Das Metaverse stellt ein immersives Konzept für die Bereitstellung von Diensten in virtuellen Räumen bereit, basierend auf einer Vielzahl von Technologien, wie jenen der erweiterten Realität. Aufgrund des Potentials zur Unterstützung von Geschäftsfällen, gewinnt es zunehmend an Bedeutung für Organisationen. In diesem Kontext kann die humanzentrierte Entwicklung und der operative Einsatz von Metaverse-Anwendungen mittels digitaler Zwillingsansätze unterstützt werden. Der vorliegende Beitrag untersucht diesbezüglich bestehende Ansätze. Ziel ist es, Nutzer*innen und Entwickler*innen in der stakeholdergerechten und damit effektiven Nutzung von digitalen Zwillingstechnologien zum Zwecke der Entwicklung und des Einsatzes von Metaverse-Anwendungen anleiten zu können. Die dargestellten Erkenntnisse basieren auf einer Analyse etablierter Konzeptionen hinsichtlich ihrer Tauglichkeit, unter Berücksichtigung der einzigartigen Anforderungen, welche sich durch Metaverse-Anwendungen ergeben. Unter Zugrundelegung einer adaptierten Konzeptbildung des digitalen Zwillings, wird dieser nicht ausschließlich als Abbildung der physischen Welt betrachtet, sondern es werden auch Prozesse, die exklusiv in digitaler Form ablaufen, integriert. Wir stellen hierzu einen entsprechenden Entwicklungs- und Einsatzrahmen vor.
Notes
Hinweis des Verlags
Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
1 Einleitung
Das heute allgegenwärtige Internet entwickelt sich auf Basis des Web 2.0 in Richtung Web 3, mit neuartigen Konzepten und Technologien (Arendt et al. 2022). Kern sind hierbei Blockchain-Technologien, einhergehend mit der Grundidee einer verstärkten Dezentralisierung (Buldas et al. 2022; Ray 2023). In diesem Kontext hat das Metaverse, ein Konzept, das die immersive Interaktion zwischen Menschen und Nutzung von Diensten auf Basis von diversen Technologien (Extended Reality (XR) – als Überbegriff für Virtual Reality (VR), Augmented Reality (AR) und Mixed Reality (MR); Blockchain; Künstliche Intelligenz;…) ermöglicht, zunehmend an Bedeutung gewonnen (Ray 2023). Den Übergang hin zu einem dreidimensionalen Internet gilt es zu begleiten, um die möglichen Vorteile einer 3D-Welt für die Nutzer*innen zu erschließen (Ball 2022). Es ist davon auszugehen, dass der Umstieg von einer zweidimensionalen auf eine dreidimensionale Umgebung eine Hürde insbesondere bezüglich eines humanzentrierten Einsatzes darstellen wird. Ein Beispielszenario soll die entstehenden Möglichkeiten, aber auch die erhöhte Komplexität anhand des antizipierten Einsatzes dieser Zukunftstechnologien verdeutlichen. Es steht exemplarisch für die von Ball (2022) antizipierte „unbegrenzte Anzahl von Benutzern und individuelle Anwesenheit“ (S. 66):
Dieses Szenario betrifft eine Angestellte einer Großbank. Zu ihrem physischen Tagesgeschäft in einer Filiale zählt auch der Handel mit elektronischen Wertpapieren, welche auf einer Blockchain abgebildet sind. Als Transaktionsmedium dient dazu digitales Zentralbankgeld, wie der digitale Euro oder der digitale Schweizerfranken. Zur Interaktion mit diversen Metaverse-Anwendungen wird eine Brille verwendet, welche über VR- und AR-Funktionalitäten verfügt. So hat die Angestellte einen Terminplan mit persönlichen und virtuellen Kontakten. Der Tagesablauf wird als eine kausale/zeitliche Abfolge von Aktivitäten im Sinne eines Prozesses dargestellt. Aktivitäten können wiederum durch dedizierte Metaverse-Applikationen unterstützt werden: So kann die Angestellte mittels der Brille auf eine virtuelle Wertpapier-Handelsapplikation zeitgleich zu ihrer physischen Präsenz am Arbeitsplatz zugreifen, welche diverse relevante Objekte und Informationen visualisiert (das Depot, für das sie verantwortlich ist; ausgewählte Wertpapiere, Anleihebewertungen, Avatare von Analyst*innen, etc.). Transaktionen werden vollständig in der virtuellen Welt durchgeführt. Für eine Besprechung mit Wertpapieranalyst*innen setzt sie die Brille auf. Dann tritt sie die Autofahrt zum Auswärtstermin an. Sie kann sich folglich in physischen wie virtuellen Welten bewegen. Im Rahmen der Reise in der physischen Welt werden über den AR-Modus der Brille nützliche Hinweise zum Straßenverkehr bereitgestellt, die auch an das (teil-)autonome Fahrzeug gesendet werden.
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Die Betrachtung dieses Szenarios, welches eine umfassende Umsetzung des Metaverse mit verschiedenen Anwendungen umreißt, zeigt vor allem die Konvergenz der physischen Welt und der virtuellen Welt. So gibt es Objekte, welche kein physisches Ebenbild besitzen, während andere in beiden Welten existieren. Ebenso kann es zur Interaktion mit anderen Applikationen und Systemen kommen. Als übergeordnete Struktur für einzelne Aktivitäten/Anwendungen/Systeme kann es Prozesse geben – welche oft nur digital existieren. Ebenso illustriert das Beispiel, dass fortschrittliche Metaverse-Anwendungen einen nahtlosen Übergang zwischen Aktionen in der virtuellen und virtuell angereicherten Welt unterstützen müssen. Diese Punkte – die Konvergenz von physischem und virtuellem Raum und die Notwendigkeit für verschiedene Interaktionsmodalitäten – tragen wesentlich zur Komplexität von Metaverse-Anwendungen bei. Dies stellt wiederum eine Herausforderung für deren Entwicklung und Einsatz dar.
Zur Bewältigung von Komplexität neuartiger Konzepte und Unterstützung strukturierter Transformation wurde das Konzept des Digitalen Zwillings eingeführt (Grieves 2014). Neuere Forschungsarbeiten wie Vohra (2023) legen nahe, die Metaverse-Applikationsentwicklung und -einsatz mit digitaler Zwillingsforschung zu kombinieren. Das Ziel der vorliegenden Untersuchung ist folglich, herauszufinden, wie das Konzept des digitalen Zwillings in Zusammenhang mit der Entwicklung und dem Einsatz von Metaverse-Anwendungen zur Erstellung des Verhaltens und der Struktur derselben unterstützend eingesetzt werden kann. Damit soll diese Untersuchung einen Beitrag zur effektiven und effizienten Entwicklung von Metaverse-Applikationen leisten. Der Bezug zur Unterstützung von Nutzer*innen und Entwickler*innen soll eine humanzentrierte Herangehensweise an die Gestaltung und Entwicklung von Metaverse-Applikationen ermöglichen. Für den Einsatz von digitalen Zwillingen im Metaverse-Kontext ist es zudem erforderlich, dass die im Rahmen des Beispiels diskutierten Anforderungen berücksichtigt werden. So müssen Hierarchien von Komponenten abgebildet werden können, welche sowohl physisch, virtuell, als auch in beiden Welten existieren können.
Der Beitrag gliedert sich wie folgt: In Abschn. 2 wird die Methodik beschrieben. Abschn. 3 diskutiert die Verbindung der beiden Themenbereiche Metaverse und digitaler Zwilling anhand der Betrachtung von bestehenden Konzeptionen. Diese wurden zur Adaptierung in ein bestehendes Metaverse-Framework herangezogen. Abschn. 4 enthält eine kurze Schlussfolgerung. Den Abschluss bilden Handlungsempfehlungen für die Unternehmenspraxis.
2 Methodik
Die Erstellung dieses Artikels lässt sich in fünf grundlegende Schritte unterteilen, welche nachfolgend genauer beschrieben werden. Die Schritte eins bis drei betreffen die Literaturrecherche. Hierzu kam die Literatur-Suchmaschine1 der Johannes Kepler Universität zum Einsatz (diese ist frei zugänglich), da sie eine Vielzahl an Quellen vereint. Ausgewählte Suchdurchläufe wurden auch direkt in Scopus bzw. IEEE durchgeführt, um mit angepassten Suchtermen, zugeschnitten auf diese Datenbanken, zu arbeiten.
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Im ersten Schritt wurde in der Fachliteratur nach Definitionen zum Metaverse gesucht. Dies war notwendig, um für die weiteren Schritte eindeutig bestimmte Begrifflichkeiten zu haben. Eine Dokumentation der Suchprozess-Ergebnisse ist verfügbar2. Für den weiteren Auswahlprozess wurden Merkmale definiert, welche ebenfalls online abrufbar sind2. Aus den gefundenen Quellen zum Metaverse wurden nun jene ausgewählt, welche eine ausreichend umfangreiche Definition des Begriffs aufweisen und sich mindestens einem der festgelegten Vergleichsmerkmale zuordnen lassen. In Schritt 2 wurde diese Vorgangsweise analog genutzt, um Definitionen zum Begriff des digitalen Zwillings zu erhalten. Auch hier sind sowohl die Vergleichsmerkmale als auch die finale Literatur online verfügbar2. Im dritten Schritt wurde nach Literatur gesucht, welche bereits eine explizite Kombination aus Metaverse und digitalem Zwilling behandelt. Auf Grund der Neuartigkeit der Thematik existiert nur eine sehr kleine Anzahl an Beiträgen. Daher war der Vergleich anhand von Merkmalen nicht möglich. Es musste stattdessen in einem qualitativen Auswahlprozess für jede Quelle individuell beurteilt werden, ob die Beschreibung der Kombination aus Metaverse und digitalem Zwilling ausführlich genug für eine weitere Verwendung ist. Die final verwendete Literatur zu diesem Schritt ist ebenfalls abrufbar2. Im vierten Schritt wurden auf Basis der Literatur logische Schlüsse gezogen und eine neue Definition für den digitalen Zwilling in Kombination mit dem Metaverse aufgestellt. Im fünften und letzten Schritt wurde unter Einbeziehung dieser Definition das Framework in Abschn. 3–5 erstellt.
3 Ergebnisse
In diesem Abschnitt werden die wesentlichsten Ergebnisse vorgestellt, basierend auf den Erkenntnissen der Literatur-Analyse. Tab. 1 enthält die betrachteten Quellen und fasst wichtige Erkenntnisse zusammen. Wir betrachten zunächst die Konzeption des digitalen Zwillings in Bezug auf Metaverse-Anwendungen aus unterschiedlichen Perspektiven, bevor wir seinen Einsatz im Kontext der Entwicklung detaillieren. Wir gehen hierbei von einer der fundamentalen Definitionen des digitalen Zwillings aus, welche als repräsentativ für eine Reihe an Konzeptionalisierungen angesehen werden kann, und diskutieren ebenso interessante Definitionen, welche abweichende/ergänzende Perspektiven beinhalten. Dies erlaubt uns aufzuzeigen, dass neue Einsatzmöglichkeiten eine Weiterentwicklung des Verständnisses jenseits der ursprünglich vorgesehenen Verwendung erfordern. Hierzu behandeln wir die Kernkomponenten der Definition von Grieves (2014) (strukturiert nach den Merkmalen in Tab. 1) und analysieren schrittweise deren Eignung für den Metaverse-Kontext, als Basis für eine adaptierte Definition. Abschließend inkorporieren wir unsere adaptierte Definition in ein bestehendes Metaverse-Framework, als Grundlage für die Unterstützung der Entwicklung und des Einsatzes von Metaverse-Applikationen.
Tab. 1
Überblick über die betrachteten Quellen
Metaverse
(Arendt et al. 2022), (Arendt et al. 2022), (Dionisio et al. 2013), (Hwang und Chien 2022)
Zentrale Merkmale: Virtuelle Welten und Zugriffstechnologien, 3D, Echtzeit-Rendering, Interoperabilität, Skalierbarkeit, Persistenz, Synchronität, „unbegrenzte“ Anzahl an Nutzenden, Einsatzmöglichkeit im industriellen Kontext, ökonomische Verwertbarkeit
Digitaler Zwilling
(Barachini und Stary 2022), (Crespi et al. 2023), (Follath et al. 2022), (Grieves 2014), (Kuhn 2017), (VanDerHorn und Mahadevan 2021), (Vohra 2023)
Zentrale Merkmalskategorien: Merkmale können das abzubildende Ebenbild, die nachgebaute digitale Repräsentation oder den Informationsaustausch betreffen
Metaverse und digitaler Zwilling
(Aloqaily et al. 2023), (Han et al. 2023), (Zhang et al. 2023), (Mourtzis 2023), (Faisal et al. 2023), (Duong et al. 2023), (Yu et al. 2022), (Hashash et al. 2022), (Jagatheesaperumal und Rahouti 2022)
Mit Bezug zur Entwicklung von Metaverse-Applikationen liefern Aloqaily et al. (2023) ein interessantes konzeptuelles Framework, auf das wir hier in weiterer Folge aufbauen
3.1 Das Verhältnis von digitalen Zwillingen zu ihrem Ebenbild
Eine der grundlegenden Definitionen des digitalen Zwillings geht davon aus, dass ein physisches Produkt aus der realen Welt digital abgebildet wird (Grieves 2014). Die im Rahmen der Literaturanalyse betrachteten Quellen weisen vom Umfang her eher kurze Definitionen auf, und gehen in der Regel ebenfalls von einem physischen Objekt in der realen Welt aus. Es existieren jedoch auch Forschungsarbeiten, die sich nicht auf ein abzubildendes Objekt der physischen Welt beschränken. So kann beispielsweise ein abzubildender Prozess die Grundlage für den digitalen Zwilling darstellen (Barachini und Stary 2022). Ebenfalls erwähnenswert sind Ansätze, welche betonen, dass nicht unbedingt ein Ebenbild für den digitalen Zwilling existieren muss, beispielsweise, wenn ein digitaler Zwilling für eine Produktionsanlage erstellt wird, welche erst gebaut werden muss (Kuhn 2017). Daher sprechen wir in der Folge vom Gegenstück des digitalen Zwillings im Sinne eines Eben- oder Spiegelbildes.
Im umrissenen Beispielszenario könnte das Ebenbild für einen digitalen Zwilling der Prozess des Tagesablaufes sein. Dies wird auch von oben genannten Definitionen unterstützt, die einen digitalen Prozesszwilling zulassen. Der oben beschriebene Prozess des Tagesablaufes enthält Elemente/Aktivitäten, welche sich im VR-Bereich befinden. Daher wird davon ausgegangen, dass nicht unbedingt von einem Ebenbild in der realen Welt die Rede sein kann. Dies ist im Neudenken des Verständnisses und einer Anpassung der Definition zu berücksichtigen. Auch kann der Tagesablauf der Bankangestellten aus Sub-Komponenten bestehen. Diese sind beispielsweise Teilprozesse/Aktivitäten, wie die Bewertung eines Wertpapiers, oder Applikationen/Systeme, wie ein (teil)autonomes Firmenauto. Der Umstand, dass ein Ebenbild des Zwillings aus Teilkomponenten bestehen kann, ist ebenfalls bei einer Adaptierung der Definition zu berücksichtigen.
3.2 Zur Repräsentation des Ebenbilds durch den digitalen Zwilling
Für eine Konzeptfestlegung, welche den Einsatz in und für Metaverse-Anwendungen berücksichtigt, wird davon ausgegangen, dass die digitale Repräsentation das Gegenstück zum abzubildenden Ebenbild darstellt. Beim erwähnten Szenario wird beispielsweise eine digitale Repräsentation des Tagesablaufs der Bankangestellten (wobei es sich um einen Prozess handelt) erstellt. Die Teilkomponenten des so definierten digitalen Prozesszwillings (Teilprozesse, Teilsysteme, …) sind ebenfalls in der Repräsentation abzubilden. Ein Prozess, und damit ein digitaler Prozesszwilling, umfasst auch Tätigkeiten, welche in der physischen Welt verrichtet werden. Analog zum Prozessmanagement werden nur jene Teile automatisiert, welche digital umgesetzt werden können.
3.3 Der Informationsaustausch des digitalen Zwillings
Die ursprüngliche Definition des digitalen Zwillings sieht auch einen Daten- bzw. Informationsaustausch zwischen dem realen und dem virtuellen Produkt vor (Grieves 2014). Gemäß dem ursprünglichen Ansatz, werden zuerst mithilfe von Sensoren Daten gesammelt, welche anschließend an die Repräsentation weitergeleitet werden – vgl. Barachini und Stary (2022). Dies ist vom Prinzip her weiterhin für Metaverse-Anwendungen zutreffend, allerdings wird beispielsweise bei den Sensoren im angesprochenen Szenario mithilfe einer elektronischen Brille sowohl die vollständig virtuelle Welt (Wertpapierhandel) als auch die erweiterte Realität (Straßenverkehr) mitberücksichtigt. Dies bedingt, dass die Brille mit erweiterter digitaler Funktionalität als Sensor fungiert und Daten über ein Ebenbild sammelt. Abschließend muss noch der Informationsaustausch von der Repräsentation zurück in Richtung Ebenbild betrachtet werden. In der Literatur wird angeführt, dass der Informationsfluss von der digitalen Repräsentation zum Ebenbild bedeutet, dass das ursprüngliche Ebenbild auf Grund der gewonnenen Erkenntnisse angepasst und weiterentwickelt werden kann – vgl. VanDerHorn und Mahadevan (2021). Dieses Konzept ist auch weiterhin für die vorliegende Untersuchung gültig und kann für die weiteren Schritte übernommen werden.
3.4 Digitale Zwillinge zur Entwicklung von Metaverse-Anwendungen
Auf Basis der bisher gewonnenen Erkenntnisse lässt sich nun eine adaptierte Definition des digitalen Zwillings in Zusammenhang mit dem Metaverse ableiten. Die erstellte Definition hat den Anspruch, den digitalen Zwilling im Kontext des Metaverse zu beschreiben, in Anlehnung an Grieves (2014), sowie an VanDerHorn und Mahadevan (2021):
Ein digitaler Zwilling in Zusammenhang mit dem Metaverse besteht aus drei Teilen:
a.
einem abzubildenden Ebenbild. Hierbei kann es sich um ein Objekt, ein System, einen Prozess, etc. handeln. Dieses Ebenbild erfüllt dabei folgende Eigenschaften:
Es muss noch nicht existieren, sondern kann noch in Planung sein (Kuhn 2017)
Wenn es bereits existiert, existiert es entweder in der realen Welt, in der virtuellen Welt oder in einer Kombination aus virtueller und realer Welt.
Es kann in einem Umweltkontext eingebettet sein.
Es kann aus Teilkomponenten bestehen, beispielsweise Teilsysteme oder Teilprozesse.
Für die Teilkomponenten gelten die Bedingungen wie für das Ebenbild in rekursiver Weise.
b.
einer digitalen Repräsentation des Ebenbilds, welche folgende Eigenschaften erfüllt:
Sie bildet das Ebenbild nach.
Je nach Bedarf weist sie ein gewisses Abstraktionsniveau auf.
Sie bildet bei Bedarf auch die Umwelt nach, in welcher das Ebenbild eingebettet ist.
Sie kann auch Repräsentationen von Teilkomponenten des Ebenbildes beinhalten.
c.
einem Daten- bzw. Informationsfluss zwischen abzubildendem Ebenbild und digitaler Repräsentation, welcher folgende Eigenschaften besitzt:
Vom abzubildenden Ebenbild fließen dabei Informationen bzw. Daten zur digitalen Repräsentation. Die Erfassung der Daten ist dabei nicht auf eine bestimmte Technologie beschränkt.
Der Informationsfluss von der digitalen Repräsentation zum abzubildenden Ebenbild ist dadurch charakterisiert, dass das abzubildende Ebenbild auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse dynamisch angepasst werden kann.
Beispiel für ein Ebenbild ist ein Geschäftsablauf, der sowohl physische als auch digitale Objekte umfasst. Die digitale Repräsentation seiner Rollen besteht aus Avataren (d.s. digitale Repräsentanten von Handlungsträger*innen), die im Metaverse interagieren. Sie tauschen Daten aus, die ihr Verhalten ändern, indem zum Beispiel nach Abschluss einer Aufgabe der Raum im Metaverse gewechselt werden kann.
3.5 Einbettung in ein Framework zur Entwicklung von Metaverse-Anwendungen
In der Folge orientieren wir uns am Framework von Aloqaily et al. (2023), welches eine Architektur für Metaverse-Anwendungen beschreibt. Das Framework hat mehrere Schichten, welche miteinander in Verbindung stehen. Ein wesentlicher Aspekt sind dabei auch Übertragungstechnologien wie beispielsweise 6G (Aloqaily et al. 2023). Grund für die Auswahl war, dass das Framework den digitalen Zwilling direkt in eine Metaverse-Applikation integriert. Dies stellt einen direkten Bezug zur Aufgabenstellung dar, da digitale Zwillinge die Entwicklung und den operativen Einsatz von Metaverse-Applikationen unterstützen sollen. Auf die detaillierte Beschreibung der einzelnen Schichten wird hier verzichtet – sie kann Aloqaily et al. (2023) entnommen werden.
3.6 Erstellung des Digital-Twin-Based-Metaverse-Application-Framework in Anlehnung an Aloqaily et al. (2023)
Nachfolgend adaptieren wir das vorgestellte Framework von Aloqaily et al. (2023) auf Basis der bisherigen Überlegungen. Auf Basis der vorgeschlagenen Struktur von Aloqaily et al. (2023), konnten die in der obigen Definition erwähnten Merkmale Metaverse-tauglicher digitaler Zwillinge integriert werden. Das adaptierte Framework ist in Abb. 1 ersichtlich. Im Gegensatz zur ursprünglichen Darstellung des Ansatzes von Aloqaily et al. (2023), werden die Komponenten innerhalb der Schichten nicht abgebildet. Beispielsweise sind in der Schicht „Metaverse-Geräte“ die einzelnen Hardware-Komponenten nicht gesondert aufgeführt. Dies bedingt, dass auch die Verbindungen der einzelnen Schichten, welche durch Pfeile dargestellt werden, vereinfacht wurden. Eine Ausnahme von dieser Vereinfachung ist die Schicht des abzubildenden Ebenbilds.
Abb. 1
Digital-Twin-Based-Metaverse-Application-Framework. Erstellt mittels draw.io. Kästchen bilden Framework-Komponenten und Pfeile deren Verbindungen ab (Informationsfluss, Steuerungsaktionen, etc.). Erstellt in Anlehnung an Aloqaily et al. (2023)
×
1. Abzubildendes Ebenbild
Beim abzubildenden Ebenbild kann es sich um eine übergeordnete Komponente handeln (z. B.: ein System, ein Prozess, etc.) oder um eine Teilkomponente einer übergeordneten Komponente. Der Begriff „Existenzbereich des Ebenbildes“ umfasst die reale Welt, den Bereich der „Augmented Reality“, den Bereich der „Virtual Reality“ und die Planungsphase. Der letztgenannte Bereich trifft zu, falls das Ebenbild geplant, aber noch nicht realisiert ist. Dies wurde bei der Definition des digitalen Zwillings berücksichtigt.
2. IoT-Schicht
Die IoT-Schicht wird grundsätzlich ähnlich gedacht wie im Framework von Aloqaily et al. (2023). Allerdings erfordert nicht das gesamte abzubildende Ebenbild zwingend eine IoT-Schicht. Sensoren dienen beispielsweise dazu, Vorgänge in der realen Welt zu erfassen. Für AR- und VR-Elemente wird die IoT-Schicht jedoch nicht eingesetzt, weil diese nicht materiell sind.
3. Datenbank
Im erstellten Framework wird die Komponente zur Datenspeicherung lediglich als „Datenbank“ bezeichnet. Dies hat den Hintergrund, dass keine zu starke Einschränkung auf eine bestimmte Technologie erfolgen sollte.
4. Metaverse-Manager
Im erstellten Framework ist der Metaverse-Manager sehr stark an Aloqaily et al. (2023) angelehnt. Er dient als Schnittstelle zwischen dem digitalen Zwilling und der XR-Schicht. Die Hauptaufgabe des Metaverse-Managers ist, basierend auf den Anfragen der Benutzer*innen, die Metaverse-Umgebung zu generieren. Die benötigten Informationen kommen dabei vom digitalen Zwilling. Er generiert beispielsweise die Räume, in denen die Avatare als Rollenträger bestimmte Tätigkeiten wie Datenanalysen unter Berücksichtigung von Maschinendaten der physischen Welt (in gleichzeitig physisch ablaufenden Prozessen) verrichten.
5. Digitaler Zwilling
Im vorgeschlagenen Framework nimmt der digitale Zwilling eine zentrale Rolle ein. Grundlage dafür ist die adaptierte Definition. Ausgangspunkt ist das vorher beschriebene abzubildende Ebenbild. Das Abspeichern der Daten erfolgt in der Datenbank-Komponente. Der digitale Zwilling steht in enger Verbindung zum Metaverse-Manager. Somit wurden die Komponenten „Metaverse-Geräte“, „XR-Schicht“ und „Metaverse-Manager“ von Aloqaily et al. (2023) übernommen und die Elemente der adaptierten Definition berücksichtigt.
3.7 Einbettung des Beispielszenarios in das Framework
Das Beispielszenario handelt von einer Bankangestellten, welche zunächst im VR-Bereich ein Wertpapiergeschäft durchführt und anschließend im AR-Bereich am Straßenverkehr teilnimmt. Ihr Tagesablauf wird dabei als übergeordneter Prozess verstanden, der wiederum verschiedenste Teilkomponenten enthält. Hier werden die Anwendbarkeit und der Nutzen des vorgeschlagenen Frameworks am deutlichsten sichtbar. Der Prozess des Tagesablaufes dient als abzubildendes Ebenbild für den digitalen Zwilling. Die darin enthaltenen Elemente können z. B. als Teilsysteme oder Teilprozesse aufgefasst werden, welche ebenfalls in der Definition erfasst sind. Die Betrachtung des Tagesablaufes als übergeordneter Prozess kann beispielsweise auch den nahtlosen Übergang zwischen VR- und AR-Applikationen unterstützen – welche so als Teilkomponenten eines größeren Ganzen verstanden werden.
4 Schlussfolgerung
Die Berücksichtigung der Merkmale von Metaverse-Anwendungen (Konvergenz von physischen und virtuellen Welten, applikations/systemübergreifende Aktivitäten/Interaktionen, Übergänge zwischen verschiedenen Interaktionsformen und die daraus resultierende Komplexität) erfordert ein erweitertes Verständnis von digitalen Zwillingen zur Unterstützung der Entwicklung. Damit können typische Anwendungsfälle bearbeitet werden, insbesondere, wenn ein Framework zur Entwicklung genutzt wird. Wesentlich ist dabei, dass auch ein übergeordneter Prozess in das Framework eingeordnet werden kann. Bei der Entwicklung von Metaverse-Applikationen kann das vorgeschlagene adaptierte Framework als effektive Hilfestellung dienen. Enthält ein übergeordneter Prozess Sub-Komponenten, kann dieser einen nahtlosen Übergang zwischen dem AR-Bereich und dem VR-Bereich berücksichtigen. Somit lässt sich eine ganzheitliche Erfahrung von Metaverse-Anwendungen im digitalen Zwilling abbilden.
5 Handlungsempfehlungen für die Praxis
Konkrete Handlungsempfehlungen sind in hohem Maße davon abhängig, inwieweit Interessenten bereits VR- bzw. AR-Komponenten nutzen. Wurden in einer Organisation bisher noch keine Metaverse-Technologien verwendet, müssen zuerst die Unternehmensstrategie und die IT-Strategie analysiert werden. Denn eine Metaverse-Strategie darf keinesfalls isoliert erstellt werden, sondern muss sich mit der Unternehmens- und mit der IT-Strategie im Einklang befinden. Es ist auch denkbar, dass eine neu geschaffene Metaverse-Strategie so weitreichend ist, dass dadurch sogar die Unternehmens- bzw. die IT-Strategie verändert wird.
Werden in einer Organisation bereits Metaverse-Komponenten eingesetzt, muss zuerst eine Bestandsaufnahme erfolgen. In diesem Zuge muss auch geklärt werden, ob es bereits Formen einer Metaverse-Strategie gibt bzw. inwieweit diese Strategie mit den übergeordneten Strategien abgestimmt ist. Für die Planung von Metaverse-Applikationen ist zunächst wichtig, dass diese innerhalb der Organisation ganzheitlich betrachtet und geplant werden. Als Beispiel lässt sich folgendes Szenario ausführen: In einem Automobilunternehmen kann vor dem Kauf eines Autos der Innenraum mithilfe einer VR-Brille dargestellt werden. Dafür ist die Marketingabteilung zuständig. Für kleinere Wartungsarbeiten, wie das Nachfüllen von Scheibenfrostschutz, existiert eine Augmented-Reality-Applikation. Diese bietet eine Anleitung, wie man die Motorhaube öffnet und zum Behälter mit der Scheibenflüssigkeit gelangt. Für diese Applikation ist die Abteilung Customer-Service zuständig. Hier dürfen keinesfalls Insellösungen entstehen.
Der vorliegende Forschungsbeitrag betont die Wichtigkeit einer bereichsübergreifenden Betrachtungsweise des digitalen Zwillings. Bereits im Ergebnisteil wurde erläutert, dass nahtlose Übergänge zwischen den genannten Bereichen essenziell sind. Im Zuge der Planung ist außerdem wichtig, dass Entwicklungen im Metaverse-Bereich analysiert und die organisations-internen Applikationen an aktuelle Neuerungen angepasst werden. Es muss also auch bei der Planung und Weichenstellung ein Augenmerk darauf gelegt werden, dass sich die eigenen Applikationen nahtlos mit einem – noch nicht existierenden – globalen Metaverse verbinden lassen.
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