Auch wenn es inzwischen nicht mehr nur die Metropolen sind, in denen Wohnraum knapp ist, gibt es gerade im innerstädtischen Bereich noch Baupotenziale, die ohne neues Bauland erschlossen werden könnten.
Durch die intelligente und konsequente Nutzung innerstädtischer Baupotenziale könnten bis zu 2,7 Millionen neue Wohnungen entstehen.
Christoph Berger
Nach Auswertung von Gebäuden und Fehlflächen sowie der Analyse von Luftbildern kommen die TU Darmstadt und das Pestel-Institut in ihrer "Deutschland-Studie 2019" zu dem Ergebnis, dass in Deutschland 2,3 bis 2,7 Millionen neue Wohnungen entstehen könnten, ohne dass dafür teures Bauland erforderlich ist. Dazu müssten allerdings die innerstädtischen Baupotenziale intelligent und konsequent genutzt werden.
In den Fokus ihrer Untersuchungen stellten die Wissenschaftler unter anderem Nicht-Wohngebäude – Büro- und Geschäftshäuser, eingeschossige Discounter oder auch öffentliche Verwaltungsgebäude. In diesen Segmenten würde sich durch Nachverdichtung wie Aufstocken, Umnutzung und Bebauung von Fehlflächen ein enormes Potenzial für zusätzlichen Wohnraum bieten, erklärt Prof. Karsten Tichelmann von der TU Darmstadt. Auch auf Flächen innerstädtische Parkhäuser, von vorhandenen Tankstellen- und Parkplatzflächen würden durch die sich verändernde Mobilität künftig weitere Möglichkeiten entstehen, ist der Wissenschaftler überzeugt.
Büro- und Wohnhäuser, Verwaltungsgebäude, Discounter und Parkhäuser
So ließen sich schon alleine durch Dachaufstocken von Bürokomplexen und Verwaltungsgebäuden bundesweit 560.000 Wohneinheiten schaffen. Durch Dachaufstockungen von Wohngebäuden kämen nochmals 1,1 bis 1,5 Millionen Wohneinheiten dazu. Wo früher einmal Büros und Behörden untergebracht waren, bestünde durch leerstehende Gebäude das Potenzial für 350.000 Wohnungen. Und auf den innerstädtischen Flächen der zwanzig größten Lebensmittelmarkt- und Discounterketten könnten rund 400.000 Wohnungen entstehen – und dies, ohne dabei Abstriche bei den Verkaufsflächen oder Parkmöglichkeiten zu machen. Würde dann noch bei City-Parkhäusern das oberste Parkdeck aufgestockt, geht die Studie von mindestens 20.000 zusätzlichen Wohneinheiten bundesweit aus.
Da deutschlandweit über eine Millionen Wohnungen fehlen, sei es nach Ansicht der Wissenschaftler notwendig, die in ihrer Studie aufgeführten Wohnungsbau-Reserven zu nutzen. Der Rahmen dazu müsste von der Politik durch Weiterentwicklungen im Bau- und Planungsrecht und finanzielle Anreize gesetzt werden.
Nachverdichtung in Städten
Dass sich bereits Ansätze einer Nachverdichtung beobachten lassen, davon schreibt Christa Reicher in der "Einleitung" des Springer-Fachbuchs "Grundlagen, Bausteine und Aufgaben des Städtebaus": "Die Innenentwicklung der Städte hat nicht nur deutlich an Fahrt gewonnen. Vielmehr lässt sich im Zuge einer Renaissance der Innenstädte und eines Attraktivitätsgewinns größerer Kernstädte eine intensive bauliche Nachverdichtung beobachten. Dieses gilt nicht nur für die Großstädte, sondern auch für viele kleinere Städte in unterschiedlichen Lagen."
Und im Kapitel "Bauen im Bestand" des Springer-Fachbuchs "Wendehorst Bautechnische Zahlentafeln" wird darauf hingewiesen, dass nicht überall, wo zu Beginn Potenzial gesehen wird auch tatsächlich eines ist: "Bei Aufstockungen ist zu überprüfen, ob die nach den aktuellen Technischen Baubestimmungen anzusetzenden zusätzlichen Belastungen (z. B. Eigengewicht, Schnee, Wind, Erdbeben) sicher abgetragen werden können. Die Standsicherheit der unveränderten Teile der baulichen Anlage muss auch unter dieser Zusatzbelastung nach dem ursprünglichen Regelwerk nachweisbar sein. Werden in den unteren Geschossen infolge der Aufstockung wesentliche bauliche Änderungen erforderlich, so ist das gesamte Gebäude wie ein Neubau zu behandeln." Darüber hinaus sei bei Aufstockungen beispielsweise zu prüfen, ob hierdurch Einwirkungen auf benachbarte Bauwerke beeinflusst werden.