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2013 | OriginalPaper | Chapter

17. Unterspülte Fundamente

Author : Peter Gräser

Published in: Führen lernen

Publisher: Gabler Verlag

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Zusammenfassung

Wesentliche Fundamente unserer abendländischen Kultur ruhen auf dem Boden des antiken Griechenlands. In jener Zeit begann die Entwicklung einer Vorstellung, die in den folgenden Jahrhunderten immer mehr verfeinert und verbreitet wurde; sie ist die Grundlage dafür, dass wir heute nicht mehr wie noch wenige Generationen vor uns, in zugigen, dunklen Katen hausen und uns vonGerstenbrei ernähren,wehrlos ausgesetzt denMächten der Natur und dem vermeintlichenWillen der Götter.

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Footnotes
1
Vgl. Weis (2012, Kap. 3.2); eine Einführung in die Problematik gibt Beinhocker (2007, S. 270 ff). Grundlegend: Foster 1986 (dt. Ausgabe: Foster 2006); Christensen 1997 (dt. Ausgabe: Christensen et al. 2010).
 
2
Als „Demiurgen“, wtl. etwa „für das Volk Schaffende“, wurden im antiken Griechenland vor allem Handwerker und Gewerbetreibende, aber auch Künstler und Ärzte bezeichnet. Für Platon war der Demiurg eine Metapher. Ihm ging es nicht um einen neuen Schöpfungsmythos, sondern um das Prinzip der Schöpfung als Prozess. Die nachfolgende, durch das monotheistische Christentum geprägte Platon-Rezeption nahm dieses Bild auf und machte daraus eine Art Gott der Naturwissenschaftler und Philosophen, einen „vernünftigen“ oder besser: der menschlichen Vernunft vorstellbaren Gott. In der Aufklärung wird daraus die Vorstellung von Gott als Uhrmacher, der seine bzw. unsere Welt als gigantisches Uhrwerk geschaffen hat.
 
3
Platon entwickelt die altgriechische Naturphilosophie entscheidend weiter: „Early Greek philosophy started from looking for the unifying principle in the infinite variety of phenomena in the world, a principle which should be the basis for understanding the variety. This principle was first seen as something material […]; but the decisive step towards science in our sense of the word was taken by Pythagoras and his school when they took the mathematical form, the natural law, as the unifying principle. […] This line of thought has later been taken up by Platon, and has been essential in shaping his philosophy of ideas. The infinite variety of the phenomena can be understood, according to Pythagoras and Platon, because and insofar as it is underlain by unitary principles of form susceptible of mathematical representation. This postulate anticipates in fact the entire program of the exact sciences in our time.“ Heisenberg (1985, S. 496–497).
 
4
„Fassen wir zweieinhalb Millionen Jahre Wirtschaftsgeschichte zusammen: Sehr, sehr lange passierte kaum etwas; dann aber ging plötzlich alles ganz schnell. In 99 % der Zeit erreichte der Wohlstand gerade einmal das Niveau der Yanomami [einer steinzeitlichen Jäger-und-Sammler-Kultur am Orinoko], in weiteren 0,99 % (bis 1750) das Doppelte davon und in den restlichen 0,01 das unvergleichlich höhere Niveau von heute. Anders ausgedrückt: 97 % des menschlichen Wohlstandes entstanden in 0,01 % unserer Geschichte.“ Beinhocker (2007, S. 36).
 
5
Aphorismus 125: „Der tolle Mensch – Habt ihr nicht von jenem tollen Menschen gehört, der am hellen Vormittage eine Laterne anzündete, auf den Markt lief und unaufhörlich schrie: ‚Ich suche Gott! Ich suche Gott!‘ – Da dort gerade Viele von Denen zusammenstanden, welche nicht an Gott glaubten, so erregte er ein großes Gelächter. […] Der tolle Mensch sprang mitten unter sie und durchbohrte sie mit Blicken. ‚Wohin ist Gott? rief er, ich will es euch sagen! Wir haben ihn getödtet, – ihr und ich! Wir sind alle seine Mörder! […] Was thaten wir, als wir diese Erde von ihrer Sonne losketteten? Wohin bewegt sie sich nun? Wohin bewegen wir uns? Fort von allen Sonnen? Stürzen wir nicht fortwährend? […] Giebt es noch ein Oben und ein Unten? Irren wir nicht wie durch ein unendliches Nichts? […] Das Heiligste und Mächtigste, was die Welt bisher besass, es ist unter unseren Messern verblutet – […] Ist nicht die Größe dieser That zu gross für uns? Müssen wir nicht selber zu Göttern werden, um nur ihrer würdig zu erscheinen? Es gab nie eine größere That, – und wer nur immer nach uns geboren wird, gehört um dieser That willen in eine höhere Geschichte, als alle Geschichte bisher war!‘ – Hier schwieg der tolle Mensch und sah wieder seine Zuhörer an: auch sie schwiegen und blickten befremdet auf ihn. Endlich warf er seine Laterne auf den Boden, dass sie in Stücke sprang und erlosch. ‚Ich komme zu früh, sagte er dann, ich bin noch nicht an der Zeit. Dies ungeheure Ereignis […] ist noch nicht zu den Ohren der Menschen gedrungen. […] Thaten brauchen Zeit, auch nachdem sie gethan sind, um gesehen und gehört zu werden. Diese That ist ihnen immer noch ferner, als die fernsten Gestirne, – und doch haben sie dieselbe gethan!‘“ Nietzsche (1980, S. 480–482).
 
6
Weymann (2008, S. 42).; Zu den kulturellen Wurzeln der Apokalyptik vgl. Nagel et al. (2008) und Münch (1986 I, S. 65–84, bes. S. 73–78).
 
7
Habermas (2006, S. 143).
 
8
Habermas (2006, S. 143).
 
9
Ist der Titel eines 1667, nach dem „Höllensturz“ der englischen Revolution erschienenen epischen Gedichtes von John Milton, und ein Topos im kollektiven (Un-)Bewussten des abendländischen Menschen, der sich immer wieder, zum Beispiel in der europäischen Romantik, in der Lebensreform-Bewegung des Fin-de-Siècle und des frühen 20. Jahrhunderts, in der populistischen Ökologie-Bewegung seit den 1970ern, in Szene setzt. Eines der bemerkenswertesten Werke der Filmkunst, James Camerons „Avatar – Aufbruch nach Pandora“ aus dem Jahre 2009 setzt dies besonders eindrucksvoll in Szene.
 
10
Vgl. Reichholf (2008); Tuchman (2001).
 
11
Auch dies ein Grundmotiv der abendländischen Mythologie: In der Theogonie des Hesiod wird der Titan Kronos zum Herrscher der zweiten Göttergeneration, weil er seinen Vater Uranos auf den Rat seiner Mutter Gaia hin entmannt hat. Zeus, der Sohn des Kronos wird zum Herrscher der olympischen Götter, nachdem er nach zehnjährigem Krieg die Titanen besiegte und sie – darunter seinen Vater – in den Tartaros verbannt. Über die antike Tragödie und die – stark eingeengte – Interpretation Freuds als „Ödipus-Komplex“ hinaus spielt der Vatermord eine zentrale Rolle in unserer mentalen Disposition.
 
12
„Menschheitsdämmerung. Symphonie jüngster Dichtung“ lautet der Titel der 1919 erstmals erschienenen, einflussreichsten und umfassendsten Anthologie expressionistischer Lyrik. Anklänge zur „Götterdämmerung“ waren beabsichtigt, zielten allerdings nicht primär auf Wagners gleichnamige Operntetralogie, sondern auf die altnordische Mythologie, die durch die Edda-Übertragung Karl Simrocks von 1851 wieder allgemein bekannt geworden war. Die Existenz der Götter endet in einem Kampf mit den Riesen, bei dem die ganze Welt untergeht, dem „Ragnarøkkr“ (altnord.), was mit „Ursprung und Bestimmung der Götter“ oder „Götterschicksal“ übersetzt werden kann.
 
13
„La Nausée“, „Der Ekel“, ein Schlüsselwerk des Existentialismus von Jean-Paul Sartre erschien zwar bereits 1938, erlangte aber erst nach dem Krieg wirkliche Popularität. Albert Camus thematisiert in seinem 1942 erschienen Roman „L’Étranger“ den Zustand eines sich innerlich völlig von sich selbst und der Welt Entfremdeten – einen Zustand der vollkommenen Dissoziation. Das „Absurde“ – L’Absurde – war nicht nur ein weiterer existentialistischer Schlüsselbegriff, sondern auch eine Richtung des Theaters und der Literatur (Samuel Beckett, Eugène Ionesco, Fernando Arrabal, Albert Camus).
 
14
Vgl. Fourastié (2004).
 
15
Bekannt auch als „Zeitalter des Wassermanns“; neben der Verfilmung des Musicals „Hair“ (Rado 2006) bietet Herbert Marcuses „Essay on Liberation“ (Marcuse 1971) einen guten Einblick in den bis heute wirksamen Geist der Zeit zwischen 1965 und 1975. In der kritischen Auseinandersetzung mit der deutschen „68er-Bewegung“ bisher unübertroffen ist Götz Aly (Aly 2009).
 
16
„Solange wir die siebziger Jahre als ein Jahrzehnt im Kontinuum der Geschichte seit 1945 betrachten, die zwar Schritt für Schritt Veränderungen aufweist, sich aber in der Spur fortbewegt, in die sie seit dem Zweiten Weltkrieg einschwenkte, werden wir diese Zeit von 1966/70 bis 1970/86 nur als Niedergang auffassen können und sie mit kulturpessimistischen Mustern der Interpretation konfrontieren. Erkennen wir jedoch in jenen Jahren den Anfang eines im Wortsinn revolutionären Umbruchs, werden wir schon die siebziger Jahre mit anderen Augen betrachten und die achtziger und neunziger erst recht. Viele Anzeichen der bisher nur erst lückenhaft erschlossenen Entwicklung sprechen dafür, mit der Hypothese zu arbeiten, dass wir im Übergang von den siebziger zu den achtziger Jahren in einen revolutionären Umbruch hineingeraten sind, der sich bereits 1970 anbahnte.“ (Doering-Manteuffel 2008, S. 327). Zur Vertiefung: Jarausch (2008a), Doering-Manteuffel und Raphael (2008).
 
17
Das prometheische Programm der Moderne, wie es sich uns bereits in vielen wesentlichen Details in seinem Faust II darstellt, hat Goethe in einer uneinholbaren Kombination von Klarheit und dichterischer Schönheit in einer seiner frühen Hymnen ausgedrückt: „Bedecke deinen Himmel, Zeus,/Mit Wolkendunst!/Und übe, [dem] Knaben gleich,/Der Disteln köpft,/An Eichen dich und Bergeshöhn!/Mußt mir meine Erde/Doch lassen stehn,/Und meine Hütte,/Die du nicht gebaut,/Und meinen Herd,/Um dessen Glut/Du mich beneidest.//Ich kenne nichts Ärmer's,/Unter der Sonn’, als euch Götter./Ihr nähret kümmerlich/Von Opfersteuern/Und Gebetshauch/Eure Majestät/Und darbtet, wären/Nicht Kinder und Bettler/Hoffnungsvolle Toren.//Da ich ein Kind war,/Nicht wußt’, wo aus noch ein,/Kehrte ich mein verirrtes Aug,/Zur Sonne, als wenn drüber wär’/Ein Ohr, zu hören meine Klage,/Ein Herz, wie meins,/Sich des Bedrängten zu erbarmen.//Wer half mir wider/Der Titanen Übermut?/Wer rettete vom Tode mich,/Von Sklaverei?/Hast du’s nicht alles selbst vollendet,/Heilig glühend Herz?/Und glühtest, jung und gut/Betrogen, Rettungsdank/Dem Schlafenden da droben?//Ich dich ehren? Wofür?/Hast du die Schmerzen gelindert/Je des Beladenen?/Hast du die Tränen gestillet/Je des Geängsteten?/Hat nicht mich zum Manne geschmiedet/Die allmächtige Zeit/Und das ewige Schicksal,/Meine Herrn und deine?//Wähntest du etwa,/Ich sollte das Leben hassen,/In Wüsten fliehn,/Weil nicht alle Knabenmorgen-/Blütenträume reiften?//Hier sitz’ ich, forme Menschen/Nach meinem Bilde,/Ein Geschlecht, das mir gleich sei,/Zu leiden, zu weinen,/Genießen und zu freuen sich,/Und dein nicht zu achten,/Wie ich.“ – Johann Wolfgang von Goethe: Prometheus, Fssg. 1777.
 
18
Zu den mentalen Haltungen und psychischen Prädispositionen der Generationen nach dem Krieg vgl. Bode (2006, 2009), sowie Grünewald (2007a). Ergänzend dazu: Conze (2009).
 
19
Eisenhardt et al. (1988, S. 11 f).
 
20
Eisenhardt et al. (1988, S. 12).
 
21
Vgl. v. a. Beinhocker (2007), Heuser (2008), Dueck (2010).
 
Metadata
Title
Unterspülte Fundamente
Author
Peter Gräser
Copyright Year
2013
Publisher
Gabler Verlag
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-8349-7135-7_17