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02-03-2022 | Wirtschaftspolitik | Schwerpunkt | Article

Sanktionen werden Maschinenbau hart treffen

Author: Thomas Siebel

4:30 min reading time

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Bislang war der deutsch-russische Handel mit Maschinen, Brennstoffen und Metallen eng. Auch der ukrainische Markt war bedeutend. Industrieverbände unterstützen die Sanktionen und stellen sich auf Schwierigkeiten ein.

Infolge des Angriffs auf die Ukraine haben Deutschland, die EU und weitere westliche Staaten umfangreiche Sanktionen gegen Russland verhängt. Neben Maßnahmen gegen den russischen Finanzsektor handelt es sich dabei unter anderem um Exportbeschränkungen. Damit dürfen Unternehmen aus der EU keine sogenannten Dual-Use-Güter und -Technologien mehr nach Russland exportieren, also Produkte, die sich auch für militärische Zwecke nutzen lassen. Auch die Ausfuhr von Gütern und Technologien für die Raffination von Erdöl sowie für die Luft- und Raumfahrt ist untersagt. Davon betroffen sind auch Reparatur- oder Wartungsservices. Im Einzelnen umfassen die Ausfuhrverbote elektronische Erzeugnisse für die Signal- und Datenverarbeitung sowie Geräte für deren Herstellung und Testung, Computer- und Nachrichtentechnik, Sensoren und Lasertechnik, Navigationssysteme und Marinetechnik sowie Antriebe für Luft- und Raumfahrfahrzeuge.

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Open Access 01-02-2022 | Leitartikel

Sanktionspolitik gegen Russland

Die westlichen Länder wollen bei einer militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine, die Sanktionen verschärfen. Neben einer Erweiterung des bestehenden Instrumentariums stehen Finanzsanktionen sowie Restriktionen gegen die staatsnahe Industrie, vor allem die Öl- und Gasindustrie sowie Bergbauunternehmen, im Raum. Beide Optionen hätten massiven wirtschaftliche Folgen für alle Beteiligten.

Auch wenn sich die Auswirkungen der Sanktionen auf die deutsche Wirtschaft noch nicht umfassend abschätzen lassen, so dürfte doch insbesondere der Maschinenbau zu den stark betroffenen Sektoren zählen. Außerhalb der EU zählt Russland nach China, den USA und Großbritannien zu den wichtigsten Handelspartnern für die deutsche Wirtschaft. 2,3 % des deutschen Außenhandels wickelte Deutschland im Jahr 2021 nach Angaben des Statistischen Bundesamts mit Russland ab, mit China waren es 9,5 %, mit den USA 7,5 %. Dabei machten Maschinen im Wert von 5,8 Milliarden Euro den größten Teil der deutsche Exporte nach Russland aus, noch vor Kraftwagen und Kraftwagenteilen (4,4 Milliarden Euro) und chemischen Erzeugnissen (3,0 Milliarden Euro).

Russland wichtigster Lieferant von Nickel und Titan

Umgekehrt lieferte Russland 2021 neben großen Mengen an Erdöl und Erdgas auch wichtige Metalle im Wert von 4,5 Milliarden Euro nach Deutschland. Nach Daten der Deutschen Rohstoffagentur (Dera) aus dem Jahr 2019 – damals lag der Wert der aus Russland importierten Metalle bei 2,8 Milliarden Euro – gaben deutsche Unternehmen für Palladium und Kathodenkupfer jeweils circa 600 Millionen Euro und damit deutlich mehr als für jedes andere Metall aus russischer Produktion aus. Dennoch bezog Deutschland dabei weniger als ein Fünftel seiner Palladium- und Kupferimporte aus Russland.

Anders stellt sich die Situation für Nickel und Titan dar. Hier ist Russland laut Dera der mit Abstand wichtigste Lieferant für Deutschland. 44 % des in Deutschland importierten Nickels und 41 % der importierten Titanstangen, -profile und -drähte stammten 2019 aus Russland.

Ukraine starker Abnehmer deutscher Maschinen

Während Geschäfte mit russischen Unternehmen schwierig werden, bricht der Handel mit der Ukraine angesichts der russischen Invasion ein. Maschinen im Wert von fast 1,2 Milliarden Euro hat die deutsche Industrie nach vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamts im Jahr 2021 in die Ukraine exportiert.

Umgekehrt hat die Ukraine beispielsweise elektrotechnische Erzeugnisse im Wert von über 600 Millionen Euro und Eisen und Stahl im Wert von 231 Millionen Euro nach Deutschland geliefert. Entsprechend verbittert zeigt man sich beim Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). Die Perspektiven einer Entwicklung des ukrainischen Marktes, dem zweitgrößten Markt der GUS-Region, sei von heute auf morgen komplett zerstört worden. Die Zukunft dieses Markts sei völlig offen.

Exporte von mehreren hundert Millionen Euro betroffen

Trotz der Verflechtung von deutscher und russischer Industrie unterstützen Vertreter deutscher Industrie- und Wirtschaftsverbände in ersten Stellungnahmen die Sanktionen, auch wenn sie den Maschinenbau nach Einschätzung des VDMA hart treffen werden. Dennoch hält es Geschäftsführer Thilo Brodtmann für richtig, die Aggressionen gegen die Ukraine hart zu sanktionieren. Die Sanktionsbedingungen und deren Auswirkungen müssten zwar noch im Detail analysiert werden, die beschlossenen Lieferverbote beträfen jedoch Exporte im Wert von mehreren hundert Millionen Euro. Dabei erfassten sie weite Teile des europäischen Maschinen- und Anlagenbaus.

Neben den Sanktionen trieben Maschinenbauunternehmen derzeit Finanzierungsabsicherungen, Vertragsabwicklungen und -auflösung, Force Majore, Versicherungen und Reisesicherheit um, wie der VDMA in einer weiteren Stellungnahme schreibt. Künftig müsse das Russlandgeschäft unter den aktuellen Bedingungen neu gedacht werden. Mit Blick auf die Importe ergänzt Brodtmann, dass Technologie- und Investitionsgüter aus russischer Herstellung nur eine untergeordnete Rolle spielten.

Größere Engpässe für kritische Rohstoffe absehbar

Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und die IG-Metall unterstützen die Sanktionsmaßnahmen, auch wenn sie zu Nachteilen für Deutschland, seine Unternehmen und Beschäftigten führten, die gemeinsam mit der Politik so weit wie möglich abgefedert werden müssten. Wirtschaftlicher Erfolg sei nur auf der Grundlage von Frieden, Freiheit und Demokratie erreichbar. Die Verbände seien bereit, ihren Beitrag hierfür zu leisten. BDI-Präsident Siegfried Russwurm zufolge nehmen Lieferengpässe bei Rohstoffen und Zwischengütern aktuell deutlich zu. Größere Engpässe für kritische Rohstoffe seien absehbar, was insbesondere den Bereich der Elektromobilität betreffe.

Unterstützung für die Sanktionen kommt auch vom Deutschen Industrie und Handelskammertag (DIHK): "Wir unterstützen alle Entscheidungen und Maßnahmen der Bundesregierung und der internationalen Gemeinschaft, um diesen Krieg so schnell wie möglich zu beenden", so der Vorsitzende des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft beim DIHK, Oliver Hermes.

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