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18-03-2013 | Umwelt | Interview | Article

Verantwortlich wirtschaften – nachhaltig entwickeln

Author: Günter Knackfuß

10:30 min reading time

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Im Interview erläutert Diplom-Volkswirt Stefan Opitz, Abteilungsleiter "Wasser, Energie, Transport" der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH die Methodik und Umsetzung des „Capacity Developments“.

Springer für Professionals: Warum hat die Methodik "Capacity Development" (CD) heute einen so hohen Stellenwert?

Stefan Opitz: Die Stärkung institutioneller und rechtlicher Rahmenbedingungen auf Gesellschaftsebene; effiziente Leistungsprozesse auf Organisationsebene sowie der kontinuierliche Ausbau der Kompetenzen und die aktive Teilhabe der Menschen an der Entwicklung sind die Eckpfeiler des "Capacity Development" Konzeptes der GIZ. Der hohe Stellenwert des Konzeptes resultiert aus der Erfahrung und Erkenntnis, dass Milliardeninvestitionen in Wasser-, Transport- und Energieinfrastruktur nur dann zu Wohlstand und Entwicklung führen, wenn sie durch kompetente Personen, effiziente Organisationen und durch einen funktionalen Rechtsrahmen in Wert gesetzt werden. Entwicklungsförderliche Rahmenbedingungen und transparente Aushandlungsprozesse sind die Grundlage und der Garant für die Nachhaltigkeit in der Entwicklungszusammenarbeit. Zur Erreichung dieses Ziels bieten wir unseren Partnern eine breite Vielfalt von Instrumenten an. Langfristig entsandte Politik-, Fach- und Organisationsberater (LZE) und Entwicklungshelfer (EH) sind die Konstante für das Design, die Steuerung und Umsetzung langfristiger Veränderungsprozesse auf Gesellschafts- und Organisationsebene. Kurzzeitexperten (KZE) verstärken unsere fachspezifische Problemlösungskompetenz und in Partnerorganisationen integrierte Fachkräfte (IFK) ermöglichen durch Innovation und know how Transfer den Aufbau neuer Leistungsangebote öffentlicher und privater Organisationen. Eine Vielzahl verschiedener Aus- und Fortbildungs- und Dialogformate (HCD) ermöglichen die Erweiterung persönlicher Fach- und Managementkompetenzen. Die Unterstützung beim Aufbau nationaler Weiterbildungsinstitutionen, internationaler Netzwerke wie "Alumni" und die Förderung globaler Wissenskooperation zwischen Partnerorganisationen runden unser Leistungsprofil für Capacity Development ab.

Ihr Ressort umfasst Wasser, Energie und Transport. Welche Strategie wird auf dem Wassersektor verfolgt?

Im Wassersektor orientieren wir uns fachlich an den Vorgaben der Europäischen Wasser-Rahmenrichtlinie nach dem Konzept des Integrierten Wasser Ressourcen Managements (IWRM) und entwicklungspolitisch am Sektorkonzept des BMZ. Wir wollen in Zusammenarbeit mit unseren Partnern einen leistungsfähigen Wassersektor fördern. Im Kern bedeutet das zunächst eine verantwortliche Nutzung und damit Sicherung der Wasserressourcen für künftige Generationen. Im Einzelnen fördern wir Vorhaben zur nachhaltigen und effizienten Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung durch wirtschaftlich solide Versorgungsbetriebe, die Eindämmung wasserinduzierter Krankheiten durch angepasste Sanitärmaßnahmen, den Schutz von Ökosystemen, die Bewahrung der Biodiversität und Stakeholder Dialoge zur Reduzierung von Nutzerkonflikten, z.B. zwischen Bewässerungslandwirtschaft und Haushalten. Im Zuge der Anpassung an den Klimawandel beraten wir Partnerländer wie Albanien bei der Erstellung von Flussgebiets-Managementplänen, die u.a. Konflikte zwischen den positiven und zerstörerischen Kräften des Wassers mindern sollen: Produktion von erneuerbarer Energie aus Wasserkraft, bei guter Prävention gegen Hochwasserereignisse. Dazu sind zunehmend oft grenzüberschreitende Kooperationen erforderlich, wie man sie in Europa bei Rhein- und Donau-Flußgebietskommissionen entwickelt hat.

Ein Schwerpunkt liegt in der afrikanischen Subsahara. Was passiert dort?

Entsprechend der Orientierung der UN-Milleniumserklärung arbeiten wir gemeinsam mit der KfW-Entwicklungsbank an der Erhöhung der Zugangsraten der Armen zu sauberem Trinkwasser und adäquaten Sanitäreinrichtungen zu sozialverträglichen Preisen. Ein leistungsfähiger Wassersektor ist ein wichtiger Hebel zur Bekämpfung von Armut. Ein klassisches TZ-Wasservorhaben in SSA arbeitet zielgruppennah auf der Mikroebene, etwa mit dem Entwicklungshelfer-Instrument, z.B. zur Förderung der kommunalen Bedarfsplanung für die Trinkwasserversorgung, Entsorgungsplanung und Umsetzung von Sanitärprogrammen, sowie der Verbesserung der Dienstleistungskompetenz lokaler KMU. Auf Meso-Ebene fördern wir nach dem Subsidiaritätsprinzip häufig Gemeindeverwaltungen. Der Zentralstaat überträgt den Gemeinden zunehmend die Verantwortung für Planung, Bau und Betrieb von Basis-Infrastruktur. Andererseits leisten wir Organisationsentwicklung bei den Betreiberstrukturen, etwa den Betreibern, die das Wasser zum Verbraucher bringen und das technisch korrekt und vor allem wirtschaftlich nachhaltig tun sollen. Auf der Makroebene geht es vor allem um sektorale Reformprozesse, die darauf abzielen, dass sich die Akteure entsprechend der neuen Herausforderungen strukturieren und organisieren. Hier geht es zum Beispiel um die Novellierung des Wasserrechts, die Formulierung von Strategien für Subsektoren wie Trinkwasserversorgung, Abwasser- und Abfallwirtschaft, nationale Programmansätze und Themen wie Regulierung und gute Regierungsführung. In Kenia arbeiten wir im Auftrag des BMZ z.B. auch mit großen Stiftungen wie z.B. der Gates Foundation zusammen, um Hygienemaßnahmen und den Zugang zu Entsorgungseinrichtungen in größerem Stil umzusetzen.

Kann man bereits über konkrete Projekte in dieser Region berichten?

Drei konkrete Beispiele:
In Kenia arbeiten wir - wie schon gesagt - im Auftrag des BMZ mit der Gates Foundation zusammen, um Hygienemaßnahmen und den Zugang zu Entsorgungseinrichtungen in größerem Stil umzusetzen, etwa in Matare Valley und im Slumgebiet Kibera in Nairobi. Auch die EU unterstützt mit der KfW den kenianischen Water Services Trust Fund, dessen finanzielle Abwicklung jährlich von einem externen Auditor nachgehalten wird. Hier wurden bisher 500.000 Leute zusätzlich erreicht.
Im Südsudan muss die neue Regierung nach 30 Jahren Bürgerkrieg praktisch von vorn anfangen. Hier hat die berufliche Aus- und Fortbildung des Betreiberpersonals eine fundamentale Bedeutung, damit die neu entstehende Infrastruktur auch nachhaltig betrieben werden kann. Capacity Development auf breiter Front.
In Benin liegt die Zugangsrate in der städtischen Trinkwasserversorgung nun bei über 60 %, und im ländlichen Raum konnte die Unterstützung der Entwicklungspartner von etwas über 30 % in 2000 auf nunmehr über 60 % gesteigert werden. Leider haben wir bei der Abwasserentsorgung noch enormen Nachholbedarf, und das Hygieneverhalten der Bevölkerung der dörflichen und kleinstädtischen Siedlungen ist noch nicht essenziell verbessert. Hier müssen wir vor allem die Beratungskompetenz der lokalen Dienstleister steigern, aber vor allem auch breitenwirksame Finanzierungskonzepte fördern, damit die Haushalte Zugang zur Infrastruktur bekommen.

Welche anderen Schwerpunktländer werden unterstützt?

In SSA arbeiten wir im Wassersektor u.a. in Burkina Faso, Benin, in der DR Kongo, in Burundi, Kenia, Uganda, im Südsudan und in Zambia. Wir fördern aber auch das grenzüberschreitende Wassermanagement durch den Aufbau der Flusseinzugsgebietskommissionen für die großen Ströme: Nil, Limpopo, Okavango, Kongo, Niger, Sambesi und den Tschadsee. Dabei geht es der Bundesregierung auch um die Förderung der entstehenden Staatengemeinschaften, wie etwa die South African Development Community (SADC). Eine weitere Schwerpunktregion ist der Norden Afrikas (Marokko, Ägypten, Algerien, Tunesien) und die arabische Halbinsel (Jordanien, Jemen), also alles Gebiete mit "Wasserstress".

Sie beraten Ihre Partner auch beim klimasensiblen Wassermanagement. Wie muss man das verstehen?

Der weltweite Klimawandel erhöht den Anstieg des Meeresspiegels, verändert Niederschlagmuster und führt letztlich zu vermehrten Wassermangel- oder Hochwasserereignissen. Menschenleben, Wohnraum, Trinkwasserversorgung, Ernte und Produktion werden zunehmend bedroht. Aus Sicht der GIZ Gründe genug, den Wassersektor an den Klimawandel anzupassen. Hoher Energieverbrauch im Wasser- und Abwassermanagement trägt aber auch direkt zur Erhöhung der Treibhausgasemissionen bei. Daraus leiten wir mit Blick auf die Ziele der Entwicklungszusammenarbeit eine Reihe von Anpassungs- und Minderungsstrategien ab und kombinieren die Maßnahmen bedarfsgerecht nach einem Baukastensystem für unsere Vorhaben und Partner. Mit Blick auf die Anpassung an den Klimawandel setzen wir den Sektor in die Lage, zu nationalen Klimastrategien beizutragen und Wasserrahmenpläne zu entwickeln, die Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel berücksichtigen. Klimasensible Gesetze, Richtlinien und Anreizstrukturen zum Schutz oder der Wiederherstellung wasserbereitstellender, reinigender und regulierender Ökosystemdienstleistungen helfen Wasserressourcen langfristig zu erhalten und Hochwasserspitzen abzufedern. Mit der Entwicklung regionaler Klimaszenarien, Diversifizierungsstrategien, Informations- und Monitoringsystemen, der Durchführung von Vulnerabilitätsanalysen, und dem Design klimasensibler Infrastruktur, die hydrologische Schwankungen verträgt und Mehrzwecknutzung für Wasserspeicherung, Hochwasserrückhalt, Wasserkrafterzeugung, Aquakultur oder Tourismus erlaubt, verfügen wir über weitere Angebote zur Anpassung an den Klimawandel im Wassersektor. Durch Sensibilisierungskampagnen für die Lokalbevölkerung und die Verarbeitung lokalen Wissens in Anpassungsstrategien erhöhen wir die zivilgesellschaftliche Verantwortung für ein klimasensibles Wassermanagement. Unseren Beitrag zur Minderung von Treibhausgasemissionen erreichen wir insbesondere durch die Beratung zu Energieeffizienz, Energieerzeugung und Nährstoffrecycling aus Abwasser. Das heißt vergleichsweise einfache Maßnahmen mit signifikanter Wirkung. Positive Nebeneffekte sind häufig auch Kostensenkung und die Mobilisierung neuer Finanzierungsquellen für die Trinkwasser- und Sanitärversorgung.

Künftig soll stärker mit der Wirtschaft zusammengearbeitet werden. Dazu wurden vier spezielle Bausteine entwickelt.

Die Bundesrepublik ist im Wassersektor traditionell für ihre fortschrittlichen gesetzlichen Regelungen und die fachliche Kompetenz ihre Wasserwirtschaftsverwaltungen, aber auch für die exzellenten Regelwerke ihrer Fachverbände wie etwa DWA und DVGM bekannt, sowie für qualitativ hochwertige technische Lösungen und Produkte des Anlagenbaus. Denken Sie an die neuen Themen wie die erneuerbare Energien und Energieeffizienz. Leider ist der deutsche Wassersektor aber traditionell eher kleinteilig organisiert. Im Marktzugang sind uns daher die großen französischen Umweltunternehmen wie etwa Veolia oder auch englische Consultingfirmen oft überlegen. Andererseits sind wir als GIZ in 130 Ländern präsent und gut vernetzt. Die vom BMZ initiierten Entwicklungspartnerschaften mit der Wirtschaft verbinden die gemeinsamen Interessen und nutzen die jeweiligen Stärken der Partner. Die Unternehmen greifen auf die langjährige Erfahrung der Entwicklungszusammenarbeit zurück, um ihre Standortinvestitionen abzusichern, an entstehenden Märkten zu partizipieren und langfristig tragfähige Strukturen aufzubauen.

Wir nutzen vier Bausteine, um diese Zusammenarbeit mit der Wirtschaft zu fördern:
- den vierteljährlichen Ideenwettbewerb im Rahmen von develop.ppp für interessierte Unternehmen;
- die strategischen Allianzen, die mit deutschen/europäischen Unternehmen oder Wirtschaftsverbänden geschlossen werden;
- Integrierte Entwicklungspartnerschaften, die als Kooperationen mit der GIZ in bilateralen Entwicklungsprogrammen  vom privaten Partner und einem TZ-Projekt im Partnerland implementiert werden;
- und last not least die Afrika-Fazilität als Kooperationsinstrument zur Förderung von Entwicklungspartnerschaften mit in Afrika ansässigen Unternehmen.

Beim Wasser geht es auch um strategische Allianzen, wie z.B. in Jordanien…

Strategische Allianzen sind meist überregional angelegt, erfassen oftmals ganze Sektoren und bringen unterschiedliche Akteure aus Industrie und Handel, Nichtregierungsorganisationen sowie andere nationale und internationale Organisationen zusammen. Dadurch geht ihre Wirkung über die einer Einzelmaßnahme hinaus.
Ein Beispiel für eine Entwicklungspartnerschaft mit einem Unternehmen, das im weiteren Sinne in der Wasserwirtschaft aktiv ist, ist die strategische Allianz mit dem deutschen Unternehmen VAG: hier werden ein Leitfaden zur Reduktion von Wasserverlusten erarbeitet und die Wasserversorgungsunternehmen in ausgewählten Partnerländern entsprechend beraten. VAG stellt Armaturen (Ventile u.a.) her, mithilfe derer der Druck in den Leitungen des Wasserversorgungsnetzes so gemanaged werden kann, dass Druckspitzen vermieden werden und dadurch sowohl die Wasserverluste aus Lecks als auch die Vergrößerung existierender Lecks und Bildung neuer Leckagen reduziert werden können. VAG verspricht sich von diesem Projekt Marktzugang für den Vertrieb seiner Produkte. Wasserverlustreduktion ist ein wichtiges entwicklungspolitisches Thema im Rahmen von Effizienzsteigerungen der Utilities und für nachhaltiges Wasserressourcenmanagement.

Zu neuen Themen der Zusammenarbeit gehören Dreieckskooperationen. Gibt es dafür aktuelle Beispiele?

Mit der Vielzahl neuer Akteure in der Entwicklungszusammenarbeit haben Süd-Süd- und Dreieckskooperationen in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Die GIZ orientiert sich an der OECD Definition von Dreieckskooperation als die Zusammenarbeit eines traditionellen Gebers, eines neuen Gebers und eines begünstigten Landes mit spezifischen Beiträgen aller drei Partner (Komplementarität). Sie bildet eine Brücke zwischen Süd-Süd und Nord-Süd-Kooperation und ist eine tragende Säule für die weitere Zusammenarbeit in und mit Schwellenländern.
Dreieckskooperationen sind Teil der strategischen Partnerschaft zwischen Brasilien und Deutschland zur Bewältigung globaler Herausforderungen wie Kampf gegen den Klimawandel, Biodiversitäts- und Ressourcenschutz und Erreichung der Millennium Development Goals (MDG). Die beiden Länder setzen in Dreieckskooperationen ihre sich ergänzenden Stärken zum Nutzen von Drittländern ein. Zurzeit werden Projekte der Dreieckskooperation in Peru und Mosambik durchgeführt. In Peru beispielsweise entsteht ein Zentrum für Umwelttechnologien, das unter anderem eine marktnahe Aus- und Weiterbildung von Fachkräften anbieten wird. In Mosambik kooperiert die GTZ mit ihrem langjährigen Partner INMETRO, dem brasilianischen Institut für Metrologie, Normierung und Industriequalität, um gemeinsam das mosambikanische Institut für Norm- und Messwesen institutionell zu stärken. Darüber hinaus sind weitere Projekte in den beiden Ländern sowie in Paraguay in Vorbereitung.

Die GIZ ist weltweit präsent. Welches Potenzial gehört dazu?

Die GIZ kombiniert exzellentes eigenes Personal mit Experten aus dem internationalen Netzwerk und lokalen Fachleuten aus dem Einsatzland. Sie verfügt über Erfahrung und Wissen aus mehr als drei Jahrzehnten, und steht für erstklassige Qualität zu fairem Preis. Als deutsches Bundesunternehmen garantiert sie ein höchstes Maß an Seriosität, Transparenz und Integrität. Wir sind fast immer langfristig engagiert, genießen das Vertrauen unserer Partner und agieren als "Honest Broker" im Auftrag und Interesse der Bundesregierung und unserer Partner.

Wir bedanken uns für das Interview.

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