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18-09-2019 | Verfahrenstechnik | Schwerpunkt | Article

Treibhausgas wird zum nützlichen Rohstoff

Author: Dieter Beste

3:30 min reading time

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Ausgerechnet mit dem geschmähten CO2 lässt sich dank der Arbeit von Walter Leitner, Christoph Gürtler und Berit Stange jetzt ein Teil des Erdöls ersetzen, aus dem Komponenten unter anderem für Schaum- und Klebstoffe gewonnen werden.

Wie das Glas eines Treibhauses verhindert Kohlendioxid in der Atmosphäre, dass Wärme von der Erde ins Weltall entweichen kann – und fördert so den Klimawandel. Dabei enthält CO2 Kohlenstoff, einen essenziellen Baustein der meisten Kunst- und Treibstoffe und überhaupt von Produkten der chemischen Industrie. Das Gas ist also viel zu kostbar, um es in die Atmosphäre entweichen zu lassen, sagten sich denn auch die drei Wissenschaftler Walter Leitner, Direktor am Max-Planck-Institut für chemische Energiekonversion und Professor der RWTH Aachen, Christoph Gürtler, Leiter des Bereichs Neue Verfahren und Produkte bei Covestro, einem der weltweit größten Polymerwerkstoffhersteller, und Berit Stange, die bei Covestro die Kreislaufwirtschaft Polyurethane leitet. Gemeinsam erschlossen die drei CO2 als Rohstoff für die chemische Industrie. Zusammen mit zwei weiteren Teams wurden sie jetzt für den Deutschen Zukunftspreis nominiert, die Entscheidung fällt Ende November.

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Den Forschern gelang es, mit dem Treibhausgas einen Teil des Erdöls für die chemische Produktion zu ersetzen. Sie haben einen Prozess entwickelt, mit dem Covestro in einer Pilotanlage jährlich bis zu 5000 Tonnen Polyol aus CO2 herstellen kann. Diese Substanz wird anschließend zu Polyurethanen weiterverarbeitet. Anwendungen sind Schaumstoffe für Matratzen, Klebstoffe, Weichschäume für Autositze oder Hartschäume etwa in Form von Dämmmaterialien. Allein für Weichschäume werden jährlich knapp vier Millionen Tonnen Polyole benötigt, heißt es in einer Mitteilung der Max-Planck-Gesellschaft.

Tatsächlich mussten die Forscher auf ihrem Weg zum Erfolg einige Hürden nehmen, wie sie berichten. Das fing bei den Eigenschaften von Kohlendioxid an: Das Gas sei chemisch sehr träge – nicht von ungefähr werde es in Feuerlöschern eingesetzt. Und so lässt sich CO2 gewöhnlich nur mit hohem Energieaufwand dazu bringen, sich mit anderen Substanzen zu verbinden. Abhilfe brachte erst der richtige Katalysator, den die Forscher schließlich für den Einbau von CO2 in das Polyol am Catalytic Center (CAT), einer gemeinsamen Einrichtung der RWTH Aachen und Covestro, sowie im Unternehmen Covestro fanden. Und weil die drei die Wirkungsweise ihres neuen Katalysators genau erklären konnten, hatten sie einen Hebel in der Hand, das Produktionsverfahren für die Polyole zu optimieren. Dabei ging es ihnen unter anderem darum, genau steuern zu können, wieviel CO2 in das Polyol eingebaut wird.

Ein Katalysator beschleunigt eine Reaktion, ohne dabei verbraucht zu werden. Er liegt nach der Reaktion unverändert vor und tritt deswegen in der Reaktionsgleichung nicht auf. Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass der Katalysator nur die Reaktionsgeschwindigkeit beeinflusst, i. d. R. indem er die Aktivierungsenergie EA für eine Reaktion herabsetzt. Er beeinflusst nicht die Lage des Gleichgewichts. Die Differenz der Freien Energie ΔG0 von Edukten und Produkten verändert sich nicht." Birgit Weber, "Koordinationschemie", Seite 227. 

Ein Muster, um weitere chemische Prozesse zu defossilisieren

Das CO2-basierte Produktionsverfahren für Polyole eröffnet auch eine Perspektive über die Herstellung dieser Substanzen und die daraus erzeugten Polyurethane hinaus. "Wir haben gezeigt, dass es möglich ist, CO2 als Rohstoff zu nutzen und damit den CO2-Fußabdruck der chemischen Industrie zu reduzieren", sagt Walter Leitner. "Wir wollen nach diesem Muster weitere chemische Prozesse defossilisieren, also unabhängiger von fossilen Rohstoffen machen. Dieses Ziel spornt uns zu weiterer Grundlagenforschung auf dem Gebiet der katalytischen CO2-Umwandlung an." Und auch der Covestro-Vorstandsvorsitzende Markus Steilemann blickt angesichts dieses Erfolges in die Zukunft: "Kohlendioxid sowie Pflanzen und Kunststoffabfall haben als alternative Kohlenstoffquellen das Potenzial, die Produktion in der Kunststoffindustrie zu revolutionieren." Fossile Rohstoffe wie Erdöl könnten nicht länger die Hauptressourcen seiner Branche sein, wenn die Welt in eine nachhaltigere Zukunft aufbreche.

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