid Tooling Process schreiben. Der Prozess der inkrementellen Blechumformung läuft folgendermaßen ab: Ein Blech aus Stahl, Aluminium oder einem anderen Metall wird in einen Rahmen eingespannt. Ein kugelförmiges Werkzeug, das an einer konventionellen CNC-Fräsmaschine fixiert sein kann, wird vertikal in das Blech gedrückt und folgt dann einer vorgegebenen Werkzeugbahn, wobei das Werkzeug im Laufe der Bearbeitung schrittweise oder kontinuierlich weiter in z-Richtung vorgeschoben wird. Das Blech wird somit Schritt für Schritt hin zur finalen Geometrie geformt. Die heutige Anwendungsreife des Verfahrens hängt insbesondere mit Fortschritten in der Geometriegenauigkeit zusammen, die in den letzten Jahrzehnten erzielt wurden.

Circa 30 Minuten für ein Blech

In der inkrementellen Blechumformung unterscheidet man vier Ansätze:

  • Beim zumeist eingesetzten Single-point Incremental Forming (SPIF) wird das zu bearbeitende Blech zusammen mit einer speziellen Trägerplatte eingespannt und durch einen einfachen Werkzeugstempel verformt.
  • Beim Dual-point Incremental Forming (DPIF) ersetzt ein zweiter bewegungsgesteuerter Stempel die Trägerplatte, wobei hier wiederum nach lokalem (DPIF-L) und pheriphärem Support (DPIF-P) des zweiten Stempels unterschieden wird.
  • Beim Two-point Incremental Forming (TPIF) unterstützt eine kostengünstige Matrize den Umformprozesses.

Je nach Materialart und -dicke sowie geforderter Oberflächengüte variiert der schrittweise vertikale Vorschub des Werkzeugs, das sogenannte Zustellinkrement, zwischen 0,1 und 2 mm. Die Vorschubgeschwindigkeiten liegen zwischen 100 und 12.000 mm/min, während Umformkräfte zwischen 200 und 20.000 N aufgebracht werden. Auch die Fertigungsdauer variiert, je nach Umformtiefe und Blechdicke, zwischen wenigen Sekunden und Stunden. Um die 30 min dauert die Fertigung eines 200 × 200 × 100 mm-Teils inklusive Fertigungsvor- und -nachbereitung.

Gezielt eingebrachte Eigenspannungen

Zu den eingangs genannten Vorteilen der inkrementellen Umformung gegenüber konventionellen Verfahren kommt eine weitere dazu: Die Verteilung der Eigenspannungen im Bauteil, und somit auch die Bauteileigenschaften, lassen sich gezielt steuern. Einen neuen Ansatz dazu stellen Wissenschaftler der Technischen Universitäten in Dortmund und Berlin im Artikel Gezielte Steuerung der Bauteileigenspannungen durch inkrementelle Blechumformung der Zeitschrift Forschung im Ingenieurwesen 3/21 vor. Dafür arbeiten sie während des Umformprozesses mit variierenden Zustellinkrementen. Die Wissenschaftler stellten fest, dass sich Zug- und Druckeigenspannungen durch variable Inkremente um das Dreifache steigern lassen, wodurch sich neue Möglichkeiten für die anforderungsgerechte Auslegung von Bauteilen ergeben.

Hybrides Verfahren mit additiver Fertigung

Forschende des Fraunhofer IWU sowie der VSB-Technical University of Ostrava in Tschechien arbeiten derweil an der Kopplung von inkrementeller Blechumformung mit der additiven Fertigung. Für das hybride Verfahren verwenden sie eine Portalmaschine, mit der zunächst eine großflächige Gegenmatrize additiv gefertigt wird. In einem zweiten Schritt werden entsprechend des oben genannten TPIF-Ansatzes Blechteile geformt. Durch die Verwendung der Gegenmatrize lassen sich großvolumige Teile mit hoher Oberflächenqualität, ausreichender Härte und hoch genauer Geometrie fertigen. Der gesamte Prozess läuft dabei auf einer Haase-Portalmaschine ab, wie die Wissenschaftler in ihrem Beitrag Simulative Prozessauslegung für die geometrieflexible Umformung in der maschinenbau 1/22 schreiben. Mit neuen Simulationsmodellen wollen die Wissenschaftler den Prozess optimieren, indem sie das Verständnis beispielsweise für Einschnürungen, Rückfederungseffekte und Werkzeugverformungen erweitern.

Leichtbau als Ansporn

Angespornt werden die Projektpartner durch den zunehmenden Leichtbauzwang, der nach flexiblen Fertigungsketten für Metallblech-Kunststoff-Hybride verlangt. In diesem Zusammenhang beobachten die Wissenschaftler in den vergangenen Jahren ein deutlich wachsendes industrielles Interesse an der inkrementellen Umformung von Leichtbauwerkstoffen wie Magnesium, hochfestem Aluminium, Titan und hochfesten Stählen.

Ein dem inkrementellen Blechumformen ähnliches Verfahren stellen Edag und die Universität Siegen im Artikel Inkrementelles Schwenkbiegen für skalierbare Leichtbaustrukturen für die ATZ 5/17 vor. Auch hier ist der wirtschaftliche Leichtbau für Fahrzeuge in kleiner und mittlerer Stückzahl das Ziel. Bei dem vorgestellten Verfahren wird ein Strukturbauteil aus einem hochfesten Hutprofil schrittweise durch eine Schwenkbiegeeinheit geschoben, die das Profil lokal verformt. Wie beim  inkrementellen Blechbiegen ist damit auch hier die Werkzeuggeometrie unabhängig von der Endkontur des Bauteils. Als Demonstrationsbauteil stellen die Autoren einen Längsträger für Elektrofahrzeuge vor, der die sonst übliche werkstoff-, prozess- und damit kostenintensive Schalenbauweise ersetzen kann.

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