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17-06-2020 | Zahlungsverkehr | Interview | Article

"Die Blockchain im Payment wird sich etablieren"

Author: Angelika Breinich-Schilly

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Interviewee:
Michael Seifert

ist seit 2016 Geschäftsführer der Netcetera GmbH und verantwortet die geographische Expansion außerhalb der Schweiz.

Im Zuge von Corona verzichten immer mehr Menschen auf Bargeldzahlung an der Ladenkasse. Das treibt die technischen Veränderungen im Zahlungsverkehr schnell voran. Künstlicher Intelligenz und Tokenisierung gehören die Zukunft, glaubt Payment-Experte Michael Seifert.

springerprofessional.de: Aufgrund der Corona-Krise erleben Kartenzahlungen im Handel zulasten von Bargeld einen kräftigen Aufschwung. Zahlungsexperten gehen davon aus, dass kontaktlose Bezahlverfahren, Giro- und Kreditkarten sowie mobiles Zahlen per Smartphone sich auch dann weiter beschleunigen, wenn die Maßnahmen weiter gelockert werden. Wie beurteilen Sie die kurz- und mittelfristigen Aussichten?

Michael Seifert: Wenn man der Corona-Krise etwas Positives abgewinnen möchte, dann die Erkenntnis, bei Handel und Banken den Zahlungsverkehr mittels kontaktloser oder mobiler Technologie abwickeln und beim Kunden durchsetzen zu können. Hier spielt es keine Rolle, dass die Hygiene das Hauptargument war. Am Ende wird der rasche, bequeme und vor allem, basierend auf App-Technologie, transparente Vorgang überzeugen und sich mittel- bis langfristig flächendeckend durchsetzen. Da ich selbst seit vielen Jahren die Einführung neuer Technologien im Zahlungsverkehr begleite und sonst die Zyklen durch Vorsicht und politisches Handeln in die Länge gezogen werden, empfinde ich die derzeitige Dynamik als erfrischend. Wer hätte sich träumen lassen, Schilder vor den Kassen mit der Aufschrift "Nur Kartenzahlung" zu sehen. Die Schilder "Kartenzahlung erst ab 20 Euro" sind hoffentlich nicht nur im Keller verschwunden, sondern auf dem Wertstoffhof gelandet.

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01-12-2019 | IT

Kontaktloses Bezahlen ist heiß umkämpft

Komfort und Sicherheit sind an der Kasse im stationären Handel besonders wichtig. Immer mehr Verbraucher bevorzugen kontaktlose Verfahren via Near Field Communication (NFC). Auch das Smartphone wird gerne statt der Geldbörse gezückt.

Was bedeutet diese Prognose für die Strategien klassischer Finanzdienstleister, Fintechs und sogenannter Neobanken ein? Können Sie das an konkreten Beispielen festmachen?

Ich beobachte mit großer Aufmerksamkeit die Fintechs und Neobanken. Die neuen Player haben die alten schon vorgeführt. Die 'neue Lage' jedoch könnte vieles wieder zu Gunsten der klassischen Finanzdienstleister bewegen. Bestechen doch die Neobanken neue Kunden mit intelligenten App-Technologien und einem bequemeren Onboarding. Dies alles sind vielfach technische Bestandteile, die mit dem richtigen Partner und dem richtigen Mindset rasch aufholbar sind. Was die klassischen Finanzdienstleister allerdings versäumt haben, ist der Aufbau einer Marke und hier könnten die notwendigen Marketingmaßnahmen und die Trägheit der Branche den Neobanken wieder in die Karten spielen. Die Challenger-Banken haben sich bereits etabliert. Dieser 'Virus' verschwindet nicht mehr. Lediglich agile Direktbanken in einem größeren Verbund, analog der DKB, können hier mit dem Tempo mithalten.

Worauf muss sich der stationäre Einzelhandel und digitale Online-Händler künftig einstellen?

Kontaktlos – Mobil – Digitalisiert – Tokenisierung: Die Themen werden komplexer. Anspruchsvolle Technologien, notwendige Zertifizierungen und Abnahmen, technisch hohe Verfügbarkeiten, Pflege und Wartung der Systeme auf Basis zweier sich dynamisch verändernden Plattformen - iOS und Android - stellen große Herausforderungen dar. Dem Produktmanagement auf Seiten der Kunden und die Wahl des richtigen Partners kommt hier eine immer größere Bedeutung zu. Der, der es versteht diese Komplexität mit Einfachheit als Gesamtlösung zu vermitteln, der macht den Punkt.

Welche Technologien haben hier die Nase vorn und wie baut die Branche ihre IT möglichst budgetschonend im Sinne der neuen Anforderungen um?

Der Tokenisierung und der Künstlichen Intelligenz (KI) gehören ganz klar die Zukunft. Geht es doch am Ende vor allem um die eindeutige Identifizierung beziehungsweise Authentisierung des Kunden, die dann den Zugang zu den weiter gesicherten Technologien ermöglicht. Die Standards sind zum Glück geschaffen und Investitionssicherheit besteht. 

Was heißt das konkret?

Die Zahlungsverkehrskarte, die zukünftig auch im E-Commerce eine Debitkarte mit internationalem Brand sein kann, wird zu jeder Zeit, an jedem Ort und in jedem Endgerät tokenisiert werden können. KI-Lösungen überprüfen die Systeme im Hintergrund und machen sie sicherer und zugleich leichter nutzbar. Vielleicht denkt die eine oder andere Bank auch über eine generelle Authentisierung nach. Dem Bereich IAM (Identity Access Management) käme demnach große Bedeutung zu. Die Veränderungen sind spürbar, auch wenn im Sinne einer Flächendeckung noch Zeit benötigt wird. Am Ende wird aus frictionless doch seemless Payment und mit etwas Geduld und Vision dann sogar invisible Payment.

Die deutsche Finanzbranche gilt nicht unbedingt als großer Vorreiter im internationalen Vergleich. Welche Entwicklungen sehen Sie beispielsweise im europäischen Ausland, in Asien oder den USA? Hilft das hiesigen Banken vielleicht, aus Fehlern zu lernen?

Die USA werden gerne als Vorreiter dargestellt, aber bei genauerer Betrachtung liegt die Nutzung und der Einsatz der modernen Möglichkeiten prozentual weit hinter Europa. In einem Land, in dem zur Hilfe und Unterstützung wegen Corona, Geld mit gedruckten Schecks des Präsidenten verteilt werden, besteht Nachholbedarf. Der Sieger heißt Asien. Hier hat sich das Nutzerverhalten völlig verändert und das Smartphone bestimmt alles. Man hat Komplexität übersprungen durch den Einsatz von QR-Codes und die Plattformen haben für die Durchsetzung und Verbreitung gesorgt. 

Und Europa...

Wenn Sie mich nach Europa fragen: Wir haben vieles richtig gemacht, uns aber zeitlich unterschiedlich entwickelt und es wird immer domestische Lösungen und Ausprägungen geben, die dennoch über die Standards bedient werden. Wir haben jedoch die besten und sichersten technischen Lösungen, die auch dem Schutz der Daten gerecht werden und durch die aktuellen Veränderungen die Argumente diese auch durchzusetzen.

Spielen bei all diesen Entwicklungen und Prozessen auch Technologien wie Blockchain eine Rolle oder ist das im Payment-Bereich eher Zukunftsmusik?

Die Blockchain wird sich etablieren. Die Technologie hat in einigen Bereichen ihre Berechtigung. Bislang gibt es im reinen Payment über den Bereich Kryptowährung hinaus noch keinen griffigen Ansatz. Für den Abschluss verbindlicher Verträge im weiteren Sinne bei Bankanwendungen jedoch schon.

Werden die Deutschen auf lange Sicht auf Bargeld völlig verzichten können und wollen?

Es gibt schon Versuche darüber, wie lange man ohne Bargeld überlebt. In Deutschland ist vieles bargeldlos möglich. Ohne Bargeld aus dem Haus zu gehen, würde ich dennoch heute noch nicht empfehlen, da es zu Einschränkungen beim Einkauf führen könnte. In Dänemark sieht dieses Szenario anders aus. Bei uns sind wir vielleicht in fünf bis zehn Jahren auf gleichem Niveau. Bargeld bedeutet immer noch gedruckte Freiheit und bietet eine Anonymität, die man nicht zu 100 Prozent aufgeben möchte.

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