Die aufgelisteten Komponenten sind in Summe für jeweils über 80 % des Strom- und Erdgasverbrauchs verantwortlich. Die übrigen Verbraucher werden aufgrund ihrer hohen Anzahl und folglich hohem Messaufwand als Grundlast modelliert.
Über mehrere Wochen wurden mittels Power Analyzer (Artemes AM 15-PLOG) und vorhandener Turbinenradzähler in Verbindung mit einem Datenlogger (DataTaker DT-85) die Lastprofile der oben genannten Komponenten gemessen. Die Profile weisen eine zeitliche Auflösung von einer Minute auf. Für die elektrischen Verbraucher wurden zusätzlich zur Wirkleistung auch die Blind- und Scheinleistung aufgezeichnet.
Für die Entwicklung der Sub-Modelle sowie des Gesamtmodells wurde Python als Programmiersprache ausgewählt. Vorteile dieser Sprache sind ihre vielseitigen Anwendungsmöglichkeiten, die Verfügbarkeit umfassender Dokumentationen und Tutorials, sowie eine breite Palette an Bibliotheken. Zur Erstellung dieses Modells wurden vor allem die Bibliotheken Pandas, Numpy sowie Matplotblib verwendet.
2.1.1 Sub-Prozesse mit stark fluktuierenden Lastprofilen
Die Lastprofile des Lichtbogenofens und des Pfannenofens zeichnen sich durch eine stark veränderliche Leistungsaufnahme aus. Daher werden diese im Modell mittels Markov-Ketten synthetisiert.
Markov-Ketten dienen der Vorhersage zukünftiger Zustände eines Systems auf Basis historischer Daten. In der Energietechnik werden diese häufig angewandt, um synthetische Last- oder Erzeugungsprofile zu modellieren. Beispiele dafür sind Verbrauchsprofile von Haushalten [
12], Windgeschwindigkeits- und Erzeugungsprofile für Windkraftanlagen [
15] oder Ladeprofile für Elektrofahrzeuge [
19].
Physikalische Prozesse, darunter auch zeitliche Energieverbräuche, lassen sich oft als Abfolge diskreter Zustände beschreiben. Hängt der nächste Zustand des zu beschreibenden Systems ausschließlich von dessen aktuellem Status ab, so erfüllt der Prozess die sogenannte Markov-Eigenschaft. Die Wahrscheinlichkeit, dass das System innerhalb eines Zeitschrittes (
\(n\)) von seinem aktuellen Zustand (
\(i\)) in einen gewissen nachfolgenden Zustand (
\(j\)) übergeht, wird als Übergangswahrscheinlichkeit (
\(p_{ij}\)) bezeichnet. Die einzelnen Wahrscheinlichkeiten werden in einer Übergangswahrscheinlichkeitsmatrix angeordnet (
1) [
17].
$$ P \left ( n \right ) = \left ( \textstyle\begin{array}{c@{\quad }c@{\quad }c@{\quad }c@{\quad }c} p_{00} \left ( n \right ) & p_{01} (n) & \cdots & p_{0j} \left ( n \right ) & \cdots \\ p_{10} (n) & p_{11} (n) & \dots & p_{1j} (n) & \cdots \\ \vdots & \vdots & \vdots & \vdots & \vdots \\ p_{i0} \left ( n \right ) & p_{i1} (n) & \cdots & p_{ij} \left ( n \right ) & \cdots \\ \vdots & \vdots & \vdots & \vdots & \vdots \end{array}\displaystyle \right ) $$
(1)
Die kumulierte Übergangswahrscheinlichkeitsmatrix ergibt sich durch Aufsummieren der Einzelwahrscheinlichkeiten für jede Zeile gemäß der folgenden Gl. (
2).
$$ p_{ij, cum} = \sum _{k=0}^{j} p_{ik} $$
(2)
Geben wir nun einen Ausgangszustand in Form eines Startvektors vor und ziehen eine diskrete Zahl \(z\) sodass \(0\leq z\leq 1\), erhalten wir durch den Vergleich der Zufallszahl mit den kumulierten Übergangswahrscheinlichkeiten den nächsten Zustand. Dieses Prinzip wenden wir bei der Lastprofilmodellierung an.
Zur Generierung der Übergangswahrscheinlichkeiten wird die Nennleistung des Ofens in Leistungsintervalle unterteilt, die in weiterer Folge die unterschiedlichen Zustände darstellen. Zählt man die Anzahl der Übergänge für alle möglichen Zustandsfolgen im gemessenen Lastprofil und normiert diese, erhält man eine Übergangswahrscheinlichkeitsmatrix.
Um physikalisch sinnvolle Ergebnisse in Hinblick auf Energieverbrauch und Prozesszeiten zu erhalten, werden dem Modell Verteilungen verschiedener Prozessgrößen als Inputwerte übergeben. Diese Prozessgrößen sind das Chargengewicht, die sogenannte Tap-to-tap-Zeit, die Zeitdauer zwischen zwei Abstichen, sowie der spezifische elektrische Energieverbrauch. Aus diesen Verteilungen wird für jede Prozesscharge ein Wert gezogen und aus dem spezifischen Energieverbrauch und dem Chargengewicht ein Gesamtenergieverbrauch berechnet. Die errechnete Energiemenge wird dann über die vorgegebene Tap-to-tap-Zeit auf eine Markov-Kette umgelegt.
2.1.2 Sub-Prozesse mit abhängigen Lastprofilen
Gebläse weisen eine Abhängigkeit zu den im Stahlwerk stattfindenden Prozessen auf, was auch ihrer Regelungsstrategie entspricht. Die Entstaubungsgebläse der Werkshallen sind immer dann im Einsatz, wenn das Stahlwerk in Betrieb ist und stehen andernfalls still, beispielsweise am Wochenende. Grundsätzlich wird die Entstaubungsanlage gleichförmig in Teillast betrieben und schaltet lediglich während des Blockgusses auf Volllast um.
Die Gebläse des Elektrolichtbogenofens haben die Aufgabe, Abgase aus dem Ofengefäß und durch eine Haube über dem Ofen abzuziehen. Diese Gebläse sind während des Schmelzbetriebs im Einsatz und werden bei Energieeintrag in den Ofen auf Volllast, andernfalls in Teillast betrieben.
Entsprechend der obenstehenden Analyse wurden die einzelnen Anlagen ins das Energiesystemmodell integriert: Die EAF-Gebläse beziehen während des Schmelzbetriebs Leistung auf Teillast- und bei zusätzlicher elektrischer Leistungsaufnahme des Elektrolichtbogenofens auf Volllastniveau. Analog dazu nehmen die Hallenentstaubungsgebläse während der Betriebszeiten des Stahlwerkes Leistung auf Teillast- und für die Zeitdauer des Gussprozesses auf Volllastniveau auf.
2.1.3 Sub-Prozesse mit vordefinierbaren Lastprofilen
Die verbleibenden Prozesse, die Vakuumbehandlungen (VD und VOD), die Wärmebehandlungsöfen und die Pfannenfeuer haben vorgegebene Prozesszeiten und festgelegte Lastprofile, welche bei der Modellierung berücksichtigt werden müssen.
Die Generierung des Vakuums für das VD- und VOD-Verfahren erfolgt mittels Dampfstrahlpumpen, die von zwei erdgasbetriebenen Prozessdampfkesseln gespeist werden. Über die Prozessdauer wird Dampf mit konstantem Massenstrom und konstanten Dampfparametern aus dem Kessel entnommen. Somit ergibt sich die erforderliche thermische Leistung des Kessels während der Evakuierung des Behandlungsgefäßes gemäß Gl. (
3) aus dem Massenstrom (
\(\dot{m}_{\mathrm{Dampf}}\)) und der spezifischen Enthalpie (
\(h_{\mathrm{Dampf}}\)) des Dampfes sowie dem Wirkungsgrad des Kessels (
\(\eta _{\mathrm{Kessel}}\)).
$$ P_{\mathrm{thermisch}} (t)= \frac{\dot{m}_{\mathrm{Dampf}} (t)\boldsymbol{\cdot } h_{\mathrm{Dampf}}}{\eta _{\mathrm{Kessel}}} $$
(3)
Das Lastprofil der Wärmebehandlungsöfen ist durch einen vorgegebenen Temperaturverlauf und eine definierte Prozessdauer gekennzeichnet. Daher wird im Modell ein gemessenes Lastprofil hinterlegt, welches von den im Modell implementierten Öfen nachgefahren wird.
Stahlwerkspfannen werden als Transport- und Behandlungsgefäße für flüssigen Stahl eingesetzt. Davor müssen sie jedoch mit sogenannten Pfannenfeuern auf Betriebstemperatur aufgeheizt werden. Hat eine Pfanne ihre Lebensdauer überschritten, erhält sie eine neue feuerfeste Zustellung und muss nach einem vorgegebenen Temperaturverlauf getrocknet werden. Auch diese Aufgabe übernehmen die Pfannenfeuer. Daraus ergeben sich für Pfannenfeuer zwei verschiedene Lastprofile: Vorheizen und Trocknen.
Um Aussagen über den Einsatz und den zeitlichen Erdgasverbrauch der einzelnen Pfannenfeuer zu ermöglichen, ist es notwendig diesen Kreislauf aus Vorheizen, Einsatz, Zustellung und Trocknung der Pfannen, die sogenannte Pfannenlogistik, zu modellieren (siehe Abb.
1). Dazu wird eine gewisse Anzahl an Pfannen-Objekten im Modell implementiert und einer Vorheiz-Warteschlange hinzugefügt. Ist ein freies Pfannenfeuer verfügbar, wird diesem eine Pfanne aus der Warteschlange zugewiesen. Im Falle eines Abstichs am Elektrolichtbogenofen beendet eines der Pfannenfeuer den Vorheiz-Prozess und die Pfanne wird einer Produktionscharge zugewiesen. Nach dem Guss entscheidet die Zahl der durchlaufenen Produktionszyklen, ob die Pfanne erneut zur Vorheizwarteschlange hinzugefügt wird oder Arbeiten an der Feuerfestzustellung erforderlich sind. In diesem Fall wird die Pfanne analog zum Vorheizen einer Warteschlange hinzugefügt. Sind Zustell-Kapazitäten verfügbar, wird sie zugestellt und anschließend, falls ein Pfannenfeuer verfügbar ist, getrocknet.
Der Aufbau des Pfannenlogistikmodells lässt sich vereinfacht wie folgt beschreiben:
für jeden Zeitschritt:
für Pfannen in Liste Vorheizen:
wenn Abstich am Elektrolichtbogenofen:
hinzufügen zu Liste Betrieb
erhöhen der Zyklenzahl um eins
für Pfannen in Liste Betrieb:
wenn Blockguss:
wenn Zyklenzahl kleiner als oder gleich Lebensdauer:
hinzufügen zu Liste Warten auf Vorheizen
wenn Zyklenzahl größer als Lebensdauer:
hinzufügen zu Liste Warten auf Wartung
für Pfannen in Liste Warten auf Vorheizen:
wenn Pfannenfeuer verfügbar:
hinzufügen zu Liste Vorheizen
für Pfannen in Liste Warten auf Wartung:
wenn Wartungsplatz verfügbar:
hinzufügen zu Liste Wartung
für Pfannen in Liste Wartung:
wenn Wartung abgeschlossen:
hinzufügen zu Liste Warten auf Vorheizen
nullsetzen der Zyklenzahl