Skip to main content
Top

14-01-2022 | Unternehmensgründung | Kolumne | Article

Warum Europa eine Start-up-Steppe für Einhörner ist

Author: Grigori Kalinski

4:30 min reading time

Activate our intelligent search to find suitable subject content or patents.

search-config
print
PRINT
insite
SEARCH
loading …

Gründer Grigori Kalinski kennt die Schwierigkeiten, die Start-ups in Europa haben. Anderenorts ist es wesentlich einfacher, ein neues Unternehmen zu gründen. Was die Hauptprobleme für Entrepreneure in Europa sind.

Kleinere Start-ups finden eigentlich recht gute Expansionsbedingungen vor, was ein Indikator dafür sein könnte, dass auch ein richtig großes Wachstum möglich sein müsste. Doch Einhörner sind auf dem alten Kontinent immer noch sehr selten zu finden, auch wenn die Zahlen langsam steigen.

Editor's recommendation

2020 | Book

Fail – Wie man als Start-up versagt

Eine Anleitung in 10 Schritten

Sieben von zehn Start-ups scheitern. Die Gründe sind bekannt. Aber warum wird das Scheitern nicht mit der notwendigen Gründlichkeit durchgeführt? Dieses Buch verfolgt einen neuen Ansatz zum Thema Unternehmensgründungen. 

Einhörner sind Start-ups, die noch schneller und intensiver gewachsen sind, als es bei Neugründungen ohnehin der Fall ist. Sie werden mit mehr als einer Milliarde US-Dollar bewertet. Mitte Mai 2021 gab es 52 davon in Europa. Deacorns, also zweistellig im Milliardenbereich bewertete Unternehmen, gab es zu diesem Zeitpunkt 18 Stück. Die Anzahl ist zwar deutlich gestiegen, doch das Wachstum bleibt deutlich hinter dem anderer Länder zurück.

Unicorns kommen meist aus den Bereichen Tech, Fintech oder Health. Der Spitzenreiter in Europa ist das niederländische Adtech-Unternehmen Adyen, das mit rund 60 Milliarden Dollar bewertet wird. Doch wachsende Unternehmen haben es in Europa schwerer als in anderen Ländern. Das Problem ist der Binnenmarkt in der EU.

Bürokratie und andere Hürden machen es Gründern schwer

Will ein Unternehmen in den USA in eine andere Stadt oder einen anderen Bundesstaat expandieren, muss es dafür in der Regel nicht am neuen Standort gleich eine Niederlassung eröffnen. In Europa ist dies sehr wohl der Fall, und genau dieser Zusatzaufwand macht es expansionswilligen Gründern schwer. Das ist aber nur eines von vielen Beispielen, wie der Blick auf das Thema Digitalisierung zeigt.

Während in den USA Facebook, Google und Amazon als wahre Giganten entstanden und China mit Alibaba, Huawei und Xiaomi nachzog, ist die Luft in der EU immer noch etwas dünn. Ähnliche Erfolge sind nicht nachzuweisen. Die Digitalisierung ist der Ausweg aus der aktuellen und den kommenden Krisen und weist den Weg in eine "goldene Zukunft", die eben nichts mehr mit der alten Industriegesellschaft zu tun hat. 

Doch die Menschen sind skeptisch und haben Angst um ihre Daten. Das hemmt die Digitalisierung und verhindert, dass ein gutes Ökosystem für Innovationen entstehen kann. Das milliardenschwere Corona-Rettungspaket ist ein Schritt in die richtige Richtung und Digitalisierungsbestrebungen werden unterstützt, doch es reicht eben einfach noch nicht aus.

EU-Binnenmarkt verhindert Wachstum bei Start-ups

Der EU-Binnenmarkt ist nicht lebendig genug. Zwar stammen 36 Prozent der durch Venture Capital gepushten Start-ups aus Europa - 45 Prozent aus den USA - doch sie kommen selten über den Status eines kleineren oder mittleren Unternehmens (KMU) hinaus. Europa stellt nur 14 Prozent der weltweiten Milliardenfirmen. Das liegt aber nicht an den Business-Plänen, denn es gibt nicht mehr Pleiten als etwa in den USA. Nur das Wachstum kann nicht so ungehindert stattfinden, es tröpfelt vor sich hin. Oder auch: Es scheitert an der Skalierung.

Die Größe der Märkte ist nicht das Problem. Die EU hat 450 Millionen potenzielle Konsumenten, die USA nur 320 Millionen. Doch uns fehlt ein Binnenmarkt, in den sich Waren, Dienstleistungen und Ideen ungehindert ausbreiten können. Denn jedes Land hat seine eigenen Regeln, auf die man sich jedes Mal von Neuem einstellen muss.

Ein kleines Beispiel: Die Vorschriften der DSGVO und Informationspflichten von Online-Händlern. Sie müssen für jedes Land neue Rechtstexte erstellen lassen, die Rückgabebedingungen anpassen und Verpackungslizenzen kaufen. Das ist einfach lästig und hemmend.

Oder: Die Eröffnung eines Kontos in einem anderen europäischen Land ist nicht ohne Weiteres möglich. Doch genau dieses Konto braucht ein Unternehmer vielleicht, um dort geschäftlich tätig zu sein. Grund sind umständliche Gesetze gegen Geldwäsche.

Nicht nur Brüssel muss Bedingungen für Gründer verbessern

Die Verantwortung liegt nicht in Brüssel allein, wo die Regeln und Vorschriften harmonisiert werden könnten. Auch die einzelnen Länder müssten bereit sein, sich von ihren gewachsenen Gesetzen und Gepflogenheiten zu verabschieden und aufeinander zuzugehen. Denn anscheinend ist es gar nicht so einfach, als Europa zusammenzuwachsen und einen funktionierenden und unkomplizierten Binnenmarkt zu erreichen. Doch ohne diesen Markt können Unternehmen nicht in dem Maß wachsen, wie es nötig wäre, um mit anderen mitzuhalten.

Und auch das Thema Finanzen und Investitionen sind ein kleines Problem. Denn heimische Investoren scheuen oft das Risiko. Sie sind weniger spendabel und denken weniger innovativ als Investoren aus dem Ausland. Und so kommt es, dass sich immer mehr chinesische Geldgeber in vielversprechende Start-ups einkaufen und diesen mit großzügigen Finanzspritzen ihr Wachstum erst ermöglichen. 

Doch man sollte nicht vergessen, dass diese Investoren dann auch von einem Exit in besonderer Weise profitieren. Gleichzeitig bedeutet Venture Capital auch, dass der Geldgeber die Regeln im Unternehmen mitbestimmt und ein Mitspracherecht und eine beratende Funktion hat. Und sollten wir diesen Part nicht lieber selbst übernehmen?

print
PRINT

Related topics

Background information for this content