Skip to main content
Top

Wie sich Fußgänger im Straßenverkehr besser schützen lassen

Activate our intelligent search to find suitable subject content or patents.

search-config
loading …

Seit Jahren bewegt sich die Anzahl von verunfallten Fußgängern auf hohem Niveau. Die Vorschläge für einen besseren Schutz reichen von Gehwegnasen bis hin zu intelligenten Ampeln. Ein Überblick. 

Unfälle mit Fußgänger verharren seit Jahren auf einem gleichbleibenden Niveau. Fachleute schlagen vor, wie das geändert werden könnte.


Für einen besseren Schutz von Fußgängern spricht sich die Gewerkschaft der Polizei innerorts für Tempo 30 aus. "Jeder ist Fußgänger – und wenn er nur zu seinem Auto geht", sagt der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Michael Mertens. Die Sicherheit von Fußgängerinnen und Fußgängern gehe daher alle an. Vor dem Hintergrund der alternden Gesellschaft fordern Fachleute: Wer zu Fuß geht, soll besser geschützt werden. Die konkreten Pläne dafür gehen auseinander.

Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen: Mit 9 % waren Fußgänger im Jahr 2023 die zweitgrößte Gruppe der Unfallbeteiligten nach Autofahrern. Die Zahl der verunglückten Fußgänger lag dabei mit 33.504 fast wieder auf dem Vor-Corona-Niveau von 34.815 im Jahr 2019. Die Zahl der Getöteten war mit 449 sogar darüber (2019: 429). Unter 15-Jährige sowie Menschen über 75 Jahre waren dabei am häufigsten in Unfälle verwickelt.

Polizeigewerkschaft fordert 30 km/h innerorts

Mertens fordert daher etwa eine Regelgeschwindigkeit von 30 km/h innerorts. Wo Fußwege ausreichend abgesichert seien, könne auch mit 50 Stundenkilometern oder schneller gefahren werden, sagt er. "Das schmerzt mich als Autofahrer auch, aber ich würde es machen." Mit einer Änderung der Straßenverkehrsordnung wurde es Kommunen 2024 bereits erleichtert, 30er-Zonen einzuführen.

Auch höhere Bußgelder würden laut dem Polizisten für mehr Verkehrssicherheit sorgen. "Wir sind europaweit der Discounter bei den Bußgeldern", betont Mertens.

Verkehrsplanerin: Fußgänger bei Planung zuerst bedenken

Vor allem aber müssten Verstöße wie Falschparken oder zu schnelles Fahren konsequenter geahndet werden, sagt Verkehrsplanerin Katalin Saary von der Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung. Vor allem falsch parkende Autos führten häufig zu Unfällen, weil Fußgänger zu spät gesehen werden. Nach einer Studie der Unfallforschung der Versicherer spielen bei jedem fünften Fuß- und Radverkehrsunfall parkende Autos eine Rolle. Helfen könnten dabei mehr sogenannte Gehwegnasen – also vorgezogene Bürgersteige, die die Fahrbahn an Querungen schmaler machen, so Saary.

Generell brauche es ein Umdenken bei der Verkehrsplanung: Es müsse zuerst an Fußgänger gedacht werden. Parkplätze sollten erst dann eine Rolle spielen, wenn noch Platz übrig sei. Fußwege, so Saary, müssten attraktiver werden, damit sie genutzt werden – etwa durch Grün- und Schattenflächen oder Sitzgelegenheiten.

Vom 29. Januar an wollen Fachleute beim Verkehrsgerichtstag in Goslar über das Thema sprechen. Der dreitägige Kongress zählt jedes Jahr zu den wichtigsten Treffen von Verkehrssicherheits- und Verkehrsrechtsexperten in Deutschland und endet mit Empfehlungen an den Gesetzgeber.

Bei Unfällen meist Autofahrer schuld

Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen: Die meisten Unfälle von Fußgängern passieren mit Autos. In rund 77 % der Fälle waren dabei 2023 die Autofahrer schuld. "Oft passieren Unfälle, wenn Fußgänger eine Straße überqueren wollen", sagt der Leiter der Unfallprävention bei der Björn-Steiger-Stiftung, Siegfried Brockmann.

Unfallforscher: "Mehr Zebrastreifen – an den richtigen Stellen"

Ganz praktisch würden etwa mehr Zebrastreifen, Ampeln und Verkehrsinseln helfen, sagt Unfallforscherin Kirstin Zeidler vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft. Wichtig sei dabei, vorher mit Verkehrsbeobachtungen herauszufinden, wo Querungshilfen tatsächlich benötigt werden, ergänzt Unfallforscher Siegfried Brockmann von der Björn-Steiger-Stiftung. Auch müsste es leichter werden, Fußgängerüberwege einzurichten, fordert die Deutsche Polizeigewerkschaft.

Technisch sei zudem vieles bereits möglich oder in naher Zukunft denkbar, sagt Zeidler. Etwa eine Pflicht für aktiv bremsende statt nur warnende Assistenzsysteme in neuen Fahrzeugen oder vernetzte Ampeln und Autos, die sich gegenseitig vor Fußgängern oder anderen Gefahren warnen. Wie Bosch im Kapitel Fahrerassistenz und Sensorik aus dem Kraftfahrtechnischen Taschenbuch schreibt, seien erste notbremsende Fußgängerschutzfunktionen für Pkw bereits auf dem Markt verfügbar. Diese wirkten in bis zu 4 % aller Unfälle mit Fußgängerbeteiligung. Erweiterungen dieser Fußgängerschutzsysteme, die den Unfall beziehungsweise deren Folgen durch ein automatisiertes Ausweichen weiter verringern, seien aktuell Gegenstand der Forschung. Zudem dienen Maßnahmen wie die Gestaltung der Fahrzeuggeometrie, die Lage von Deformationszonen sowie aktive Fronthauben oder Airbags dem Schutz von "Vulnerable Road Usern".

Der Auto Club Europa (ACE) schlägt zudem digitale Kontrollen falsch geparkter Autos mit sogenannten Scan-Fahrzeugen vor. Auch der Deutsche Anwaltverein (DAV) sieht die Möglichkeiten technischer Systeme noch nicht ausgereizt.

Anwalt: Neue Vorschriften nicht notwendig

Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat wünscht sich, ein pauschales Park- und Halteverbot im Abstand von 10 m zu Kreuzungen und Einmündungen. Die derzeitige Regelung sieht 5 m vor. Der ACE fordert zudem, Gehwege besser instand zu halten und mehr Aufklärung. Und: "Grundsätzlich wäre auch eine strikte Trennung von Fußwegen, Radwegen und Fahrbahn sinnvoll."

Auch der Automobilclub von Deutschland ist für eine bessere Infrastruktur für Fußgänger. Neue Vorschriften, so DAV-Verkehrsrechtler Martin Diebold, brauche es hingegen nicht.

print
PRINT

Background information for this content

Nahmobilität und Fußverkehr

Nahmobilität ist ein wesentlicher Bestandteil des Stadtverkehrs. In gut strukturierten Stadträumen werden mehr als die Hälfte aller Wege zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt, Verknüpfungen zwischen unterschiedlichen Verkehrsmitteln finden in …

Unfallforschung

Im vorliegenden Kapitel wird der Frage nachgegangen, in welchem Umfang und auf welche Art und Weise Straßenverkehrsunfälle stattfinden und unter welchen Umständen Verkehrsteilnehmer dabei zu Schaden kommen. Die Unfallforschung umfasst die drei …

Fahrerassistenz und Sensorik

Fahrerassistenzsysteme in modernen Fahrzeugen können grundsätzlich in die Kategorien Komfort- und Sicherheitssysteme unterteilt werden. Komfortsysteme dienen der Entlastung des Fahrers bei der Ausübung von monotonen, sich wiederholenden Fahraufgaben. Typische Beispiele sind die automatische Blinkerrückstellung nach dem Abbiegen oder die Adaptive Fahrgeschwindigkeitsregelung (ACC, Adaptive Cruise Control).

Verkehrssicherheit

Im Jahr 2016 kamen in Deutschland 3206 Menschen bei Straßenverkehrsunfällen ums Leben und mehr als 396.000 Personen wurden auf deutschen Straßen verletzt. Die Zahl der Verletzten schwankt schon seit Jahren zwischen 350.000 und 450.000 Personen pro Jahr – der Handlungsbedarf der Verkehrssicherheitsarbeit ist nach wie vor sehr hoch.

    Image Credits
    Unfälle mit Fußgänger verharren seit Jahren auf einem gleichbleibenden Niveau./© trattieritratti / stock.adobe.com, AVL List GmbH/© AVL List GmbH, dSpace, BorgWarner, Smalley, FEV, Xometry Europe GmbH/© Xometry Europe GmbH, The MathWorks Deutschland GmbH/© The MathWorks Deutschland GmbH, IPG Automotive GmbH/© IPG Automotive GmbH, HORIBA/© HORIBA, Outokumpu/© Outokumpu, Hioko/© Hioko, Head acoustics GmbH/© Head acoustics GmbH, Gentex GmbH/© Gentex GmbH, Ansys, Yokogawa GmbH/© Yokogawa GmbH, Softing Automotive Electronics GmbH/© Softing Automotive Electronics GmbH, measX GmbH & Co. KG