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17-12-2018 | Umwelt | Interview | Article

"China behauptet seine Marktmacht bei Seltenen Erden"

Author: Nico Andritschke

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Keine Umwelttechnologien ohne die Nutzung Seltener Erden. In der EU sind sie als "kritische Metalle" eingestuft. Professor Jens Gutzmer beschreibt deren Bedeutung, Gewinnung und Umweltwirkungen.


Springer Professional: Wie groß sind die weltweiten Vorräte an Seltenen Erden und wie hat sich die Nachfrage, insbesondere in Deutschland, in den letzten Jahren mit der Entwicklung neuer Umwelttechnologien entwickelt?

Jens Gutzmer: Aus geologischer Sicht sind die Seltenen Erden reichlich verfügbar und die Explorationserfolge des letzten Jahrzehnts belegt ganz deutlich, dass diese Rohstoffe geographisch sehr weit verbreitet sind. Auch die Nachfrage ist in den letzten zehn Jahren stetig gewachsen, aber nicht so stark, wie vielleicht erwartet. Zu keinem Punkt ist es im Weltmarkt zu Versorgungsengpässen gekommen. Interessant ist, dass China seine Marktmacht bei den Seltenen Erden erhalten konnte, trotz der heißen Diskussionen in der westlichen Welt, wie man sich unabhängiger machen könnte. Seltene Erden werden weiterhin fast ausschließlich in der Volksrepublik abgebaut und auch verarbeitet. Eine US-amerikanische Lagerstätte hat ihren Betrieb aufgrund stark fallender Preise wieder eingestellt. In Australien könnte mit Northern Minerals demnächst neben Lynas ein zweiter Produzent an den Markt gehen, allerdings mit chinesischem Kapital im Hintergrund. Nicht nur der Bergbau, auch die Produktion der verschiedenen Metalle wie Cer, Neodym oder Europium, die zu den Seltenen Erden gehören, findet fast ausschließlich in China statt. In Deutschland und Frankreich wurden Verarbeitungsanlagen stillgelegt. Die SEE-Verarbeitung der Firma Lynas in Malaysia steht in stetiger Kritik und es ist nicht ausgeschlossen, dass sie wegen Umweltbedenken geschlossen werden muss.

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Leitprojekt "Kritikalität Seltener Erden"

Hightech-Rohstoffe: Gewinnen und Ersetzen

Sie sind Schlüsselrohstoffe für die Technologien von morgen: Seltenerdmetalle. Sie stecken in modernen Elektromotoren, Windkraftgeneratoren, Smartphones und Energiesparlampen. Eine nachhaltige und vernetzte Zukunft scheint ohne sie nicht denkbar.

Brasilien und China besitzen die größten weltweiten Reserven an Seltenerdelementen. Seit Jahren wird eine strategische Partnerschaft zwischen Brasilien und Deutschland vorangetrieben. Mit welchen Initiativen und Projekten werden die Sicherung strategischer Ressourcen und die Entwicklung von Ressourcentechnologien aktuell verwirklicht?

Beide Länder haben in der Tat erhebliche Reserven an Seltenen Erden. In China wird schon seit Jahrzehnten sehr viel in die Exploration und die industrielle Nutzung dieser Rohstoffe investiert. In Brasilien dagegen gibt es zwei Bergwerke, in denen neben dem Hauptprodukt Neodym auch die Seltenen Erden als Beiprodukte gewonnen werden könnten – vorausgesetzt der Abbau lohnt sich wirtschaftlich. Eines dieser Bergwerke wurde inzwischen von China Molybdenum gekauft, eine Entwicklung, die den rasch wachsenden Einfluss Chinas auf die globale Rohstoffindustrie gut illustriert – ein Einfluss, der nicht auf die Seltenen Erden beschränkt ist. Aktuell fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung mehrere Projekte, um die Nutzung der brasilianischen Seltenerd-Rohstoffe in Kooperation mit deutscher Expertise voranzutreiben. An zwei dieser Projekte ist auch das Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf beteiligt. Das Projekt "REGINA" hat das Ziel, eine Prozesskette zur Herstellung und Vermarktung von Hochleistungspermanentmagneten in Brasilien aufzubauen. Bei dem Vorhaben „MoCa“ geht es darum, Seltenerd-Rohstoffe aus Bergbauhalden zu gewinnen.

Wie sind die Forschungsschwerpunkte Ihres Instituts ausgerichtet?

Am Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie werden Konzepte für einen nachhaltigen, effizienten und wirtschaftlichen Umgang mit mineralischen und metallhaltigen Rohstoffen entwickelt. Nach der Krise um die Seltenen Erden, vor deren Hintergrund das Institut gegründet wurde, standen diese Ressourcen auch zuerst im Mittelpunkt der Forschung. Inzwischen hat sich der Fokus deutlich auf komplexe Rohstoffe aus primären Lagerstätten wie auch aus sekundären Quellen erweitert, also aus Recyclinggütern. Wir wollen Beiträge zu einer kreislauforientierten Nutzung leisten und verfügen dafür über hervorragende Infrastrukturen, mit denen wir modernste Ansätze aus der Forschung umsetzen können. In den kommenden zwei Jahren errichten wir ein Technikum, das das gesamte Spektrum an metallurgischen Verfahren zur Verarbeitung von metallischen Rohstoffen abdecken wird und in dem die technischen Prozesse digital miteinander vernetzt sein werden. 

Bei der Produktion von Seltenen Erden fallen große Mengen an Rückständen an, die giftige Abfälle enthalten und die meist in sogenannten Bergeteichen abgelagert sind. Auch besteht die Gefahr an Austritt von Radioaktivität beim Abbau der Rohstoffe. Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Entwicklung und Umsetzung ökologischer Konzepte, um rechtzeitig eine Gefahrenabwehr für die Bevölkerung und Umwelt zu betreiben?

Hier muss man differenzieren: Der Großteil der in China gewonnenen Seltenen Erden ist ein Beiprodukt des Abbaus von Eisenerz, der zunächst keine Rückstände hinterlässt. Diese fallen erst bei der späteren Verarbeitung des Wertminerals Monazit an, aus dem die Seltenen Erden gewonnen werden. Unter Einsatz von Chemikalien wird das Mineral zunächst aufgelöst, dann werden die Wertelemente in vielen Prozessschritten voneinander getrennt. Diese Prozesskette ist aber nicht spezifisch für die Seltenen Erden, sondern betrifft die Verarbeitung vieler Rohstoffe. Mit geeigneten Technologien kann die Aufhaldung der Rückstände minimiert werden. Aber mit der Behauptung, dass Schadstoffe abgelagert werden, sollte man vorsichtig sein, schließlich ist in China sehr viel Know-how und Erfahrung bei der Gewinnung von Seltenen Erden vorhanden. 

Kritischer ist die Produktion von schweren Seltenen Erden aus sogenannten Ionenabsorptionstonen durch die Methode der In-Situ-Laugung zu sehen. Die Rohstoffe werden nicht bergmännisch, sondern durch Laugung aus oberflächennah vorhandenen Tonen gewonnen. Dabei wird eine geeignete Laugungslösung in den Boden gepumpt. Diese nimmt die Seltenerd-Elemente auf. Die metallführende Lösung wird wieder aufgefangen und der Metallinhalt gefällt. Diese Art der Gewinnung und die damit einhergehenden Schäden für Mensch und Umwelt versucht die chinesische Regierung durch die Konsolidierung der Industrie einzudämmen. Gerade in diesem Bereich gibt es sicher die Möglichkeit gemeinsamer Technologieentwicklungen im Rahmen internationaler Kooperationen. In einer vergleichbaren Lagerstätte für schwere Seltene Erden in Madagaskar hat sich das Helmholtz-Institut Freiberg beispielsweise mit dem Einsatz biotechnologischer Methoden (Biolaugung) beschäftigt.

Inwieweit existiert in Deutschland ein Sammel-, Vorbehandlungs- und Recyclingsystem für Seltene Erden?

Es gibt bisher kein auf die Seltenen Erden ausgerichtetes Recyclingsystem. Aufgrund der zumeist sehr feinen Verteilung und vergleichsweise geringen Konzentrationen von Seltenen Erden ist das Recycling derzeit auch betriebswirtschaftlich nur in Ausnahmefällen sinnvoll.

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