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09-09-2015 | Werkstofftechnik | Schwerpunkt | Article

Untypische Kristallstruktur im Stahl entdeckt

Author: Dieter Beste

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Stahl gibt es seit rund 3000 Jahren, und er erfüllt heute in mehreren Tausend Variationen seinen Zweck – jeweils gemäß einer spezifischen technischen Anforderung. Wenn auch auf das Gründlichste erforscht, ist dieser Werkstoff immer wieder für eine Überraschung gut.

Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Eisenforschung in Düsseldorf haben in einem manganhaltigen Stahl beobachtet, dass die Legierung an linienförmigen Defekten eine andere Kristallstruktur bildet, als sie typisch ist für das Material. Sie berichten darüber im Fachjournal Science. „Wie sich die räumlich begrenzten chemischen und strukturellen Zustände in dem Material auf dessen Eigenschaften auswirken, wissen wir noch nicht“, sagt Dierk Raabe, Direktor am Max-Planck-Institut für Eisenforschung (MPIE) in Düsseldorf.

Die Entdeckung kam eher zufällig zustande. Rabe untersuchte mit seinem Team die Mikro- und Nanostruktur eines besonders festen und zähen manganhaltigen Stahls, der mit Nanopartikeln verstärkt ist und etwa im Fahrwerk großer Flugzeuge verbaut wird. „Dabei ist uns aufgefallen, dass sich die Konzentration des Mangans entlang bestimmter Linien erhöhte, nachdem wir das Material erhitzt hatten“, erklärt Dirk Ponge, der an der Studie maßgeblich beteiligt war. Nur zwei Nanometer sind die feinen Schläuche weit, in denen sich das Mangan sammelt. Und das tut es auch nicht auf ganzer Linie, sondern eher in Form einer Kette manganreicher Nanoperlen.

Anderes Kristallgitter energetisch günstiger

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Um die größere Zahl an Manganatomen in diesen winzigen Arealen unterzubringen, muss sich die Kristallstruktur des Materials ändern. Normalerweise sitzen an den Ecken einer würfelförmigen Elementarzelle, der kleinsten Baueinheit der Struktur Eisenatome, und nur in ihrem Inneren befindet sich ein Manganatom. Werkstoffwissenschaftler sprechen von einer kubisch-raumzentrierten oder einer Martensit-Struktur. Die Mangankonzentration in der Nano-Perlenkette entspricht aber einer Anordnung, in der Manganatome auf jeder Fläche der Elementarzelle untergebracht sind; im Fachjargon eine kubisch-flächenzentrierte oder Austenit-Struktur. „An den Versetzungen ist die Spannung besonders groß“, sagt Dirk Ponge. „Offenbar kann das Material die Spannung abbauen und damit einen energetisch günstigeren Zustand annehmen, indem es dort eine Kristallstruktur bildet, die ansonsten energetisch ungünstiger ist.“ Aufgrund dieser Erkenntnis erweiterten die Düsseldorfer Forscher eine zentrale Formel, mit der Materialwissenschaftler ausrechnen, welche Struktur ein Material unter welchen Bedingungen an solchen Baufehlern im Kristall bevorzugt.

Kann sich ein Damaszener Stahl selbst schmieden?

Damit die Atome unmittelbar an der Versetzung die Struktur, die dort, aber auch nur dort energetisch günstiger ist, annehmen können, mussten die Forscher die Atome mit Hitze erst mobilisieren. „Das bedeutet aber nicht, dass sich die räumlich begrenzten chemischen und strukturellen Zustände nur unter Hitze bilden“, sagt Dierk Raabe. Diese Zustände sind also vermutlich nicht nur in den Zylindern eines Motors, den Schaufeln einer Turbine oder anderen Materialien, die ständig großer Hitze ausgesetzt sind, anzutreffen. „Kleine Atome wie die des Kohlenstoffs sind viel mobiler als die des Mangans“, erklärt Dierk Raabe. „Es ist also damit zu rechnen, dass wir die räumlich begrenzten Zustände auch etwa in kohlenstoffhaltigen Fahrzeugblechen antreffen.“ Wie sich der lokale Strukturwandel auf die Eigenschaften eines Materials auswirkt, wollen die Forscher nun untersuchen. Und die Entdeckung hat ihre Fantasie beflügelt: „Vielleicht können wir diese räumlich begrenzten Zustände auch gezielt herbeiführen, um einen Nano-Damaststahl zu entwickeln, der sich selbst schmiedet.“

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