Die Diskussion um eine transparente Entlohnung in Unternehmen hat in der Regel mehr Gerechtigkeit zum Ziel. Doch wie eine Studie zeigt, gibt es bei der Offenlegung von Gehältern auch Schattenseiten. Sollte über Geld zu sprechen, besser weiter ein Tabu bleiben?
Ausgehend von [...] Gerechtigkeit haben verschiedene Firmen für die Ermittlung und Anpassung von Löhnen die Partizipation der betroffenen Mitarbeitenden in eigenen Systemen weiterentwickelt, und dies zum Teil in radikaler Form. Sie haben damit durchaus positive Erfahrungen gemacht. Umgesetzt wurden zum Beispiel ein Vetorecht für jeden Mitarbeitenden, eine freie Gehaltswahl, die Angabe eines Wunschgehaltes, ein System mit gewählten Mitarbeitervertretern als Gehaltschecker in der Lohnrunde, ein solidarisches Einheitsgehalt und komplette Lohntransparenz."
Wie die von Veronika Halene im Buchkapitel "Entlohnung gestalten" beschriebenen Beispiele zeigen, setzen Unternehmen New-Pay-Ansätze bereits in der Praxis um. Auch wenn die Erfahrungen mit Lohntransparenz durchaus positiv sind, sei mit Blick auf die Einsatzmöglichkeiten im Unternehmen zu berücksichtigen, dass es sich in der Regel um kleinere Firmen handele, "bei denen Austausch und Abgleich auf einer persönlichen und überschaubaren Basis stattfinden können", schreibt sie auf Seite 523. Dennoch ist es mehrheitlich noch ein Tabu, über das Gehalt zu sprechen.
Studie zu Lohntransparenz
Eine aktuelle Studie, die im "Journal of Organizational Behavior" untern dem Titel "The shift to pay transparency: Undermet pay standing expectations and consequences" veröffentlicht wurde, kommt aber zu dem Ergebnis, dass die Offenlegung von Gehältern die Arbeitszufriedenheit senken kann. Wissenschaftler verschiedener Hochschulen simulierten dafür in einem Online-Experiment Lohntransparenz. Daran nahmen 218 Probanden aus Deutschland teil.
In einem zweiten Teil haben die Wissenschaftler in einem deutschem Unternehmen aus dem Bereich Informations- und Kommunikationstechnologie mit einer Belegschaft von rund 800 Mitarbeitern auf Lohntransparenz umgestellt. In einem dritten Teil wurden 157 Befragte im Vereinigten Königreich mit "einem größeren Gefühl von Unsicherheit hinsichtlich der Einführung einer Gehaltstransparenz konfrontiert."
Transparente Gehälter schüren Unzufriedenheit
Wie die Analyse ergibt, kann es durchaus negative Auswirkungen haben, wenn die Entlohnung des Einzelnen allen bekannt gemacht wird. Die Einsicht, dass das eigene Gehalt geringer ausfällt als das von Kollegen, schürt Unzufriedenheit. "Erklärt werden kann dieser Effekt über spontan auftretenden Neid gegenüber den Kollegen, die mehr verdienen", kommentiert einer der Wissenschaftler, Fabian Christandl von der Hochschule Fresenius, die Ergebnisse.
Verfügen Beschäftigte hingegen per se über eine ausgeprägte Opfersensibilität, tangiert es sie laut Studie weniger, wenn ihre Bezahlung geringfügiger ausfällt als die von anderen Beschäftigten im Betrieb, da sie "ohnehin sehr zynisch" sind und ohnehin immer vom Schlimmsten ausgehen.
Zwar werde eine gerechte Personalvergütung als Faktor für die Mitarbeitermotivation gesehen und Lohntransparenz als ein wichtiges Instrument dafür, doch die Untersuchung zeige, dass die "Offenlegung der Bezahlung nicht automatisch zu einer Wahrnehmung von Lohngerechtigkeit führt". Vielmehr offenbaren sich Bedingungen, bei denen kommunizierte Gehaltsstrukturen für weniger Mitarbeiterzufriedenheit sorgen.
Gehaltsgrid offenzulegen, ist wichtiger
Auch wenn die Forscher in Aussicht stellen, dass weitere Untersuchungen erforderlich sind, sollten sich Unternehmen über die möglichen negativen Konsequenzen von transparenten Gehältern im Klaren sein. Doch aus dem Negativen kann auch durchaus Gutes resultieren. Denn durch Gehaltstransparenz entsteht positiver Druck zur Lohngerechtigkeit, schreibt HR-Expertin Veronika Halene von der Hochschule Luzern.
Zu unterschätzen sei auch nicht, wie schwer es ist, die exakten Lohnhöhen bei vielen Funktionen und komplexen Firmenstrukturen für jeden Mitarbeitenden detailliert nachzuvollziehen. Zudem profitierte unter Umständen die Konkurrenz von solchen Information. Halen schlussfolgert letztendlich, dass nicht zwingend einzelne Gehälter transparent gemacht werden müssen, sondern vielmehr, wie die Löhne festgelegt werden (Seite 524).