Im Citizen-Science-Projekt FLOW haben 900 Bürger über drei Jahre kleine Bäche in Deutschland untersucht. Ein Ergebnis: In landwirtschaftlich geprägten Gebieten wird die Wirbellosenfauna stark durch Pflanzenschutzmittel beeinträchtigt.
Pflanzenschutzmittel, die in der Landwirtschaft eingesetzt werden, verschlechtern die Wasserqualität, da sie auch in Bäche, Flüsse und Grundwasser gelangen. Trotz Maßnahmen zur Verbesserung der Gewässerqualität seit 2000 sind 90 Prozent der deutschen Fließgewässer laut Umweltbundesamt noch immer in keinem "guten ökologischen Zustand". Besonders kleine Fließgewässer, die 70 Prozent des deutschen Gewässernetzes ausmachen, werden dabei oft vernachlässigt.
100 Bäche untersucht
Um dies zu ändern, wurden im Pilotprojekt "Kleingewässermonitoring" über 100 kleine Bäche untersucht. In 80 Prozent dieser Gewässer wurden die Pestizid-Grenzwerte überschritten. Im Citizen Science-Projekt FLOW, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), wurden zwischen 2021 und 2023 ebenfalls Bäche untersucht. "Wir konnten mit mehr als 900 Freiwilligen 137 Bäche untersuchen", berichtet FLOW-Koordinatorin Julia von Gönner.
Die Ergebnisse zeigen, dass die Wirbellosenfauna in 60 Prozent der untersuchten Bäche durch Pflanzenschutzmittel beeinträchtigt ist, besonders in landwirtschaftlichen Einzugsgebieten. Auch die Gewässerstruktur ist in über 60 Prozent der Fälle stark verändert. Es besteht dringender Handlungsbedarf, um diese Belastungen zu reduzieren.
Auch europaweit Probleme
Diese Problematik ist nicht nur auf Deutschland beschränkt. Um die Belastung europäischer Flüsse genauer zu untersuchen, hat ein Forschungsteam des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) 450 Proben aus 22 Fließgewässern ausgewertet. Dabei wurden über 500 Chemikalien entdeckt, teilweise in hohen Konzentrationen. Diese stellen, wie auch in Deutschland, für wirbellose Tiere ein großes Risiko dar. Ein Bericht dazu erschien im Fachblatt Environment International.
Das Team untersuchte 610 bekannte Chemikalien, darunter Pestizide, Arzneimittel und Industriechemikalien. In 40 Prozent der Proben fanden sie bis zu 50 Substanzen, in 41 Prozent bis zu 100. Besonders häufig wurde N-Acetyl-4-aminoantpyrin, ein Abbauprodukt des Schmerzmittels Metamizol, nachgewiesen. Über dessen Auswirkungen auf Süßwasserökosysteme ist wenig bekannt.
Weitere problematische Substanzen sind Carbamazepin, das sich negativ auf Fische und wirbellose Tiere auswirkt, sowie die Insektizide Diazinon und Fipronil.
In 74 Prozent der Proben wurden die wissenschaftlichen Grenzwerte überschritten, dadurch sind besonders Krebstierchen stark gefährdet. Laut Dr. Eric Carmona vom UFZ bleibt die Wirkung der chemischen Mischungen noch zu wenig erforscht.