Im richtigen Leben ist es wie im Sport: Die zweite Geige möchte niemand spielen. Auch nicht im Vertrieb.
Die Fans der Aufsteiger aus den "Abgründen" der zweiten Fußball-Bundesliga drücken mit diesem Schlachtruf zu Beginn jeder Saison in den Stadien ihre Freude darüber aus, dass es ihrem Herzensverein gelungen ist, wieder da hinzukommen, wo sie ihrer Überzeugung nach hingehören: in die Erstklassigkeit. Endlich, endlich dürfen die Spieler wieder dort kicken, wo die Elite spielt, endlich darf man sich als Zuschauer wieder auf namhafte Gegner freuen, endlich sind die Weichen wieder in Richtung Erfolg gestellt ...
So ähnlich verhält es sich im Vertrieb. Groß ist auch dort die Freude, wenn das Team einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet hat, dass das Unternehmen in die Liga der Top-Performer aufgestiegen ist. Und natürlich wollen alle auch auf dem Zenit bleiben, möglichst auf Dauer. Bloß kein Abstieg, nur nicht wieder zurück in die Liga der Namenlosen, der Underdogs, der Überlebenskämpfer! Doch wie hält man die Klasse? Was muss der Vertrieb leisten, um allen Herausforderungen zum Trotz dauerhaft zur Spitzenklasse zu gehören? Es muss vor allem – wie im Fußball – die "Fans" überzeugen und begeistern. In diesem Fall: die Kunden.
Menschlicher Faktor in Kundenbeziehungen zählt
Auf das Kundenbeziehungsmanagement kommt es also an. Und auch hier gibt es erstaunliche Parallelen zum Sportlichen: Sind es hier die Darbietungen der Spieler auf dem Platz, die die Fans von den Stühlen reißen, sind es dort die Vertriebsleute im Kundenkontakt, die mit ihren Fähigkeiten, ihrer Empathie, ihrer Kompetenz den Unterschied ausmachen. Auch heute noch, im Zeitalter der Digitalisierung. "Das ausgefeilteste System erzielt allein keine Vertriebserfolge. Es kommt auf den Menschen dahinter an", schreibt Armin Hingst in der Titelstory in diesem Heft (Seite 10). Er spricht vom "menschlichen Faktor" im Vertrieb, wenn es darum geht, die Kundenbeziehungen nach vorn zu bringen. Technik ist auch im Sport nicht alles. Es kommt auch auf andere Tugenden an: Kampfgeist, Siegeswille, schnelle Reaktionsfähigkeit zum Beispiel. Im Vertrieb kann das unter anderem bedeuten, was der Adobe-CTO Hartmut König mit den Worten ausdrückt: "Ich muss auch wissen, ab wann ich den Kunden nerve." (Seite 14) Und das kann kein CRM-System der Welt.
Für Anabel Ternès ist die Qualität des Kundenbeziehungsmanagements der entscheidende Erfolgsfaktor. "Nur Unternehmen, die die gesamte Customer Journey aus Sicht ihrer Kunden aufstellen, die einzelnen Touchpoints identifizieren und dort ihre Interessenten und Kunden mit sinnvollen Inhalten ansprechen, werden auch künftig Erfolg haben", ist sie überzeugt. (Seite 22) und warnt vor dem Horrorszenario "Abstieg" – was aus Sicht der Kunden laut Digitalisierungsexpertin Ternès so aussehen könnte: "Und sie haben keine Scheu, zum Mitbewerber zu wechseln, wenn sie sich dort wohler fühlen."
Der Alptraum schlechthin für ein erfolgsorientiertes Kundenbeziehungsmanagement. Umso wichtiger ist es, Digitalisierung und Customer Experience unter einen Hut zu bekommen. Für Peter Gentsch liegt die Lösung in der "intelligenten Kombination und Orchestrierung der verschiedenen Kanäle", wie er in seiner Kolumne auf Seite 23 anmerkt. Wichtig ist aber auch für ihn, nicht die Empathie und den Zugang zum Kunden zu verlieren. Und damit den Abstieg in die Zweitklassigkeit in Kauf zu nehmen.
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