Skip to main content
Top

2022 | OriginalPaper | Chapter

2. Widerfahrnisse und Erfahrungen

Activate our intelligent search to find suitable subject content or patents.

search-config
loading …

Zusammenfassung

Der folgende Aufsatz stellt weitere Bausteine für den Aufbau der Architekturtheorie als einer empirischen Wissenschaft zur Diskussion. Unter Wissenschaftstheorie werden die philosophischen Bemühungen gefasst, eine Wissenschaft methodisch zu fundieren. Dies soll im Folgenden von einer Wissenschaft der Architektur versucht werden.

Dont have a licence yet? Then find out more about our products and how to get one now:

Springer Professional "Wirtschaft+Technik"

Online-Abonnement

Mit Springer Professional "Wirtschaft+Technik" erhalten Sie Zugriff auf:

  • über 102.000 Bücher
  • über 537 Zeitschriften

aus folgenden Fachgebieten:

  • Automobil + Motoren
  • Bauwesen + Immobilien
  • Business IT + Informatik
  • Elektrotechnik + Elektronik
  • Energie + Nachhaltigkeit
  • Finance + Banking
  • Management + Führung
  • Marketing + Vertrieb
  • Maschinenbau + Werkstoffe
  • Versicherung + Risiko

Jetzt Wissensvorsprung sichern!

Springer Professional "Technik"

Online-Abonnement

Mit Springer Professional "Technik" erhalten Sie Zugriff auf:

  • über 67.000 Bücher
  • über 390 Zeitschriften

aus folgenden Fachgebieten:

  • Automobil + Motoren
  • Bauwesen + Immobilien
  • Business IT + Informatik
  • Elektrotechnik + Elektronik
  • Energie + Nachhaltigkeit
  • Maschinenbau + Werkstoffe




 

Jetzt Wissensvorsprung sichern!

Springer Professional "Wirtschaft"

Online-Abonnement

Mit Springer Professional "Wirtschaft" erhalten Sie Zugriff auf:

  • über 67.000 Bücher
  • über 340 Zeitschriften

aus folgenden Fachgebieten:

  • Bauwesen + Immobilien
  • Business IT + Informatik
  • Finance + Banking
  • Management + Führung
  • Marketing + Vertrieb
  • Versicherung + Risiko




Jetzt Wissensvorsprung sichern!

Footnotes
1
Das alte deutsche Wort Erfahrenheit wird von Adelung (Johann Christoph Adelung: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart mit beständiger Vergleichung der übrigen Mundarten, besonders aber der oberdeutschen. Zweyte, vermehrte und verbesserte Ausgabe. Leipzig 1793–1801) noch gleichbedeutend mit Erfahrung gebraucht:
„Die Erfahrenheit, der Zustand, da man viele sinnliche Erkenntniß besitzet, viele Dinge sinnlich erfahren hat; ein seltenes aber doch richtig gebildetes Wort. Er besitzt eine große Erfahrenheit in den Alterthümern, in der Sprache, in der Arzeneykunde, in Staatssachen u. s. f. Die Erfahrenheit ist vorsichtig.[…] Im Oberdeutschen wird dieses Wort auch für Erfahrung gebraucht. Ich habe es aus Erfahrenheit.
Die Erfahrung, plur. die -en, von der letzten Bedeutung des Zeitwortes erfahren.
1. Der Zustand, da man erfähret oder sinnliche Kenntniß erlanget; ohne Plural:
1) In der weitesten Bedeutung des Zeitwortes. Ich habe es aus eigener Erfahrung, ich habe es selbst erfahren. Die Erfahrung wird es lehren. Durch die Erfahrung gelangt man zu vieler Erkenntniß.
2) In engerer Bedeutung, die Erfahrung durch den Sinn des Gehöres; doch nur in der Redensart, etwas in Erfahrung bringen, es nach angewandter Bemühung erfahren. Im Oberdeutschen sagt man auch in Erfahrung kommen, für erfahren.
2. Dasjenige, was man sinnlich erkennet, die durch die Sinne erlangte Erkenntniß, so wohl in einzelnen Fällen, da denn auch der Plural gebraucht werden kann, als auch im Ganzen genommen. Sich viele Erfahrungen sammeln. Eine Erfahrung machen. Ein Mann von großer Erfahrung, der viel erfahren hat. Aus anderer Erfahrung klug werden. In der Philosophie nimmt man das Wort zuweilen in engerer Bedeutung, von einer Erkenntniß durch die Sinne, die sich uns von selbst darbiethet, um die Erfahrung von einem Versuche zu unterscheiden, wo wir erst durch unsere Bemühung zu dieser Erkenntniß gelangen. In der Mathematik aber werden die Erfahrungen zuweilen mit den Grundsätzen vermenget. Daher der Erfahrungssatz, ein Satz, den man unmittelbar durch die Sinne wahrgenommen hat.“ Adelung 1793–1801.
Der Ausdruck „Erfahrenheit“ ist 100 Jahre später ungebräuchlich geworden. In Meyers Großes Konversationslexikon. Ein Nachschlagewerk des allgemeinen Wissens. Sechste, gänzlich neubearbeitete und vermehrte Auflage. Leipzig und Wien 1905–1909 taucht nur mehr das Stichwort Erfahrung auf. Deutlich wird der Einfluss, den inzwischen die instrumentelle Erfahrung auch auf das Verständnis nichtwissenschaftlicher Wissensformen gewonnen hat: „Erfahrung (Empirīe) heißt im allgemeinen das auf die unmittelbare sinnliche Anschauung eines Gegenstandes begründete Wissen im Gegensatz zu der durch Denken erworbenen oder durch Belehrung übermittelten Einsicht, sodann auch (im konkreten Sinne) jedes einzelne auf diesem Wege gewonnene Ergebnis (eine E.). Da unser Geist nur durch Vermittelung der Sinne mit der Außenwelt in Verbindung tritt, so beruht alle unsre Kenntnis der Dinge in letzter Linie auf E., und weder das Denken noch die (aus Büchern oder aus mündlicher Mitteilung geschöpfte) Belehrung vermögen diese zu ersetzen. »E. haben« heißt daher soviel wie mit den Eigentümlichkeiten der Dinge (oder Menschen) genau bekannt sein, und »unerfahren« wird derjenige genannt, der die Welt nur durch Überlieferung und nicht aus eigner Anschauung kennt. Anderseits ist aber die E., die für das praktische Leben oder für die Wissenschaft von Bedeutung und Wert sein soll, weder bloß die Summe der alltäglichen Erfahrungen, wie sie jeder ohne Mühe machen kann, noch besteht sie in dem Erlebthaben irgend welcher ungewöhnlichen Fakta (viele Menschen erfahren gar manches, ohne E. zu machen), sondern sie entspringt erst aus der Verknüpfung und richtigen Deutung dessen, was man erfahren hat. Die sinnliche Wahrnehmung gibt uns immer nur Einzelfälle, während dem Zwecke des Wissens nur gedient ist durch Regeln (Gesetze), die in allen Fällen Geltung haben; dazu ist aber eine denkende Bearbeitung der Erfahrungstatsachen erforderlich. Die vom Empirismus (s. d.) aufgestellte Forderung, daß das Erkennen sich auf die »reine« E. stützen müsse, hat daher einen guten Sinn, wenn sie besagen will, daß man ohne vorgefaßte Meinungen an die Betrachtung der Dinge selbst herangehen, ist aber falsch, wenn gemeint ist, daß man die Tatsachen der Wahrnehmung ohne Prüfung hinnehmen soll. Denn sehr oft lassen die letztern eine mehrfache Deutung zu (aus dem »Aufgehen« der Sonne kann auf eine Bewegung der Erde oder der Sonne geschlossen werden), und immer ist es Sache des Denkens, das Wesentliche, Allgemeingültige von den zufälligen und unwesentlichen Besonderheiten des einzelnen Falles zu unterscheiden und zu verhüten, daß voreilig falsche, durch die vorliegenden Tatsachen nicht gerechtfertigte Verallgemeinerungen aufgestellt werden. Dem bloßen Empiriker, der auf Grund einzelner, nicht weiter auf ihren Wert geprüfter und mit andern verknüpfter Erfahrungen urteilt und handelt, begegnet es daher oft genug, daß er durch den Erfolg selbst widerlegt wird oder unter andern als den ihm geläufigen Umständen keinen Rat weiß, weshalb auf allen Gebieten die rationelle (auf E. und Denken) basierte Auffassung oder Behandlung einer Sache höher geschätzt wird als die »Routine« des Empirikers. Alle Realwissenschaften sind zwar insofern Erfahrungswissenschaften, als sie die E. nicht entbehren können, sei diese nun eine äußere (objektive), wie in den Naturwissenschaften, oder eine innere (subjektive), wie in der Psychologie und den mit ihr zusammenhängenden Disziplinen, aber sie gründen sich/nicht ausschließlich auf E. Auch begnügt sich die Wissenschaft nicht mit den zufällig gemachten Beobachtungen, sondern sie geht planmäßig vor und sucht Tatsachen, die geeignet sind, die Grundlage eines methodischen Schlußverfahrens zu bilden (vgl. Experiment und Induktion); oder sie beginnt umgekehrt mit hypothetisch aufgestellten allgemeinen Annahmen, um die (durch Deduktion) daraus abgeleiteten Folgerungen an der E. zu prüfen und so eine Bestätigung oder Widerlegung jener Annahmen zu finden. Auf den letztern Fall bezieht sich die Gegenüberstellung von Theorie und E.; die Theorie geht vom allgemeinen aus, die E. vom einzelnen, und das Ideal der (Real-)Wissenschaften ist erreicht, wenn beide vollständig zusammentreffen. Ob es Begriffe und Erkenntnisse gibt, zu deren Zustandekommen die E. überhaupt nicht erforderlich ist, ist eine zwischen Apriorismus (…) und Empirismus (s. d.) strittige Frage.“ Meyers Großes Konversationslexikon 1905–1909.
 
2
„Die Lehrbücher der L.[ogik] pflegen seit Descartes nur eine simplifizierte Form der aristotelischen Syllogistik zu bieten und vornehmlich Methodenlehre und Erkenntnistheorie zu behandeln.“ Patzig 2004: 433
 
3
Diese „Lösung“ durch Epagoge ist auch Ausgang der „Beispielhermeneutik“ als einer Forschungspraxis: Der mit einer Stadt, einer landschaftliche Umgebung, einem Gebäude Erfahrene und Vertraute gibt dem Forscher ein „hinweisendes“ Beispiel (erzählt ihm z. B. eine Geschichte), so dass dieser die in der Geschichte mitgemeinte „allgemeine Wahrheit“ erfassen kann.
 
4
Daran knüpft die Beispielhermeneutik an, Hahn 1994a. Siehe dazu auch das Abschn. 4.​3. in diesem Buch.
 
5
Zur „hermeneutischen Logik“ vgl. Lipps 1976, Landgrebe 1956 und Kühne-Bertram 1993.
 
6
Siehe auch Abschn. 4.​1 in diesem Buch.
 
7
Dazu schon Ulmer 1953: 75: „Von der Entstehung der Kunst und Wissenschaft auf dem Boden der Erfahrung heißt es [bei Aristoteles, A.H.]: ‚Aus der Erfahrung … stammt die Grundlage von Kunst und Wissenschaft, wenn im Umkreis des Werdens, die der Kunst, wenn im Umkreis des Seins, die der Wissenschaft‘ (100a 6 f.). Diese beiden verschiedenen Weisen des wesentlichen Wahrheitens, die als solche ihre Wurzel in einem je verschiedenen Verstandesvermögen haben sollten und uns in dieser Hinsicht schon bekannt sind, werden hier ausdrücklich auf die Erfahrung gegründet“. (Hvhg. durch mich)
 
8
Die Erkenntnistheorie hat es mit den Bedingungen, Möglichkeiten und Grenzen menschlicher Erkenntnis zu tun. Deshalb kann sie keine empirische (Natur-)Wissenschaft sein.
 
9
Der philosophische Konstruktivismus hat diese Position Lorenzens unter dem Stichwort „Lebensweltliches Apriori“ weiterverfolgt, vgl. etwa Mittelstraß 1991.
 
10
Für unser Anliegen treffender scheint mir der Vorschlag, den Hans Julius Schneider für eine Proto-Ethik ausgeführt hat, indem ihm durch kluges und überzeugendes Abwägen von Umgangs- und Erläuterungssprache eine Rekonstruktion von lebensweltlichem Argumentieren gelingt. Vgl. Schneider 1996.
 
11
Lorenzen unterscheidet zwischen einer „philosophisch-wissenschaftlichen Sprache und einer ‚Erläuterungssprache‘, deren Verständnis beim Leser vorausgesetzt“ werden kann. Vgl. Lorenzen 1974: 25.
 
12
Vgl. Hahn und Steinbusch 2006.
 
13
Die jede Wissenschaft bedingende Lebenswelt ist „der Boden für alle Praxis und alle Ziele, die sich das natürliche Leben stellt“, so Landgrebe 1967: 150.
 
14
Zum Verhältnis Architekt und Nutzer z. B. Behne 1927: 31: „Gewiß: der Architekt dient dem Mieter, aber nicht glatt dem Durchschnittsmieter von heute, sondern dem zur vollen kulturellen Verantwortung geweckten, vernünftigen und einsichtigen Mieter. Diesen aber heranzubilden und zum ‚herrschenden Typ‘ zu machen, ist der Architekt wesentlich mitberufen.“
 
15
Hatten die Griechen noch einen Gott vorgestellt, der als Freund der Menschen (Prometheus) auftritt und diesen „nicht nur das Feuer, sondern den Höhlenbewohnern die Kunst des Häuserbaus (zeigt)“, vgl. Landmann 1962: 22, so wird dieser bei Vitruv, offensichtlich unter Bezugnahme auf die Ideen des Poseidonios, durch den erfindungsreichen und mit Vernunft begabten, schöpferischen Ingenieur/Architekt ersetzt. Zur Verbindung Vitruv – Poseidonios vgl. Reinhardt 1921. Kritisch dazu: Bees 2005.
 
16
Für Heiner Knell macht das Kapitel über den Ursprung des Hausbaus „klar, daß Vitruvs zentrales Anliegen – Proportion und Symmetrie – durch die Evolution vorgegeben ist, weil sie von anfänglich‚vagen und unsicheren Urteilen zu den bestimmten Berechnungen symmetrischer Verhältnisse‘ geführt hat“ Knell 1991: 46.
 
17
Den Unterschied von Umgangssprache oder „natürlicher Sprache“ und Sprache der Wissenschaft/Bildungssprache erläutern Kamlah und Lorenzen 1967: 23 ff.
 
18
Natürlich kann das „Begründen“ auch an anderen Praktiken des architektonischen Betriebs ansetzen.
 
19
Albrecht Wellmer spricht in seiner Kritik der modernen Architektur treffend von einer „kommunikativen Klärung der Zwecke“, die einzufordern sei, da Bauwerke keine „sich selbst genügenden Kunstwerke“ seien. In Wellmer 1985: 125.
 
20
Den Begriff „narrative Pragmatik“ habe ich in meiner Habilitationsschrift „Erfahrung und Begriff“ (Hahn 1994a) eingeführt. Vgl. auch das Abschn. 4.​2. in diesem Band.
 
21
Vgl. zum folgenden v. a. Kamlah 1972, Kambartel 1989 und Rentsch 1990.
 
22
„Arete, Kallos, Orthotes“ erweisen sich an einer Sache gerade darin, dass dem leiblichen Drängen und Bedürfen etwas entgegengebracht werden kann, das sich dann im Gebrauch zu bewähren hat. Nicht nur beiläufig spricht Platon in der Politeia von den Eigenschaften der Lebensgüter, denn er war durchaus davon überzeugt, dass die Polis den Zweck zu verfolgen hat, allen ihren Mitgliedern Nahrung, Wohnung und Kleidung zu garantieren. Damit in unmittelbarem Zusammenhang steht auch Platons Kulturentstehungslehre, in der er ebenfalls dem Wohnen und Bauen Priorität einräumt. In Platons Zivilisationstheorie stehen drei Téchnai im Mittelpunkt, insofern sie überhaupt das Mensch-Sein begründen: Herstellung von Kleidung, Anbau von Lebensmitteln, Hausbau (Wohnung). Darüber hinaus verweisen die drei Téchnai auf die Bedürftigkeit und den Mangel (Chreia) des Menschen. Vgl. Schneider 1989: 113.
 
23
Wilhelm Kamlah schreibt: „Daß sich der Drang des Menschen in der fortschreitenden Weiterführung mit Bildern besetzt, daß er sich mit dem Weltverstehen zugleich erst ausformt, so daß es schließlich den Drang gibt, im Flugzeug zu fliegen oder ins Kino zu gehen, dies alles ist doch nur dadurch verstehbar, daß der Drang des Menschen schon von Natur weltwärtig ist.“ Kamlah 1975: 128.
 
24
Zu Blochs Verständnis von „Vor-Schein“ und „Schein“ hat Hans Heinz Holz ausgeführt: „Schein ist mithin keine Negation zur Wahrheit, sondern einfach die Weise des Auf-uns-Zukommens von etwas. Was wir wahrnehmen, scheint so zu sein, wie wir es wahrnehmen. Die Prüfung erst zeigt, ob es tatsächlich so ist oder ob der Schein trügt.“ Hans Heinz Holz 1978: 276.
 
25
Wilhelm Kamlah schreibt: „Habe ich die unmittelbare Wirklichkeit erst einmal wegerklärt und alles Vernehmen von Wirklichkeit über die ‚sinnliche Wahrnehmung‘ hinaus in ‚subjektives Erleben‘ verkehrt, dann bin ich mit meinen ‚Stimmungen‘, nämlich der verdrängten Wirklichkeit selbst, nur um so hilfloser ausgeliefert.“ Kamlah 1949: 117.
 
26
Vgl. über das Beschreiben und Erzählen des sinnlich Angeschauten z. B. die Erzählung Die Kunde von den Bäumen von Wolfgang Hilbig, in der es u. a. heißt: „In der Asche erst, in die sich die Bäume zurückverwandelt haben, ist ihr Wesen, offenbar geworden. Und die haben immer, freilich ohne jeden Gegenstand, von diesem Wesen erzählt …“ Hilbig 2010: 272.
 
Metadata
Title
Widerfahrnisse und Erfahrungen
Author
Achim Hahn
Copyright Year
2022
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-36542-4_2