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30-08-2021 | Wertpapiergeschäft | Interview | Article

"Das 'beste Modell' für Anleger gibt es pauschal nicht"

Author: François Baumgartner

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Interviewee:
Jörn Hüsgen

ist Gesellschafter und Geschäftsführer des Deutschen Kundeninstituts (DKI).

Sie heißen Trade Republic, Robinhood, Smartbroker oder Scalable. Als Low-Cost-Broker konkurrieren diese Fintechs mit Direkt- und Vollbanken um die Gunst der Anleger. DKI-Geschäftsführer Jörn Hüsgen spricht über den Erfolg von Discountbrokern und worauf es im Brokerage ankommt. 

Springer Professional: Herr Hüsgen, welche Gebühren- und Geschäftsmodelle gibt es im Brokerage?

Jörn Hüsgen: Broker erzielen ihren Deckungsbeitrag durch pauschale und nutzungsabhängige Entgelte. Auf dem deutschen Markt haben sich verschiedene Gebührenmodelle etabliert, die miteinander im Wettbewerb stehen. Es gibt Unterschiede in Depotführungsentgelten, und unterschiedliche Gebührenmodelle beim Wertpapierhandel. So setzt sich etwa die Ordergebühr aus mehreren Bestandteilen wie Mindestgebühr, Grundgebühr und prozentual vom Ordervolumen berechnete Transaktionsgebühr zuzüglich Handelsplatzentgelt plus Fremdspesen zusammen. Und das von Broker zu Broker unterschiedlich. Was übrigens oft missverstanden wird: Das Handelsplatzentgelt ist ein durch den Broker und nicht etwa durch den Börsenplatz erhobenes Entgelt. Die Höhe der Gebühr unterscheidet sich je nach Börsenplatz drastisch. Darauf sollten Verbraucher achten, insbesondere wenn sie Xetra oder an ausländischen Börsen handeln möchten.

Neobanken gewinnen an Popularität (313)

Wer bietet innovative Preismodelle an und wie sehen diese aus?

Vor allem neue Anbieter versuchen mit innovativen Preismodellen zu punkten. So werden neuerdings etwa Orderpakete angeboten. Der Anleger schließt eine Art Abonnement gegen monatliche Gebühr mit einem Freikontingent ab. Solche Gebührenmodelle eignen sich eher für Anleger, die relativ häufig handeln und die Anzahl ihrer Orders sehr gut vorhersehen können. Möglich sind mittlerweile auch sogenannte Free Buys: Dabei werden Depotinhaber monatlich Coupons für Käufe ohne Gebühr eingebucht. Die Anzahl der eingebuchten Käufe wird an eine bestimmte Variable wie etwa das Kontoguthaben geknüpft. Mit Free Buys können Wertpapiere zwar kostenlos gekauft, aber nur zu den regulären Gebühren wieder verkauft werden. So genannte Neobroker oder Low-Cost-Broker werben damit, dass sie weniger Gebühren verlangen als herkömmliche Broker. Bei den Neobrokern ist eine Order bereits für einen Euro möglich. Nur vereinzelt fallen Depotgebühren an. Das erleichtert es Anlegern, auch kleine Transaktionen durchzuführen und schneller zu traden, da die Gebühren im Vergleich zu klassischen Banken deutlich geringer sind. Sie sehen, der Markt ist recht unübersichtlich geworden.

Welche Schlussfolgerung ziehen Sie daraus?

Das beste Modell für Anleger gibt es so pauschal gar nicht. Anleger sollten sich vor der Wahl eines Brokers im Klaren über ihr voraussichtliches Kauf- und Verkaufsverhalten werden. Sind sie eher an langfristigem Vermögensaufbau interessiert und halten ihre Positionen grundsätzlich längerfristig, sind kostenlose Depotkonten sicher eine gute Wahl. Wer an der Börse eher spielen und häufig handeln möchte, für den sind möglichst niedrige Transaktionskosten wichtiger. Wer mit großen Volumina handelt, für den machen pauschale Orderkosten eventuell Sinn. 

Welche Strategien verfolgen traditionelle Finanzinstitute und Wertpapierhandelshäuser? 

Traditionelle Finanzinstitute bieten ein breites Angebot, ermöglichen den persönlichen Kontakt etwa zu seinem Berater in der Filiale und eine möglichst individuelle Anlageberatung. Dadurch kann auch bei fehlender Erfahrung an der Börse gehandelt und Vermögen aufgebaut werden. Allerdings beraten traditionelle Finanzinstitute häufig nicht zu Einzelwerten, Empfehlungen zu einzelnen Titeln haben Seltenheitswert. Die Berater neigen eher dazu, softwareunterstützt hauseigene Produkte wie Fonds oder ETFs zu verkaufen. Weil Beratung und Filialen teuer sind, gleichzeitig etablierte Ertragsmodelle der Banken weitgehend ausfallen, werden auf immer mehr Services Gebühren erhoben. Auch für Transaktionen und die Verwahrung der Wertpapiere werden im Vergleich oft recht hohe Gebühren fällig. Diese fallen bei Neobrokern deutlich geringer aus, jedoch wird dafür bei Beratung und Service gespart. Es liegt also beim Verbraucher zu entscheiden, welcher Aspekt für ihn wichtiger ist: Persönliche Beratung und Service oder niedrige Gebühren. 

Was machen Discount- und Neobroker anders?

Die zentrale Idee hinter den Low-Cost-Brokern ist, ihren Kunden ein kostengünstiges, aber eingeschränktes standardisiertes Angebot zu machen. Es umfasst meist nur wenige Produkte, die sich an ebenfalls wenigen Börsen handeln lassen. Dafür sind Neobroker über Online-Portale und oft gut gemachte Trading-Apps leicht zugänglich, auch außerhalb der regulären Handelszeiten. Der Zugang zu einem Depot beim Neobroker ist somit meist einfach, schnell und unkompliziert, womit sie die Zielgruppe der jungen Privatanleger besonders ansprechen. Diese schätzen den Komfort, die Einfachheit, professionelle Funktionen und Innovationen.

Wie sieht Ihr Testdesign bei Online-Brokern aus? 

Das Deutsche Kundeninstitut testet durchgehend Banken, Versicherungen und Bausparkassen unabhängig und oft im Auftrag von führenden Wirtschaftsmedien, aber auch im Auftrag der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (Bafin). Für die Analyse der Online-Broker nutzen wir das praxiserprobte DKI-Testdesign, dessen wissenschaftliche Grundlage zusammen mit der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf entwickelt wurde. Basis sind verschiedene Anlegertypen, um den unterschiedlichen Anforderungen der Anleger an ihren Broker gerecht zu werden. Die rund 160 Einzelkriterien werden systematisiert in die Kategorien "Angebot", "Konditionen" sowie "Service" und ergänzt durch eine breite Umfrage zum Nutzererlebnis der Anleger. Diese Kriterien werden gewichtet und getrennt nach Kategorien ausgewertet und in Rankings abgebildet. Die Ergebnisse unserer Analysen veröffentlichen wir regelmäßig in großen Wirtschaftsmedien. 

Wohin führt die Kostenloskultur von Neobrokern?

Über Neobroker können Aktien bereits für kleines Geld, teils sogar kostenlos oder per Flatrate gehandelt werden. Das kommt privaten Anlegern zugute, die Vermögen mit kleinen Beträgen langfristig und regelmäßig aufbauen möchten. Klassische Institute werden genau beobachten, wie sich die Geschäftsmodelle entwickeln und mittelfristig auch ihre Services umstellen müssen. Oder sie ergänzen ihr Portfolio für bestimmte Zielgruppen mit einem entsprechenden Angebot. Durch einen anhaltenden Preis- und Kostendruck werden die etablierten Gebührenstrukturen auf Dauer nur schwer fortführbar sein, spätestens, wenn Low-Cost-Broker aus ihrem Nischendasein entwachsen. Aus Verbrauchersicht ist eine solche Entwicklung zu begrüßen. Der Aktienmarkt wird für breite Schichten besser zugänglich und als Anlagealternative, insbesondere zum langfristigen Vermögensaufbau, attraktiv.

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