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09-05-2016 | Umwelt | Interview | Article

"Der Schutz des Tieres ist nicht weniger wichtig"

Author: Günter Knackfuß

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Interviewee:
Prof. Dr. Monika Schäfer-Korting

Die Pharmakologin und Toxikologin ist Erste Vizepräsidentin der Freien Universität Berlin und forscht dort am Institut für Pharmazie.

Um Tieren das Leid von Medikamententests zu ersparen, arbeiten Wissenschaftler mit Hochdruck an alternativen Methoden. Zum Stand der Forschung sprachen wir mit Frau Professor Monika Schäfer-Korting.

Springer Professional: Immer noch werden viele Medikamente zunächst an Tieren getestet. Warum ist das so?

Monika Schäfer-Korting: Bei der Entwicklung von neuen Arzneistoffen, auch zum Schutz des Menschen bei der ersten Erprobung eines neuen Arzneimittels, greift man auf bewährte Verfahren zurück und das sind aufgrund jahrzehntelanger Erfahrungen Tierversuche. Einem Tierversuch geht aber heute meistens ein erstes Screening voraus – ohne den Einsatz lebender Tiere. Dabei wird untersucht, ob eine neue Substanz überhaupt die erhoffte Wirkung zeigt. Dazu macht man beispielsweise Versuche mit isolierten Proteinen oder an einzelnen Zellen. Das heißt bei der Suche nach prinzipiell interessanten Strukturen wird meist auf Tierversuche verzichtet.

Der Mensch ist ja kein Tier. Ist denn das Tier überhaupt das richtige Modell?

Das kann man leider so pauschal nicht beantworten. Bei grundlegenden Stoffwechselfunktionen, wie zum Beispiel dem Stoffwechsel von Zuckern, Eiweißen, der Signalübertragung zwischen Nervenzellen, sind Mensch und Tier sich sehr ähnlich. Es gibt aber einzelne wichtige Unterschiede, beispielsweise bei der Weiterleitung eines Signals in der Zelle. Da diese Unterschiede aber vielfach noch nicht bekannt sind, können Tierversuche auch ein für den Menschen nicht zu treffendes Ergebnis liefern. Der Schutz des Menschen ist ein hohes ethisches Gut, der Schutz des Tieres ist aber nicht weniger wichtig. Deshalb ist jede Möglichkeit der Vermeidung von Leid bei Tieren zu ergreifen.

Wie können Alternativmethoden zu Tierversuchen aussehen?

Alternativen zu Tierversuchen zu entwickeln, ist für die Forschung keine leichte Aufgabe. Der menschliche Organismus ist ein komplexes System. Deshalb reichen uns einfache Zellkulturen in einer Petrischale meistens nicht aus, um wirklich zu erforschen, wie ein Medikament beim Menschen wirken würde. Damit wir einen Test machen können, der die Wirkung eines Medikaments im menschlichen Körper simuliert, brauchen wir ausgereifte Zellen, das heißt Zellen, die dem menschlichen Gewebe möglichst ähnlich sind. Dafür brauchen wir Spenderzellen, die im Labor über begrenzte Zeiträume vermehrt werden können. Gleichzeitig aber soll ein Testmodell so einfach wie möglich sein. Diesen Konflikt müssen wir in unserer täglichen Arbeit im Labor ausbalancieren.

Welche Vorteile haben die Alternativmethoden?

Alternative Testmethoden haben enorme Vorteile. Sie erlauben es, viele ungeeignete Substanzen frühzeitig zu erkennen und von weiteren Versuchen auszuschließen. Mit Alternativmethoden kann verhindert werden, dass unzureichend wirksame Arzneistoffe in die Therapie eingeführt werden. Außerdem vermindern sie das Risiko unerwünschter Wirkungen auf den Menschen, die bei Versuchen an Tieren übersehen werden. Aber die Entwicklung solcher Alternativen ist mit einem hohen experimentellen Aufwand und hohen Kosten verbunden.

Gibt es bereits erste Erfolge in der Forschung?

Besonders weit fortgeschritten ist die Etablierung von Krankheitsmodellen auf der Basis rekonstruierter Organe bei den Hautkrankheiten. Modelle für das Atopische Ekzem, die Schuppenflechte oder Ichthyose werden bereits in der Grundlagenforschung und Arzneimittelentwicklung eingesetzt. Auch andere Organe werden an vielen Orten der Welt rekonstruiert, bislang aber erst selten für die Arzneimittelentwicklung eingesetzt. Sehr neuartig ist auch die sogenannte Human-on-a-Chip Technologie. Mit ihr werden mehrere Gewebe oder Miniaturorgane in einem gemeinsamen System kultiviert. So können Effekte nicht nur an einem Organ, sondern an mehreren wichtigen Organen gleichzeitig erfasst werden. Bislang zielt diese Forschung auf die Erfassung der Toxizität, also schädigender Wirkungen von Chemikalien beispielsweise. Langfristig sollen aber die Techniken der Krankheitsmodelle mit dieser Technologie zusammengeführt werden. 

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