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2020 | Book

Zwischenmenschliches Design

Sozialität und Soziabilität durch Dinge

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About this book

Welchen Einfluss hat die Gestaltung des gegenständlichen Umfeldes auf zwischenmenschliche Beziehungen und wie werden diese gewollt oder ungewollt mit den Dingen mitgestaltet? Auf welche Weise werden durch Design und Architektur soziale Kompetenzen wie zwischenmenschliches Erkennen, Handeln und Erleben ermöglicht oder verunmöglicht? Autor*innen verschiedener Disziplinen gehen diesen Fragen nach und eröffnen hierbei eine dingorientierte Perspektive auf das Themenfeld des Social Design, die sowohl geeignet ist, eine Brücke zwischen Theorie und Praxis zu bilden, als auch einschlägiges Studienmaterial für die sozialen Dimensionen der Gestaltung zu versammeln.

Table of Contents

Frontmatter
Zwischenmenschliches Design
Eine Einleitung
Zusammenfassung
Im Zuge der Debatten um ökonomische wie soziale Nachhaltigkeit und angesichts der Tatsache, dass Soziologie und Kulturwissenschaft die Dinge vermehrt hinsichtlich ihrer Rolle in gesellschaftlichen Prozessen reflektieren, sind soziale Dimensionen des Designs in den letzten Jahren besonders virulent geworden. Gegenwärtig entsteht verstärkt eine Designkultur, die ihre Zeitgemäßheit auf unterschiedliche Art und Weise durch soziale Relevanz herauszustellen versucht und im Zuge dessen auch vermehrt mit der Reflexion der eigenen Praxis beschäftigt ist. Das Design wird nicht nur deshalb zunehmend politisiert, weil globale soziale Missstände – wie Chancen- und Verteilungsungerechtigkeit oder Flucht und Migration – medial vermittelt besonders sichtbar sind, sondern auch weil sich das Verständnis sozialer Prozesse geändert hat.
Johannes Lang, Martina Fineder

Zwischenmenschliches Erkennen durch Dinge

Frontmatter
Beziehungskiste Memobil und andere soziale Objekte
Zusammenfassung
Ob Tätigkeiten von mehreren Menschen gemeinsam oder von einer Person alleine verrichtet werden oder ob man sie überhaupt Maschinen überlässt, entscheidet über die Zukunftsfähigkeit der Menschheit. In Zusammenhang mit dem, was gemeinhin als menschliche Ressource bezeichnet und mit einem entsprechenden Preis versehen wird, haben wir als Architekturbüro gaupenraub+/ beobachtet, dass ein und dieselbe Arbeit in unterschiedlichen Gegenden der Erde von unterschiedlich vielen Menschen verrichtet wird (Abb. 1a–1b). Gleichzeitig spielt die Verfügbarkeit von menschlicher Arbeitskraft eine immer geringere und die Tendenz, Prozesse zu verbilligen, die wesentlich größere Rolle.
Alexander Hagner
Shared Decision Making
Das Design eines neuen medizinischen Beziehungsgefüges
Zusammenfassung
Ausgehend von der Frage dieser Publikation nach der beziehungsstiftenden Rolle von Dingen fokussiert der vorliegende Text auf Dinge, die das Verhältnis zwischen Arzt/Ärztin und Patient*in zwischenmenschlich in einer neuen Weise strukturieren oder gar erst stiften. Es handelt sich um jene Dinge, die Teil der gegenwärtigen Strategie der partizipativen Entscheidungsfindung im Gesundheitswesen sind. Die Frage ist, inwiefern diese neuen Objekte den Diskurs rund um die heute notwendigen Fähigkeiten ‚moderner‘ Ärzt*innen und Patient*innen konkretisieren und erweitern können.
Kathrina Dankl
‚Pflegedinge‘
Beziehungsarbeit und Objektbeziehungen in Pflegesettings
Zusammenfassung
In diesem Beitrag stellen wir ausgewählte Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt „Die Pflege der Dinge. Die Bedeutung von Objekten in Geschichte und gegenwärtiger Praxis der Pflege“ (kurz: ‚Pflegedinge‘) vor. Ausgehend von fünf unterschiedlichen Objektbeispielen beschreiben wir die vielschichtigen und diversen Beziehungsgefüge, welche zwischen Pflegenden, Gepflegten und den involvierten Objekten beziehungsweise Objektensembles beobachtet wurden.
Anamaria Depner, Lucia Artner, Carolin Kollewe, Isabel Atzl, André Heitmann-Möller
Soziales Gestalten für und aus Freiheit
Zur Autonomie im zwischenmenschlichen Design
Zusammenfassung
In diesem Beitrag werde ich verschiedene Denkweisen sozialer Gestaltung systematisieren und um den Gedanken individueller Freiheit erweitern. Dieser Beitrag ist also nicht rein deskriptiver, sondern gegen Ende auch normativer Natur, indem er grobe Vorschläge unterbreitet, wie wir unsere sozialen Denkweisen gestalten könnten, sodass wir das freiheitliche Potenzial der Menschen wenigstens rudimentär integrieren. Ich nehme also nicht nur einen beobachtenden Standpunkt ein, indem ich frage, was die sozialen Dimensionen der Dinge gegenwärtig sind oder waren, sondern auch einen gestaltenden, indem ich frage, wie die sozialen Dimensionen der Dinge sinnvoller Weise sein sollten.
Johannes Lang

Zwischenmenschliches Handeln durch Dinge

Frontmatter
Design für sozial verantwortliches Verhalten
Eine Klassifizierung seines Einflusses anhand der angestrebten Gebrauchserfahrung
Zusammenfassung
Ob aufgrund der Finanzkrise, der öffentlichen Wahrnehmung eines massiven Überkonsums oder des globalen Klimawandels, immer mehr Designer*innen sind bestrebt, ‚der Gesellschaft etwas Gutes zu tun‘. Dieses Interesse scheint sich vor allem auf zwei Weisen zu manifestieren. Zum einen übernehmen Designer*innen und Designunternehmen bei der Produktentwicklung mehr gesellschaftliche Verantwortung.
Nynke Tromp, Paul Hekkert, Peter-Paul Verbeek
Latour, Heidegger und die Frage nach dem Ding
Zusammenfassung
In verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen proben die Dinge derzeit den Aufstand gegen ein, so zumindest die Auskunft, jahrhundertelanges Regiment der Menschen: Ehedem übergangen, marginalisiert und als transparenter Ausdruck menschlicher Zwecke missverstanden, rücken sie und ihr Eigensinn in den letzten Dekaden ins Zentrum des Interesses. Sei es, dass anhand historischer Dinge und der mit ihnen verbundenen Praxis neue Dimensionen der Geschichtsschreibung erarbeitet werden, sei es, dass der in der Designforschung verbreitete Topos des Designs als besonderer Form des Wissens auch unter Rekurs auf die Dinge, mit denen die Designpraxis hantiert und die sie hervorbringt, begründet wird: Dinge sind im Kommen – und waren in Wahrheit immer schon da.
Daniel Martin Feige
Die soziale Valenz profaner Architektur
Zusammenfassung
Wie können ein Gebäude, eine Brücke, ein Masterplan, ein Schlüssel oder ein Stuhl sozial sein? Welche Wirkung hat ein Atrium? Wie erlangen materielle Anordnungen soziale Bedeutung? Auf welche Weise kann die Gestaltung eines Hörsaals das Denken anregen? Wie können Alltagsaktivitäten wie Treppensteigen oder Aufzugfahren soziale Auswirkungen haben? In Design- und Planungsprozessen werden diese im täglichen Leben häufig genutzten Gegenstände und Umgebungen viel diskutiert. Um ihre soziale Valenz zu verstehen, muss unser Blick darauf ein dynamischer sein. Anstatt davon auszugehen, dass es eine Gesellschaft hinter einem Gebäude, einem Hörsaal oder Aufzug gibt, möchte ich zeigen, dass soziale Beziehungen eher etwas sind, das beobachtet werden kann, indem wir mit diesen Elementen und Anordnungen profaner Architektur interagieren, in ihnen herumschlendern, in ihnen leben und uns durch sie leiten lassen.
Albena Yaneva
Design und soziomaterielle Choreografien des Alltags
Zusammenfassung
Im Verlauf meiner künstlerischen Forschung verdichteten sich verschiedene Elemente nach und nach zu einer Herangehensweise, die ich heute als choreografischen Gestaltungsansatz bezeichne. Der Begriff ‚Choreografie‘ beschrieb ursprünglich die Aufzeichnung (graphē) der kreisförmigen Bewegungen des Chores (choreia) im griechischen Drama und wurde später zu einer Bezeichnung jeglicher Form der Notation von zumeist Tanzbewegungen. Heute ist mit ‚Choreografie‘ das Erfinden und Einstudieren von Bewegungen gemeint, insbesondere im Zusammenhang mit Tanz.
Judith Seng
Quantensprünge im Design
Wie aus Gebrauchsgegenständen über Nacht ein Politikum wird
Zusammenfassung
In den ‚Beziehungskisten‘ tut sich etwas. Wie die Herausgeber*innen einleitend referieren, hat die Geisteswissenschaft inzwischen nachvollzogen, dass Beziehungen zwischen Menschen nicht nur von den beteiligten Personen abhängen, sondern auch von den ‚Kisten‘, in denen sie zusammenkommen oder sich auseinanderleben. Soziale Beziehungen haben demnach materielle Voraussetzungen. Darunter kann man konkrete Dinge verstehen, deren Handhabung oder Umgebung unser Zusammenkommen erst möglich machen, oder auch abstraktere Strukturen, in deren Vorgaben solche Gegenstände eingebettet werden. Philosophisch schließt man damit zum einen an Theorien der „Lebenswelt“ an, wie sie etwa mit Edmund Husserl und Martin Heidegger in den späten 1920er-Jahren aufkamen, zum anderen an Konzepte der Institutionen, wie sie im Gefolge von Arnold Gehlen und seiner Vorstellung einer zivilisatorischen „Superstruktur“ Mitte der 1950er-Jahre formuliert wurden.
Martin Gessmann

Zwischenmenschliches Erleben durch Dinge

Frontmatter
Von gemeinsam genutzten Dingen zu einer kollektiven Ästhetik
Zusammenfassung
Das gemeinsame Nutzen von Dingen hat in den aktuellen Nachhaltigkeitsdebatten eine durchweg positive Konnotation – aus ökonomischer, ökologischer und sozialer Perspektive. Während die ökonomische und die ökologische Perspektive dabei auf die Schonung von Ressourcen wie Raum, Energie oder Bodenschätzen abzielen, ist aus sozialer Perspektive die kollektive Nutzung von Dingen spätestens seit den 1970er-Jahren auch ein Mittel gegen soziale Probleme. Neben sozioökonomischen und soziotechnischen Projekten, die über konstruktive und materialtechnologische Innovationen nach Sparsamkeit streben, spielt unter den Schlagworten Social Design oder Social Innovation das kollaborative und kooperative Entwerfen, Produzieren und Nutzen von Dingen auf der Suche nach nachhaltigen Lebensstilen eine zunehmend wichtige Rolle.
Martina Fineder
Geschmacksbeziehung
Über den Gemeinsinn im Design
Zusammenfassung
Die Geschichte des Designs ist ohne den Begriff des Geschmacks nicht denkbar. Schließlich brachte jede Epoche ihre eigenen Geschmacksvorstellungen hervor. Doch wehrt sich die Designtheorie meist gegen die Behauptung, Gestaltung sei vom Geschmack geprägt.
Annette Geiger
Designte Dinge im Postkosmopolitismus
Zusammenfassung
Wie sollen soziale Designansätze auf eine neue weltpolitische Situation reagieren, die von Postkosmopolitismus geprägt ist? Die These, dass Design postkosmopolitisch wird, beruht zum einen auf der Beobachtung der Wiederbelebung nationaler und ethnischer Grenzen im Alltag, die Unterschiede behaupten, aber sich ihnen kaum öffnen, und zum anderen auf der Hinwendung zu ‚zukunftsorientierten‘ Ansätzen auf Kosten des Verständnisses für kulturell vielfältige Lebensstile. Ein damit zusammenhängendes Problem ist die Tendenz, designte Dinge vor allem als Resultat der Absichten professioneller Designer*innen zu verstehen und weniger als Resultat der Aushandlung materieller Kulturen als solcher. In diesem Beitrag geht es nicht darum, kosmopolitisch und postkosmopolitisch designte Dinge bloß zu definieren, sondern konkret zu fragen, wie sie im Prozess ihrer Entstehung beschaffen sind, welche soziale Rolle sie spielen, welche Zeitlichkeit sie haben und wie sie sich auf Menschen und Orte beziehen.
Adam Drazin
Ethische Dinge und ästhetische Vergemeinschaftung im Zeichen des Global und Postcolonial Turn
Zusammenfassung
Globalisierung und Dekolonisierung als jene zwei miteinander verbundenen historischen Energien, die James Clifford zufolge das letzte halbe Jahrhundert weltweit gesehen am wirkmächtigsten waren, haben nicht nur das Design des 21. Jahrhunderts neu politisiert, sondern gleichzeitig auch den Fokus neu auf die ethische, ökologische und soziale Verfasstheit der Dinge im Anthropozän – der Zeit, in der der Mensch zum wichtigsten Einflussfaktor auf Natur, Klima und Umwelt wurde – gelenkt. Design soll heute neue Werte erzeugen, und Dinge sollen die sozialen, ökonomischen und ökologischen Zusammenhänge und Beziehungen von Menschen im Kontext globaler Hierarchien neu begründen.
Elke Gaugele
Metadata
Title
Zwischenmenschliches Design
Editors
Prof. Dr. Martina Fineder
Johannes Lang
Copyright Year
2020
Electronic ISBN
978-3-658-30269-6
Print ISBN
978-3-658-30268-9
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-30269-6