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23-05-2025 | Verwaltungsfinanzen | Im Fokus | Article

Kommunen beurteilen Finanzlage extrem pessimistisch

Author: Angelika Breinich-Schilly

3:30 min reading time

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Es klaffen enorme Haushaltslöcher in deutschen Kommunen. Zugleich steigt deren Investitionsbedarf. Das Sondervermögen Infrastruktur liefert den Kämmerern allerdings kaum Zeit zum Verschnaufen. Sie fordern eine stärkere Berücksichtigung des Konnexitätsprinzips.

Aufgrund der angespannten Haushaltslage in vielen Kommunen ist die Stimmung der Kämmerer auf einen Tiefpunkt gesunken. 


Im Haushaltsjahr 2024 verzeichnen die kommunalen Haushalte ein Rekorddefizit von 24,8 Milliarden Euro. Das ist das größte Minus seit 1990, ermittelten die Ökonomen von KfW Research in ihrer aktuellen Vorabauswertung des KfW-Kommunalpanels 2025. In der Anfang Mai vorgestellten Untersuchung sticht vor allem der Anstieg im Vergleich zum Vorjahr ins Auge: Allein in den Kernhaushalten vervierfachte sich das Minus von 6,6 Milliarden Euro (2023) auf 24,3 Milliarden Euro. Damit hat sich die Finanzlage der kommunalen Haushalte innerhalb eines Jahres dramatisch verschlechtert. Eine ähnlich angespannte Situation gab es in den Jahren nach der Wiedervereinigung, 2003 und während der Finanzkrise im Jahr 2008, wie nachfolgende Grafik zeigt: 

Nur 17 Prozent der Kommunen bewerteten ihre Finanzsituation im Jahr 2024 als "gut" oder "sehr gut". Ein gutes Drittel vergibt die Note "mangelhaft". 


Ausgaben treiben das Defizit

Vor allem steigende Ausgaben weiten das Haushaltsloch der Städte und Gemeinden aus: Die bereinigten Ausgaben der kommunalen Kernhaushalte stiegen 2024 um 8,8 Prozent auf 362,7 Milliarden Euro. Treiber sind höhere Sozialleistungen mit einem Plus von 11,7 Prozent, darunter die Eingliederungshilfe mit einem Anstieg von 13,6 Prozent sowie die Kinder- und Jugendhilfe, die um 17 Prozent wuchs. Tarifsteigerungen und Personalaufstockungen, etwa in den Kitas, ließen außerdem die Personalkosten um knapp neun Prozent anwachsen.

Demgegenüber stiegen die bereinigten Einnahmen nur um 3,5 Prozent auf 338,5 Milliarden Euro. Die Steuereinnahmen legten lediglich um 1,5 Prozent zu. Das ist deutlich weniger als in den Vorjahren. Das Plus bei der Gewerbesteuer betrug nur 0,3 Prozent.

Finanzlage wird zunehmend kritisch beurteilt

Nur noch 17 Prozent der Kommunen betrachten ihre finanzielle Basis als gut oder sehr gut. Ein gutes Drittel (36 Prozent) bewertete die Situation im Jahr 2024 als "mangelhaft". Das ist ein Zuwachs von acht Prozent innerhalb von zwei Jahren. Weitere 24 Prozent aller befragten Städte und Gemeinden bewerten ihre Situation nur als "ausreichend". Besonders dramatisch stellt sich die Lage in Städten mit über 50.000 Einwohnern dar: Hier halten 56 Prozent ihre Haushaltslage für besorgniserregend. Bei 60 Prozent der Kämmerer zeigen die Einschätzungen der eigenen Kommunalfinanzen insgesamt eine deutliche Negativtendenz.

"Mit 84 Prozent ist der Anteil der Kommunen, die die erwartete eigene Finanzsituation im Haushaltsjahr 2025 als 'eher nachteilig' oder als 'sehr nachteilig' bewerten, etwa so hoch wie im Vorjahr. Auch der Anteil der Kommunen, die in den nächsten fünf Jahren eine 'eher nachteilige' oder 'sehr nachteilige' Entwicklung erwarten, hat sich mit rund 91 Prozent im Vergleich zur Vorjahresbefragung nur wenig verändert", heißt es in der Untersuchung. Trotz der geringen Veränderungen verharrt der Anteil der negativen Einschätzungen aber auf einem hohen Niveau.

Kommunen sorgen sich um Investitionsfähigkeit

Vor dem Hintergrund steigender Defizite und negativer Haushaltsprognosen warnen kommunale Spitzenverbände vor einem Rückgang der Investitionstätigkeit. Für 2025 wird ein Rückgang der Bauinvestitionen um 1,5 Prozent erwartet. Die Erfahrungen aus früheren Haushaltskrisen, wie etwa 2003 und 2009, belegen, dass Finanzierungsschwierigkeiten häufig zu Investitionsstaus führen. Die angespannte Stimmung unter den Kämmerern lasse befürchten, dass notwendige Vorhaben, etwa bei Schulen, im Straßenverkehr oder der Digitalisierung, künftig noch häufiger ins Stocken geraten.

Strukturelle Probleme bleiben trotz Sondervermögen ungelöst

Das neu geschaffene Sondervermögen Infrastruktur in Höhe von 100 Milliarden Euro kann laut der befragten Kämmerer kurzfristig helfen, Investitionsstaus zu reduzieren. Es adressiere allerdings nicht die tiefer liegenden strukturellen Finanzierungsprobleme der Kommunen.

Schon seit Längerem steht daher die Forderung nach einer stärkeren Berücksichtigung des Konnexitätsprinzips - "wer bestellt, bezahlt" - in der kommunalen Aufgabenerfüllung im Raum. Diese findet sich auch im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung, ebenso wie die 'systemische Verbesserung der Kommunalfinanzen' - wenngleich ohne Konkretisierung zur Finanzierung", heißt es in der Analyse.

Aber auch Ansätze wie ein höherer Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer würden diskutiert. "Mit Blick auf die Investitionsfähigkeit der Kommunen kommt zudem der verlässlichen Planbarkeit der Einnahmen eine wichtige Rolle zu. Die Konjunkturabhängigkeit der Gewerbesteuer wirkt dem indes entgegen", resümieren die Experten von KfW Research.


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