Irrationalität ist im Management ein Tabu und im Zweifel eher weiblich. Dabei wird strategisches Denken nicht nur von der Ratio, sondern auch von Intuition, Kreativität und Empathie bestimmt, erklärt Konrad Wetzker.
Das Wörtchen Strategie spielt im Management eine große Rolle. Doch was ist eine Strategie? Ich habe den Eindruck, dass nicht alle unter dem Begriff das dasselbe verstehen.
Da haben Sie recht. Strategien gibt es überall: Fertigungsstrategie, Halshaltstrategie, Einkaufsstrategie, Urlaubsstrategie, Personalstrategie und sogar Umsetzungsstrategien gibt. Auch in der Managementtheorie und –praxis wird der Terminus vollkommen inflationär verwendet. Wir haben eine sehr einfache Auffassung dazu: eine Strategie ist der beste Weg zum Ziel. Nur wer das Ziel kennt, kann entscheiden. Die oberste Zielebene der Unternehmen umfasst drei Faktoren: profitabel zu sein, relativ zu wachsen und sich zu differenzieren. Unterhalb dieser Ebene kann es noch tausende andere Ziele vom leichtesten Turnschuh bis zum kältebeständigsten Stahlrohr geben. Ein Ziel zu erreichen, erfordert eine zweckmäßige Handlung. Diese zweckmäßige Handlung ist die Umsetzung der Strategie.
Strategisches Denken wird durch die Faktoren Ratio, Intuition, Kreativität und Empathie bestimmt, schreiben Sie in Ihrem Buch "Der enttarnte Stratege“. Mehr irrationale Faktoren als rationale ... Und doch hat die Vernunft im Management einen besonders hohen Stellenwert ...
Das die Vernunft einen so hohen Stellenwert hat, basiert auf zwei Faktoren. Zum einen redet ein Unternehmenslenker selten über seine Intuition oder seine Wünsche. Wer präsentiert schon gern, dass ihm sein Bauch mehr sagt als sein Kopf. Das kann vielleicht ein Patriarch, aber kaum ein Manager.
Zum anderen lässt sich viel einfacher über Analysen, rationelle Ableitungen und Zahlen philosophieren als über Intuitionen, Kreativität und Lebensauffassungen.
Dazu kommt noch die Lehre an den Universitäten. Das Rationale ist dort überdominant. Zum Teil aus Überzeugung, zum anderen da es einfach ist, es zu lehren. In den beiden geläufigsten Büchern zum strategischen Management von Porter und Grant kommen in den langen Wortregistern die weichen Begriffe Intuition, Kreativität und Empathie überhaupt nicht vor.
In welchem Verhältnis stehen irrationale und rationale Faktoren bei der Strategiefindung?
Es wäre unverantwortlich auf das Kennen und Durchdringen der rationalen Faktoren zu verzichten. Beethoven musste die Noten kennen, Auguste Rodin den Bronzeguss verstehen, fast ein Ingenieur sein, um den berühmten Denker schaffen zu können. Immanuel Kant stellte fest, dass der Kaiser nicht über den Grammatikern steht.
Rodin meinte prosaisch: "Zuerst habe ich eine intensive Empfindung, die sich immer mehr verdichtet und mich innerlich zwingt, ihr plastische Form zu geben. Dann beginne ich zu planen und zu konstruieren.” Darum geht es.
Das Rationale stellt sozusagen die Hausaufgabe da, zeigt sich quantitativ als der große Hund. Nur wedelt im allgemeinen der rein äußerlich kleine Schwanz von Intuition, Kreativität und Empathie mit diesem großen Hund. Kein Entscheider hält sich sklavenhaft an das Rationale. Jedenfalls haben wir als Berater kein Projekt erlebt, wo das so war.
Und wie muss ein guter Manager demnach beschaffen sein? Ist er eher ein kreativer Visionär oder ein kühler Planer?
Den idealen Manager gibt es nicht. Es gibt Manager, die einer gegebenen Situation weitgehend gerecht werden. Wir haben zusammen in etwa 70 Jahren tausende von Managern aus den unterschiedlichsten Branchen erlebt. Man kann Strategen vor allem durch die kognitiven Eigenschaften – Ratio, Intuition, Kreativität – und durch ihr breit gefasstes emphatisches Verhalten – Maximalist, Karrierist, Ich-Bezogener, Ausgewogener, Realist, Kooperativer, Fundamentalist, Opportunist usw. – unterscheiden.
Unsere Erfahrung ist, dass im allgemeinen ein ausgewogener Manager, der alle vier hier genannten kognitiven Elemente in Führung und Entscheidung einbringt, die besten Erfolgsvoraussetzungen hat. Das schließt nicht aus, dass zum Beispiel in einem kleineren Designunternehmen der kreative Chaot sich als ideal erweist und bei einem Einzelhandelsunternehmen der rationale Opportunist, der flexibel und zweckmäßig handelt.