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14-11-2019 | Zahlungsverkehr | Interview | Article

"Bezahlvorgänge zwischen Maschinen haben hohes Potenzial"

Author: François Baumgartner

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Interviewees:
Michael Spitz

ist CEO von Main Incubator, der F&E-Tochter der Commerzbank. 

Helge Michael

ist Projektmanager Blockchain bei Main Incubator, der F&E-Tochter der Commerzbank. 

Dr. Helge Königs

ist Projektleiter Truck Wallet bei Daimler Trucks.

Die Abwicklung von Bezahltransaktionen zwischen Autos oder Maschinen ist ein Bereich, der rasant an Relevanz gewinnt. Welche Lösung die Commerzbank und Daimler Trucks entwickelt haben, erläutern die Projektbeteiligten Michael Spitz, Helge Michael und Helge Königs.

springerprofessional.de: Wie funktioniert Machine-to-Machine-Payment und welche Potenziale sehen Sie für diese Technologien?

Michael Spitz: Bei einem Machine-to-Machine-Bezahlvorgang (M2M) führen Maschinen automatisiert Zahlungstransaktionen auf Basis vordefinierter Regeln aus, ohne dass der Mensch in die eigentliche Transaktion eingreift. Diese vordefinierten Regeln können bis hin zu völlig autonomen Entscheidungen von Maschinen reichen. Aus regulatorischer Sicht ist hierbei wichtig, dass jede Maschine eine eindeutige Identität besitzt, die letztlich einer natürlichen oder juristischen Person zugeordnet werden kann.

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"Wir sind ein Technologiekonzern", mit dieser Aussage positioniert sich Lloyd Blankfein deutlich und deutet damit schon im Jahr 2015 die Richtung an, in die sich die Finanzdienstleistungsindustrie zukünftig entwickeln wird. Technische Innovationen, angefangen von der Entwicklung des Internets, über das Smartphone, bis hin zu immer umfangreicheren Möglichkeiten in der Datenverarbeitung sowie künstlicher Intelligenz setzen den traditionell geprägten Bankensektor stetigem Wandlungsdruck aus. 

Helge Michael: Im Jahr 2025 wird es schätzungsweise 70 Milliarden vernetzte Dinge geben. Im Vergleich dazu wird es nur acht Milliarden Menschen geben. Die Transaktionsvolumen, die Maschinen miteinander autonom ausführen, könnten das Transaktionsvolumen, welches zwischen Menschen ausgeführt wird, deutlich überschreiten. Bisher gibt es jedoch noch keine Zahlungsmethode, die speziell für Maschinen und deren Transaktionsvorgänge geeignet ist. Daraus ergibt sich ein hohes Potential und diverse Möglichkeiten für Finanzinstitute – sowohl im Bereich Payments als auch im Bereich Identitätsverwaltung. Die ersten Experten sprechen schon von der Maschine als Kunde.

Helge Königs: Die zunehmende Vernetzung der Fahrzeuge und die Digitalisierung der Logistikprozesse werden zu einer wachsenden Nachfrage nach automatisierten Zahlungsprozessen führen. Automatisierte Zahlungen zwischen Wallets beziehungsweise Maschinen stellen bislang eine entscheidende Lücke im derzeitigen System dar. Wird die Logistik automatisiert, die Zahlungen werden jedoch konventionell abgewickelt, haben wir einen großen Mismatch zwischen Logistik und kommerziellen Prozessen. Und gerade da setzen wir an.

Weshalb handelt es sich hier um Internet-of-Things-Ansätze (IoT) und wie werden die Algorithmen programmiert und getestet?

Helge Königs: Das Fahrzeug wird mit einer elektronischen Identität ausgestattet und kann sich im programmierten Umfang eindeutig gegenüber anderen Maschinen oder den ihnen übergeordneten Systemen ausweisen und entsprechende Aktionen in diesem Rahmen ausführen. Eindeutigkeit und Fälschungssicherheit der elektronischen Identitäten von Maschinen haben absolute Priorität. Daher basiert die Technologie auf modernsten kryptografischen Verfahren. Neben den programmierten Umfängen spielen auch einfache mechanische Aspekte eine Rolle: Ist die elektronische Identität integrierter Bestandteil der bestehenden Fahrzeugarchitektur oder handelt es sich um eine weitere Box, die zusätzlich im Fahrzeug installiert werden muss? Letzteres ist natürlich eindeutig zu vermeiden, da Fahrzeug und elektronische Identität lediglich eine willkürliche Einheit bilden.

M2M und Mobile Payment liegen voll im Trend. Auf welchen bestehenden und neuen Märkten könnten diese neuen Bezahlverfahren zum Einsatz kommen?

Helge Michael: Im Bereich M2M lauten die meist genannten Schlagwörter Industrie 4.0 und Smart Cities. Dinge werden schon heutzutage mit immer mehr Sensoren ausgestattet. Sei es ein GPS Sensor im Auto, ein Bewegungssensor im Gebäude oder ein Verbrauchssensor an einer Maschine. Blockchain-basierte Zahlungssysteme bieten die Möglichkeit Zahlungen direkt mit dem Output von Sensoren zu koppeln. Des Weiteren wird es zukünftig möglich sein, Mikrotransaktionen von wenigen Cents durchzuführen. Derzeit ist Geld eine Bestandsgröße, ein Verbrauch wird zunächst gemessen und im Anschluss bezahlt. In Blockchain-basierten Systemen kann Geld zur Stromgröße werden, will heißen: während des gesamten Verbrauchsprozesses wird bezahlt. Dies ermöglicht vollkommen neue Opportunitäten.

Helge Königs: Überträgt man diese Gedanken auf das Fahrzeug und dessen Rolle in klassischen Logistikprozessen, so lassen sich verschiedene Anknüpfungspunkte finden. Über Sensoren und Geodaten können Abholung und Lieferung von Waren eindeutig verfolgt und zugeordnet werden. Die automatisierte Bezahlung der Fracht in die Wallet des Fahrzeugs, das die Frachtleistung erbracht hat, ist naheliegend. Die Konditionen hierfür lassen sich durch Smart Contracts eindeutig definieren. Dies ist ein großer Vorteil von Blockchain-basierten Systemen. Geld als Stromgröße und die damit zusammenhängende Möglichkeit von Mikrotransaktionen eröffnen Möglichkeiten bei klassischen Tank- oder Ladevorgängen, sorgen aber auch für viel Phantasie in allen Geschäftsmodellen, die auf die zeit- oder distanzbasierte Nutzung von Maschinen und Infrastruktur aufbauen.

Gibt es weitere Wachstumsfelder?

Helge Michael: Im Bereich der Mobile Payments erleben wir schon heute die Integration von Blockchain Wallets in mobile Browser. Auch hier haben Mirkrotransaktionen aus meiner Sicht das größte Potential. Derzeit ist der Zugang zu exklusivem Content bei Zeitschriften im Internet meist hinter Paywalls versteckt. Der Grund: Es fehlen geeignete Zahlungsmethoden um Beträge unter 20 Cent effizient abzuwickeln. Mit Blockchain ändert sich dies. Auf einmal bin ich als Medienkonzern in der Lage einzelne Artikel für weniger als 20 Cent zu verkaufen. Die Bezahlung erfolgt direkt aus der Wallet im Browser. Für Medienkonzerne ergeben sich infolgedessen vollkommen neue Möglichkeiten der Monetarisierung.

Die Commerzbank hat mit ihrer R&D-Einheit Main Incubator und in Kooperation mit Daimler Trucks eine Blockchain-basierte Zahlungsverkehrslösung für direkte Zahlungen entwickelt. Wie kam es eigentlich zu dieser Kooperation und warum sind Sie so vorgegangen?

Michael Spitz: Schon vor diesem gemeinsamen Entwicklungsprojekt haben wir uns regelmäßig mit dem Projektteam von Daimler Trucks zu den neuesten Entwicklungen im Bereich Blockchain ausgetauscht. Anfang dieses Jahres haben wir dann erstmals im Main Incubator echte Euro auf die Blockchain gebracht, um diesen zur Abwicklung einer Wertpapiertransaktion mit Continental und Siemens zu nutzen. Kurz darauf haben wir uns mit Daimler Trucks zusammengetan, um eine gemeinsame Bezahlmethode für Trucks innerhalb eines größeren Blockchain-Projektes zu entwickeln. Nach Klärung der Machbarkeit mit der Commerzbank, haben wir uns schnell dazu entschieden, die gemeinsame Entwicklung zu starten.

Helge Königs: Bei all dem medialen Hype zu Blockchain-Technologien ist die seriöse Szene im Bereich Distributed-Ledger-Technologien überschaubar. Wir setzen uns seit einiger Zeit mit den Möglichkeiten dieser Technologien auseinander. Mit dem main incubator sind wir bereits seit Längerem in engem Austausch. Uns war es wichtig, eine Bezahlmethode zwischen Maschinen zu entwickeln, die grundsätzlich skalierbar und in finanztechnischem Sinn gesetzeskonform ist. Hierüber haben wir lange mit den Kollegen des main incubators diskutiert, um dann das nun umgesetzte Konzept anzugehen.

Durch M2M-Payment kann zum Beispiel die Bezahlung eines Ladevorgangs an einer Ladesäule vollständig automatisiert werden. Warum aber die Blockchain und wie darf man sich diesen digitalen Bezahlvorgang genau vorstellen?

Michael Spitz: Um Zahlungen zwischen Maschinen zu ermöglichen, muss die Zahlungsmethode bestimmte Kriterien erfüllen. Die Zahlung muss insbesondere real time beziehungsweise sofort erfolgen und unwiderruflich sein. Darüber hinaus muss eine Maschine, die einer anderen Maschine einen Service anbietet, sicher sein, dass diese dafür auch bezahlt wird. Die Zahlung muss also so vorprogrammiert sein, das heißt bei Eintritt gewisser Voraussetzungen verlässlich ausgeführt werden. Man spricht infolgedessen auch gern von 'programmierbarem Geld'. Und zu guter Letzt führen Maschinen zukünftig sehr viele kleine, sogenannte Mikrotransaktionen aus. Die Kosten pro Transaktion müssen daher möglichst gering sein und ohne einen Intermediär ausgeführt werden, der Kosten verursacht. All dies ist mit der Blockchain-Technologie grundsätzlich möglich. Des Weiteren bietet unser Ansatz, Euro als E-Geld auf Blockchain zu emittieren, den Vorteil, dass wir eine echte Währung für die Bezahlvorgänge nutzen, also insbesondere die Wertstabilität des Euro auf die Blockchain-Technologie transferieren.

Welche Vorteile und Chancen ergeben sich aus dieser Payment-Lösung noch?

Helge Michael: Der Einsatz unserer Blockchain-basierten Zahlungslösung eignet sich vor allem immer dann, wenn Prozesse automatisiert werden sollen. Geld wird mit unserer Lösung auf einmal programmierbar. Damit meine ich: Regeln, unter welchen Bedingungen eine Zahlung veranlasst wird, können definiert werden. Diese Regeln sind für alle transparent und Zahlungsempfänger können sich darauf verlassen, dass sofern eine Bedingung erfüllt wurde, garantiert eine Zahlung ausgelöst wird. Dies bietet fantastische Möglichkeiten und ist zudem sehr günstig, da Intermediäre wie beispielsweise Treuhänder ausgeschaltet werden.

Michael Spitz: Viele traditionelle Bezahlvorgänge gehen zudem mit einer zeitlichen Friktion einher, also die Bezahlung einer Ware erfolgt meist erst vor oder nach dessen Erhalt oder umgekehrt. Dies kann zu einem potentiellen Ausfallrisiko führen. Blockchain-basierte Zahlungstransaktionen können jedoch direkt mit dem Realgeschäft gekoppelt werden. Durch die zeitliche Koppelung von Realgeschäft und Zahlungstransaktion kann das Ausfallrisiko deutlich minimiert wird.

Nennen Sie uns bitte ebenso die Nachteile und Gefahren, die bei dieser M2M Lösung im Vorfeld beachtet werden mussten?

Michael Spitz: Aktuell ist die Blockchain-Technologie nicht so weit, um die Anforderungen im M2M-Payment-Bereich vollumfänglich zu erfüllen. Das liegt daran, dass bereits bestehende Hardware-Kapazitäten von Maschinen die Anforderungen Blockchain-basierter Bezahlvorgänge nicht erfüllen oder noch nicht ausgereift genug sind, um Mikrotransaktionen sinnvoll zu ermöglichen. Verschiedene Initiativen haben sich aber bereits dieser Problematik angenommen und erarbeiten Lösungen.

Helge Königs: Der technologische Reifegrad von Distributed-Ledger-Technologien ist ein wichtiger Aspekt. Häufig stößt man auf Verwunderung, dass es nur wenige kommerzielle Nutzungen von Blockchain-Technologien gibt. Dabei wird gerne übersehen, dass wir technologisch am Anfang dieser Entwicklungen stehen. Dies wird bereits deutlich, wenn man sich die Release-Zyklen der entsprechenden Software anschaut. Insofern geht es aktuell darum, Konzepte auszuprobieren und zu lernen. Erst mit diesen Erfahrungen ist es möglich, Anforderungen an Distributed-Ledger-Technologien zu formulieren und aktiv die Weiterentwicklung der Software zur optimalen Nutzung in konkreten Bedarfsfällen mitzugestalten.

Sind die regulatorischen Rahmenbedingungen also ausreichend oder wo müsste der Gesetzgeber noch nachjustieren?

Helge Michael: Das rechtliche Konstrukt für unsere Lösung haben wir zusammen mit der international agierenden Rechtsanwaltskanzlei Linklaters erarbeitet. In unserer Lösung geben wir rechtlich E-Geld aus. Die Ausgabe von E-Geld ist in Deutschland im Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz geregelt und konnte in unserer Lösung vollständig umgesetzt werden. Auch die Blockchain-Strategie der Bundesregierung verweist bei Stablecoins auf die bestehenden Regelungen zum E-Geld. Unschärfen sehen wir noch im Bereich der harten Kundenidentifizierung, die seit der europaweiten Einführung der Zahlungsdiensterichtlinie PSD2 am 14. September 2019 gilt. Diese Regelungen wurden im Hinblick auf die Authentifizierung einer natürlichen Person gemacht, nicht aber für automatisierte Transaktionen von Maschinen. Aus unserer Sicht bestehen hier durchaus noch Unschärfen.

Helge Königs: Vergrößert man die Bildfläche stellen sich eine Menge Fragen, die rechtlich von großer Bedeutung und nicht eindeutig geklärt sind. Können Maschinen rechtlich verbindlich Verträge miteinander eingehen? Wie gestalten sich Haftungsfragen bei solchen Geschäften? Wie verhält es sich bei zunehmender Autonomie von Maschinen, die im Kern durch Handlungen beschrieben sein wird, die auf eigenen Schlussfolgerungen von Maschinen beruhen? Hier gibt es eine Vielzahl an ungeklärten Themenfeldern, deren Klärung den Akteuren Sicherheit geben könnte. Die aktuelle Unsicherheit ist nicht innovationsfördernd.

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