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2017 | OriginalPaper | Chapter

2. Zum Verhältnis von Ökonomie und Ethik

Author : Michael Herzka

Published in: Gute Führung

Publisher: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Im Herbst 2015 erschüttert der VW-Skandal die deutsche und die internationale Öffentlichkeit. Ein weltweit führender Automobilkonzern und Flaggschiff der deutschen Industrie hat über Jahre systematisch und vorsätzlich Testverfahren bezüglich Schadstoffausstoß und Benzinverbrauch verfälscht. Etwa zur gleichen Zeit laufen Untersuchungen gegen mehrere prominente Funktionäre großer Sportverbände bezüglich Schmiergeldzahlungen bei der Vergabe von Fußballweltmeisterschaften.

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Footnotes
1
Beispielsweise publizierte die Nichtregierungsorganisation ‚Erklärung von Bern‘ im September 2015 einen Bericht zu Goldhandel mit Afrika: Illegal exportiertes Gold aus Burkina Faso kann über Togo – dieses Nachbarland produziert selbst kein Gold – offiziell in die Schweiz importiert werden und wird dort zusammen mit 70 % der weltweiten Goldproduktion raffiniert (Die NGO tritt seit Mitte 2016 unter dem Namen ‚Public Eye‘ auf, der Autor ist ehrenamtliches Vorstandsmitglied. www.​publiceye.​ch).
Anfang November 2015 vermelden die Medien die guten Ergebnisse des in der Schweiz ansässigen, weltweit größten Schokoladeproduzenten Barry Callebaut für das Geschäftsjahr 2014/2015. Das Schweizer Radio berichtet zur gleichen Zeit unter Berufung auf die deutsche Organisation ‚Südwind‘ und die amerikanische Tulane University über die markante Zunahme der Kinderarbeit in der westafrikanischen Kakao-Produktion.
Zahlreiche international tätige Produktions- und Handelsfirmen haben ihren Sitz in der Schweiz. Viele sind Mitglied von Brancheninitiativen zur Verbesserung von Arbeitsbedingungen oder zur Erhöhung von Umweltstandards. Weil sie die Wirkung einer Selbstregulierung jedoch als unzureichend beurteilen, haben 77 Schweizer Nichtregierungsorganisationen 2015 eine Volksinitiative zur Schaffung verbindlicher Regeln lanciert (www.​konzern-initiative.​ch). In wesentlich kürzerer Zeit als die gesetzlich vorgesehenen 18 Monate sind daraufhin die notwendigen 100.000 Unterschriften zusammen gekommen. Die Schweizer Stimmberechtigten werden in den nächsten Jahren über einen entsprechenden Verfassungsartikel abstimmen.
 
2
Amann und Stachowicz-Stanusch (2013b, S. 1–2) führen zahlreiche Beispiele aus den verschiedensten Sektoren und Branchen auf. Mugglin (2016) dokumentiert verschiedene Kampagnen von Nichtregierungsorganisationen gegenüber Großkonzernen.
 
3
Die von einer Wirtschaftsredakteurin in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (Schipper 2015) im Titel ihres Artikels gestellte Frage ist durchaus berechtigt. Etwas irritierend wirkt dabei die Überlegung, dass die moralische Beurteilung primär von der Größe des Schadens abhängen sollte, welcher aufgrund der Manipulationen, d. h. durch den erhöhten Ausstoß von giftigen Stoffen an Mensch und Umwelt angerichtet wird. Zudem sei ein Grenzwert letztlich immer willkürlich angesetzt. Die moralische Beurteilung orientiert sich damit an einer Argumentation, wie sie auch im US-amerikanischen Recht angewandt wird: Maßgeblich für die dortige juristische Beurteilung sind die geschätzten gesundheitlichen Folgen wie Erkrankungen und vorzeitiger Tod aufgrund der erhöhten Schadstoffbelastungen, was sich auf die Höhe der zu erwartenden Bussen auswirken wird (Lanz 2016).
 
4
Heidenreich (2012, S. 43) verweist hier auf die Begründung von Kant, weshalb man beispielsweise ein Versprechen selbst dann nicht brechen soll, wenn man sicher sein kann, nicht erwischt zu werden.
 
5
Im Sinne einer exakten Wissenschaft „zur Beschreibung, Erklärung und Prognose wirtschaftlicher Aktivitäten“ (Holzmann 2015, S. 18).
 
6
Eine konzise Diskussion des Werkes von Smith, namentlich in Bezug auf die hier nur knapp skizzierten ökonomischen beziehungsweise ethischen Positionen und deren Rezeption findet sich bei Kuttner (2015) sowie unter Einbezug des geistesgeschichtlichen und historisch-politischen Kontextes der schottischen Aufklärung bei Bendixen (2013).
 
7
Für die deutsche Ausgabe vgl. Smith (2013). Die englische Originalausgabe erschien 1776 unter dem Titel An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations.
 
8
Söllner (2015) zeigt in seiner Übersicht und Einordnung, dass Smith nicht der erste Autor war, der die wesentlichen volkswirtschaftlichen Zusammenhänge beschrieben hat.
Ebenso findet sich auch die mit der Metapher der „unsichtbaren Hand“ populär gewordene Annahme, dass individuelles eigennütziges Handeln zwingend für das Gemeinwohl sei, bereits in früheren Schriften, insbesondere bei Bernard Mandeville (1980; erste englische Originalausgabe anonym 1714, vgl. Söllner 2015, S. 22). Nach Mandeville gibt es keine altruistischen Handlungen, jede Hinwendung zu anderen geschieht letztlich nur aus Eigeninteresse und Selbstliebe. Smith (2010) kommentiert und kritisiert diese radikale Sichtweise ausführlich.
Für Sedláček (2012) lässt sich die Idee der „Zähmung des Bösen zum Wohle der Gesellschaft“ gar bis zum Gilgamesch-Epos der Sumerer im 3. Jahrtausend v. Chr. zurückverfolgen.
 
9
The theory of moral sentiments, erste Ausgabe 1759. Für die aktuelle deutsche Ausgabe vgl. Smith (2010), in dieser Fassung 1926 erstmals erschienen, mit einem ausführlichen Vorwort des Übersetzers Walter Eckstein.
 
10
Für eine Zusammenfassung vgl. Kuttner (2015, S. 40 ff.) sowie bezüglich der nach wie vor bestehenden unterschiedlichen Interpretationen auch die Darstellung in Rommerskirchen (2015, S. 72 ff.).
 
11
Ronge (2015, S. 14 ff.) verweist in diesem Zusammenhang auf die internationale Adam Smith-Forschung. Demnach war neben den Werken zu Ethik und zu Ökonomie ein dritter Band über das Recht und Politik geplant, der aber noch als Manuskript zusammen mit anderen Schriften kurz vor seinem Tode auf Wunsch von Smith verbrannt worden sei.
 
12
Ähnlich spricht Leisinger (1997, S. 35 f.) vom „missverstandenen“ Adam Smith, dessen Werk das „Opfer eines zirkulären Zitierkartells“ geworden sei.
 
13
Vgl. auch Kuttner (2015, S. 45).
 
14
Der Begriff ökonomischer Imperialismus wird später auch von den kritisierten Ökonomen selbst übernommen (Homann und Suchanek 1989). Die auch als Ökonomismus bezeichnete Entwicklung geht wesentlich auf die Arbeiten des 2014 verstorbenen Nobelpreisträgers Gary S. Becker zurück: „Ich behaupte, dass der ökonomische Ansatz einen wertvollen, einheitlichen Bezugsrahmen für das Verständnis allen menschlichen Verhaltens bietet […]“ (Becker 1993, S. 15, Hervorhebung im Original. Englische Erstveröffentlichung 1976). Vgl. auch die Darstellungen bei Söllner (2015) sowie bei Kuttner (2015). Die zusammen mit seiner Frau verfassten Kolumnen zu allen möglichen Lebens- und Gesellschaftsfragen sind gesammelt erschienen in Becker und Nashat Becker (1998).
 
15
Genauer: „Maximierungsmaschine“ (Aßländer 2011a, S. 47).
 
16
Mit der Finanzkrise wurden „die Banker“ zum Inbegriff der unmoralischen Wirtschaftsakteure, auch nach erfolgtem Kollaps ihrer Firmen nicht fähig oder nicht willens, eine persönliche Beteiligung anzuerkennen. Eine detaillierte Fallstudie liefert Tourish (2013, S. 178 ff.) mit der Analyse der Aussagen britischer Topbanker vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss.
 
17
Zur Kooperationsfrage gibt es in der spieltheoretischen Literatur viele Beispiele, zumeist Varianten des sogenannten Gefangenen-Dilemmas: Zwei Personen werden einer Straftat bezichtigt und getrennt verhört. Gesteht nur einer der beiden (der Verräter bzw. Kronzeuge), so kommt dieser frei und der Komplize erhält eine lange Haftstrafe. Gestehen beide, bekommen sie je eine etwas kürzere Haftstrafe, da sie zur Aufklärung des Falles beigetragen habe. Schweigen jedoch beide, kann man sie lediglich zu einer Busse wegen kleinerer Vergehen verurteilen. Die klar vorteilhafteste Lösung wäre, wenn beide schweigen. Dies werden sie jedoch nur tun, wenn sie sich darauf verlassen können, dass der andere ebenfalls dicht hält. Nach der ökonomischen Rationalität werden daher beide reden und ins Gefängnis wandern.
 
18
Der Begriff der „Integrität“ ist vielschichtig. Für Nida-Rümelin geht es um die Unteilbarkeit der Persönlichkeit, ihres Charakters und ihrer Einstellungen in verschiedenen „Rollen“, also etwa im Berufs- und Privatleben. Solomon (1999) argumentiert teilweise ähnlich, versteht aber unter Integrität auch eine umfassende Verbindung mehrerer Tugenden („the unity of virtues“). Zur Diskussion tugendethischer Konzeptionen in der Führungsethik vgl. auch Abschn. 4.​3.
 
19
Die Bilanzfälschungen beim Energiekonzern Enron ist in der Literatur das prominenteste Beispiel neuerer und größerer Betrugsskandale. Spektakulär ist der Fall nicht nur aufgrund des Ausmaßes und der Dreistigkeit seiner Spitzenmanager, sondern auch wegen der Beteiligung der renommierten Buchprüfungsfirma Arthur Andersen, die in der Folge ebenfalls aufgelöst wurde. Vgl. u. a. Johnson (2003), Duska und Ragatz (2008).
 
20
Eines der ersten Kleinwagenmodelle des amerikanischen Autobauers in den 1970er Jahren wies einen Konstruktionsfehler auf, der bei Auffahrunfällen zu Rissen im Benzintank, Blockierung der Türen und Brandexplosionen mit Todesfolge führen konnte. Obwohl dies Ford bekannt war, verzichtete die Firma auf die Verbesserung aufgrund von Zeitdruck in der Produktion und wenigen Dollar Mehrkosten. Es wurde berechnet, dass eine Kompensation im Schadensfall auch mit Todesopfern finanziell die günstigere Lösung war. Mehrere hundert Tote wurden so bewusst in Kauf genommen. Nicht beachtet wurde hingegen der Imageschaden, sowie die juristischen Folgekosten, nachdem dies bekannt wurde. Der Fall ist gut dokumentiert und wird in der Literatur häufig diskutiert, so ausführlich bei Schüz (2017, S. 116–119). Für eine kurze Zusammenfassung siehe auch Knoepffler (2010, S. 179 f.).
 
21
Der Fall von Aaron Feuerstein und seinem Unternehmen Malden Mills, bekannt für die Kunstfaser Polartec, wird in zahlreichen Lehrbüchern vorgestellt, sei es mit dem tugendethischen Fokus auf die Persönlichkeit des Unternehmers (Ciulla 2007 [Erstveröffentlichung 1999]; Herold 2012) und die religiöse Fundierung seines Engagements (Schick Case und Goosby Smith 2013) oder als Beispiel für die Verbundenheit eines Unternehmens mit der Standortgemeinde und weiteren Stakeholdern (Maak und Ulrich 2007). Feuerstein hatte nach einem Großbrand 1995 nicht nur den Aufbau der Textilproduktion umgehend an die Hand genommen, anstatt diese beispielsweise in ein Billiglohnland auszulagern, sondern auch die Löhne der rund 3000 Mitarbeitenden aus eigener Tasche weiterfinanziert. Zwar musste die wieder aufgebaute Fabrik nach einigen Jahre dennoch verkauft werden und der Investor setzte Feuerstein später als CEO ab. Der Standort Lawrence wird gemäß Presseberichten Ende 2016 definitiv geschlossen (Conti 2016).
 
22
Für eine umfassende und aktuelle Darstellung der wichtigsten Ansätze im deutschsprachigen Raum siehe Van Aaken und Schreck (2015).
 
23
Die Grundlagenwerke sind Homann und Lütge (2013) sowie Ulrich (2008). Knappe Darstellungen, verfasst von den beiden Autoren, finden sich neben weiteren wirtschaftsethischen Ansätzen im Sammelband von Van Aaken und Schreck (2015), übersichtliche Beiträge auch in dem von Aßländer (2011a) herausgegebenen Handbuch.
 
24
Auch: Strukturenethik, Institutionenethik (Homann und Lütge 2013, S. 22).
 
25
Wie bei jedem Dogma müssen auch im Hinblick auf die freie Marktwirtschaft Reformvorschläge bezüglich ihrer Radikalität und Ernsthaftigkeit befragt werden. Geht es nur um Kosmetik zwecks Systemerhalt oder werden grundlegende Veränderungen angestrebt? Vgl. weiter unten Abschn. 3.​2 zu Corporate Social Responsibility.
 
26
Wegweisend für die Definitionen und Klassifikationen innerhalb des Sektors ist die International Classification of Nonprofit Organizations (ICNPO), welche auf der vergleichenden internationalen Forschung am Center for Civil Society Studies der Johns Hopkins University basiert (www.​ccss.​jhu.​edu). Für eine ausführliche Darstellung siehe Salamon und Anheier (1997), für eine Kurzübersicht vgl. Herzka (2013, S. 15–17).
 
27
Die Freiwilligkeit bezieht sich hier zum einen auf die Mitgliedschaft, beispielsweise beim Beitritt zu einem Verein. Kennzeichnend für viele Nonprofit-Organisationen ist zum anderen Freiwilligkeit im Sinne des Ehrenamts in der strategischen Führung (z. B. Vereinsvorstand, Stiftungsrat). Mit der Begründung, dass sich dafür kaum mehr qualifizierte Personen finden lassen, wird in der Schweiz gelegentlich diskutiert, ob solche Ämter monetär entschädigt werden sollen. Aus Sicht des Autors ist dies zumindest für spendenfinanzierte Organisationen aus prinzipiellen Gründen abzulehnen. Die Organisationen würden mit der Zeit ihren grundlegenden Charakter und damit auch ihre Existenzberechtigung verlieren.
 
28
Zum Begriff „Soziale Organisation“ siehe Herzka (2013), in Anlehnung an Fröse (2005).
 
29
Im Sinn eines „sozialeren“ Wirtschaftens (Wöhrle 2013). Unabhängig von den Theorieentwicklungen im Sozialmanagement finden auch Neu- und Weiterentwicklungen innerhalb und am Rande der traditionellen Betriebswirtschaft statt, die ein solches Ziel explizit verfolgen. Darauf wird im Schlusskapitel eingegangen.
 
30
Auch die entsprechenden Führungskräfte selbst vertreten diesbezüglich sehr unterschiedliche Ansichten, wie beispielsweise die Befragung von Dressler und Toppe (2011) zeigt.
 
31
Siehe dazu den aktuellen Band von Wöhrle et al. (2017), die verschiedenen Perspektiven im Band von Grunwald (2009) sowie die ordnenden Beiträge von Wöhrle (2011, 2013). Das Feld lebt nicht zuletzt von Spannungsverhältnissen, die seit Anfang der 1990er Jahre erhalten geblieben sind, vgl. Grunwald und Otto (2008) sowie die empirische Arbeit von Amstutz (2014).
 
32
Boessenecker und Markert (2011).
 
33
Hochschulen und wissenschaftliche Kommissionen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz sind in der Internationalen Arbeitsgemeinschaft Sozialwirtschaft/Sozialmanagement zusammengeschlossen, welche u. a. alle zwei Jahre einen internationalen Kongress durchführt. Für die letzten Kongresspublikationen siehe Wüthrich et al. (2015) sowie Grillitsch et al. (2017).
 
Metadata
Title
Zum Verhältnis von Ökonomie und Ethik
Author
Michael Herzka
Copyright Year
2017
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-17094-3_2

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