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19-10-2020 | Zahlungsverkehr | Schwerpunkt | Article

Unternehmen wollen einfache Zahlung an der Ladesäule

Author: Angelika Breinich-Schilly

5:30 min reading time

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Das Bundesverkehrsministerium forciert ein europaweites einheitliches Bezahlsystem fürs Stromladen. Die unterschiedliche Preis- und Abrechnungsgestaltung ist für viele Unternehmen eine Herausforderung. Welche Ansätze sind sinnvoll?

"Allein mit der Elektrifizierung des Verkehrs können wir Millionen Tonnen an CO₂ einsparen. Zwingende Voraussetzung hierfür ist ein gut ausgebautes und grenzüberschreitendes Ladenetz in Europa, das unkompliziertes und schnelles Nachladen garantiert. Neben dem Netzaufbau haben wir insbesondere in puncto Kundenfreundlichkeit noch einiges vor: Wir wollen ein europaweit einheitliches Bezahlsystem fürs Stromladen und Wasserstofftanken", sagte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer Anfang September anlässlich der Konferenz "Turning the page: the next chapter for electric road transport". 

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Ladeinfrastruktur in Deutschland mit rund 300 Tarifen

"Wir begrüßen diesen europaweiten Ansatz unseres Verkehrsministers. Schön wäre es aber im ersten Schritt, wenn das hier in Deutschland schon mal funktionieren würde", kritisierte Axel Schäfer, Geschäftsführer des Bundesverbandes Fuhrparkmanagement (BVF), den Vorstoß des Ministers. Er erwarte, dass Deutschland hier die Vorreiterrolle einnehme.

In Deutschland gebe es derzeit knapp 300 Tarife für Autostrom. Konkret bedeute das, dass Fahrer von Elektrofahrzeugen eine Vielzahl von Identifizierungs- und Zahlungsmittel benötigen, sofern sie das Geschäftsgebiet des regionalen Anbieters verlassen. Das mache die Ladeinfrastruktur unübersichtlich, führe zu kaum planbaren Kosten und einem hohen Buchungs- und Betreuungsaufwand bei der Abrechnung unterschiedlicher Tankpunkte in verschiedenen Regionen, betonte Schäfer bereits in einer BVF-Stellungnahme vom Juli 2020.

"Das komplizierte Abrechnungsverfahren an Ladestationen stellt ein zentrales Problem dar", erklären auch Alexander Goudz und Melisa Jasarevic im Buchkapitel "Blockchain als Treiber der Energiewende" (Seite 18). "Besitzer von Elektroautos müssen sich in unterschiedlichen Tarifstrukturen und Anbieterportalen zurechtfinden. Hinzu kommt, dass mittlerweile jeder Anbieter seine eigene App besitzt. Eine weitere Problematik stellen gesonderte Abrechnungsverfahren dar: für die Ladung pro Stunde, pro kWh oder pauschal."

Komplexe Vertragsbeziehungen an der Ladesäule

Mit der Problematik der "Preisgestaltung und Abrechnung an der Ladesäule" befassen sich auch Marcel Linnemann und Christoph Nagel. Die Springer-Autoren schreiben auf Seite 57: 

Eine flächendeckende Versorgung mit Ladesäulen ist im Ausbauplan der öffentlich zugänglichen Ladeinfrastruktur nur zu erreichen, wenn die Ladesäulennutzer höhere Strompreise an der Ladesäule als für Haushaltsstrom akzeptieren. Besonders Schnellladen stellt eine höherwertigere Dienstleistung dar und ist mit zusätzlichen Investitionskosten verbunden. Schnellladen ist eine am Kundennutzen ausgerichtete Premium-Dienstleistung, deren Preisgestaltung nicht nur die Energie, sondern auch die in der Anfangsphase hohe Investition für Ladesäulen und Installation sowie Netzverstärkungs- oder Ausbaumaßnahmen berücksichtigt."

Die Komplexität der Verhältnisse und Vertragsbeziehungen rund um die Ladesäule macht ein Schaubild der Autoren klar: 

Vergütungs- und Abrechnungsmodelle 

"Je nach Ladesäulenbetreiber ist der Einsatz eines unterschiedlichen Vergütungsmodells theoretisch möglich. Derzeit existieren sechs unterschiedliche Abrechnungsvarianten", erläutern Linnemann und Nagel:

  • Kostenlos: Aufgrund der mangelnden Nutzung von Ladesäulen und den hohen Kosten für den Aufbau eines Abrechnungssystems bieten viele Ladesäulenbetreiber eine kostenlose Nutzung an.
  • Flatrate: Der Ladesäulennutzer kann für die Zahlung eines Entgelts innerhalb eines fest definierten Zeitraums die Ladesäule uneingeschränkt nutzen.
  • Zeitbasiert: Solange das E-Fahrzeug mit der Ladesäule verbunden ist, wird vom Ladesäulenbetreiber ein Entgelt erhoben. Die Kosten sind dabei unabhängig von der bezogenen Energiemenge. Der Ladestatus des Fahrzeugs ist ebenfalls irrelevant.
  • Verbrauchsbasiert: Die Abrechnung erfolgt auf Basis der bezogenen Energiemenge.
  • Pauschal: Im Rahmen einer pauschalen Abrechnung wird für die Nutzung des Ladepunktes ein einmaliger, fester Betrag pro Ladevorgang erhoben, unabhängig von der Dauer des Ladevorgangs und der entnommenen Energiemenge.
  • Mischkalkulation: Eine Mischkalkulation stellt eine unterschiedliche Kombination der dargestellten Abrechnungsvarianten dar. Beispielsweise kann für einen Ladevorgang eine Startgebühr in Form einer Pauschale erhoben werden sowie ein fester Preis pro kWh und/oder eine feste Nutzungsgebühr pro Minute nach der Dauer des Ladevorgangs.

Shops und Restaurants bieten Ladesäule oft als kostenlosen Service

Allerdings liege der an einer Ladesäule abzurechnende Betrag regelmäßig im niedrigen Eurobereich, meint Springer-Autor Julian Weber im Buchkapitel "Technologische Trends" (Seite 67). "Der Aufwand für eine Abrechnung einzelner Ladevorgänge etwa über Kreditkarte wie an Pay-at-the-Pump-Zapfsäulen steht dazu in keinem Verhältnis." 

Der im Vergleich zum Umsatzbetrag hohe Abrechnungsaufwand führe dazu, dass sich Geschäfte, Banken oder Restaurants häufig für die Variante der kostenfreien Nutzung ihrer Ladesäulen entscheiden, um sich damit den Aufwand für die Abrechnung zu sparen. Die anfallenden Stromkosten werden dann als Ausgaben zur Kundenbindung behandelt.

"Plug & Charge"-Verfahren als Lösungsweg

Martin Doppelbauer stellt im Buchkapitel "Ladesysteme" das "Plug & Charge"-Verfahren als Lösungsweg vor. "Das Fahrzeug kann einfach in eine Ladesäule eingesteckt werden. Die Authentifzierung und die folgende Freischaltung erfolgen automatisch, ohne dass eine Ladekarte des jeweiligen Ladesäulenbetreibers vorhanden sein muss", so der Autor auf Seite 301. 

Dadurch entfalle der oft recht komplizierte Freischaltvorgang durch den Anwender. Die Abrechnung werde im Anschluss über zuvor hinterlegte Bankinformationen vorgenommen. "Das Plug & Charge-System wird von der CharIn-Initiative für CCS unterstützt und soll ab 2020 schrittweise im Markt eingeführt werden", so Doppelbauer. 

Abwicklung des Ladeprozesse per Blockchain

Einen anderen Ansatz stellen Goudz und Jasarevic in ihrem Buch vor. Sie skizzieren ein Modell mit der Ethereum-Blockchain als Basis für die Abwicklung des Ladeprozesses. "Als Transaktionsplattform besitzt sie die Möglichkeit, Prozesse wie das Laden und Abrechnen an Ladestationen zu automatisieren. Dabei werden alle Transaktionen dezentral und schnell zwischen den beteiligten Knoten gespeichert. Die Dezentralität bietet eine hohe Sicherheit und Intermediäre sind nicht erforderlich", erläutern die Springer-Autoren auf Seite 24. Heißt im Klartext, Banken bleiben bei der Abwicklung außen vor.

Weiterhin ermögliche diese öffentliche Blockchain die Nutzung von Smart Contracts. "Diese führen aufgrund ihres eindeutigen Programm-Codes zu sicheren Transaktionen. Zusätzlich erfolgen Smart Contracts vollautomatisiert und kostengünstig."

Lösungen für rechtliche Fragen erforderlich

Daimler Trucks hat bereits gemeinsam mit der R&D-Einheit der Commerzbank eine Blockchain-basierte Zahlungsverkehrslösung für direkte Zahlungen an der Ladesäule entwickelt. Für Helge Königs, Projektleiter Truck Wallet bei Daimler Trucks, steht fest, dass die zunehmende Vernetzung der Fahrzeuge und die Digitalisierung der Logistikprozesse zu einer wachsenden Nachfrage nach automatisierten Zahlungsprozessen führen wird. 

In einem Interview sagte der Experte gegenüber Springer Professional: "Automatisierte Zahlungen zwischen Wallets beziehungsweise Maschinen stellen bislang eine entscheidende Lücke im derzeitigen System dar. Wird die Logistik automatisiert, die Zahlungen werden jedoch konventionell abgewickelt, haben wir einen großen Mismatch zwischen Logistik und kommerziellen Prozessen. Und gerade da setzen wir an."

Doch auch Königs sieht politischen Handlungsbedarf im Hinblick auf die rechtliche Sicherheit, wenn etwa Maschinen verbindlich Verträge miteinander eingehen: 

Wie gestalten sich Haftungsfragen bei solchen Geschäften? Wie verhält es sich bei zunehmender Autonomie von Maschinen, die im Kern durch Handlungen beschrieben sein wird, die auf eigenen Schlussfolgerungen von Maschinen beruhen? Hier gibt es eine Vielzahl an ungeklärten Themenfeldern, deren Klärung den Akteuren Sicherheit geben könnte. Die aktuelle Unsicherheit ist nicht innovationsfördernd."

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