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11.05.2021 | Energie + Nachhaltigkeit | Gastbeitrag | Online-Artikel

Die Vorteile der Kreislaufwirtschaft

verfasst von: Vincenzo Giordano , Andre de Fontaine

6 Min. Lesedauer

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Kreislaufwirtschaft spart Zeit, Energie und Ressourcen. Sie vermindert Abfallmengen und ermöglicht im Idealfall eine „Zero-Waste“-Produktion. Die EU stärkt sie durch den Green Deal. Lesen Sie hier den ersten von zwei Teilen.

Die Gewinnung von Rohstoffen kostet oft viel Energie und schädigt in einigen Fällen die Umwelt. Zudem sind nicht alle Rohstoffe nachwachsend und damit nur endlich verfügbar. Die Kreislaufwirtschaft zielt darauf ab, gebrauchte Materialien an den Anfang des Herstellungsprozesses zurückzuführen oder Rohstoffe zu recyclen, um sie erneut nutzen zu können. Dadurch können Produktkreisläufe geschlossen und Abfälle minimiert werden, um im Idealfall eine „Zero-Waste“-Produktion zu ermöglichen und so die Umweltbelastung erheblich zu reduzieren. Der erste Teil des Zweiteilers zeigt die Vorteile einer Kreislaufwirtschaft.

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Zirkuläre Wirtschaftsstrategien sind spätestens seit den 1970er Jahren in mehreren Branchen gängige Praxis. So wird beispielsweise in Fertigungsbetrieben die Abwärme zum Vorwärmen von Rohstoffen genutzt, in kommunalen Kläranlagen wird Abwasser aufbereitet und zur Bewässerung von Pflanzen wiederverwendet und in Kraftwerken werden CO2-Emissionen in Benzin für den Antrieb von Fahrzeugen umgewandelt. Dadurch reduzieren Unternehmen Umweltverschmutzung und Kosten, generieren neue Einnahmequellen und verbessern die Widerstandsfähigkeit ihrer Lieferkette.

Green Deal hilft

Obwohl diese Praktiken nicht neu sind, schöpfen Unternehmen noch nicht das volle Potenzial aus, da ihnen oft das Kapital, die Technologie, die Partner oder die regulatorischen Anreize fehlen, die für eine Weiterentwicklung notwendig sind. Auf der regulatorischen Seite bewegt sich spätestens seit letztem Jahr sehr viel. So hat die Europäische Kommission im Zuge des European Green Deal im März 2020 ihren Aktionsplan Kreislaufwirtschaft vorgestellt und damit auch einen Fahrplan vorgelegt, wie sie in den nächsten Jahren weniger Abfälle, mehr Recycling und den Schutz der weltweit verfügbaren Ressourcen erreichen möchte. Hinzu kommen die Bestrebungen für ein europäisches und deutsches Lieferkettengesetz, mit dem Ziel, menschenwürdige Arbeit und den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen weltweit durchzusetzen.

Spätestens jetzt wird klar, dass Unternehmenslenker nicht mehr umhinkommen sich mit der Umsetzung einer Kreislaufwirtschaftsstrategie zu beschäftigen.

Kreislaufmodelle können für Unternehmen enorme Vorteile sowohl aus ökologischer als auch aus finanzieller Sicht haben. Unsere Erfahrungen bei ENGIE zeigen, dass die Vorteile der Zirkularität dabei in vier Bereiche unterteilt werden: Dekarbonisierung, Risikoreduktion, lokale Wirtschaft und Wirtschaftlichkeit.

Recycling reduziert Energieverbrauch

Immer mehr Unternehmen setzen sich Ziele zur Reduktion von Treibhausgasemissionen im eigenen Betrieb oder innerhalb ihrer gesamten Lieferkette. Ein erster Schritt, um den eigenen Produkten einen geringeren CO2-Abdruck über den gesamten Lebenszyklus zu ermöglichen, ist die Verwendung von lokal oder regional beschafften Waren aus Abfallnebenprodukten. In Deutschland gelingt das zum Beispiel schon gut beim PET-Recycling: 34 Prozent des recycelten Materials werden zu neuen PET-Flaschen verarbeitet, 27 Prozent werden von der Folienindustrie genutzt, die Textilfaserindustrie verwendet 23 Prozent wieder und sonstige Anwendungen, wie die Bänder- oder Reinigungsmittelflaschen-Produktion, verwerten 16 Prozent.

Ein weiterer effektiver Schritt, vor allem in Industriesektoren mit schwer abbaubaren Stoffen, ist die Nutzung von Sekundärrohstoffen (recycelten Rohstoffen) in Produktionsprozessen.

Zudem werden Methoden wie die CO2-Abscheidung und -Wiederverwertung besonders in Sektoren wie der Zementindustrie wichtig sein, in denen es derzeit keine alternativen Maßnahmen zur Minderung von Prozessemissionen gibt. Während sich die Technologie noch in der Entwicklung befindet, wird in einer Pilotanlage in Belgien ein neues Verfahren eingesetzt, um reine CO2-Abgase aus der Zementproduktion abzuführen und in kohlensäurehaltigen Getränken, in nahegelegenen Gewächshäusern und in der Zementproduktion wiederzuverwenden.

Die Energy Transition Commission (ETC) hat zum Beispiel geschätzt, dass durch mehr Materialkreislauf die Emissionen in den Sektoren Aluminium, Stahl, Kunststoff und Zement weltweit um bis zu 40 Prozent gesenkt werden könnten. Bei einer aus 100 Prozent recyceltem Aluminium hergestellten Dose ist der Energiebedarf für die Herstellung beispielsweise um 95 Prozent geringer als bei einer herkömmlichen Dose aus Rohaluminium.

Risikoreduktion durch Kostenverteilung

Weltweit nehmen Wetterextreme zu. Der Klimawandel bedroht damit eine Vielzahl von Unternehmen. Daher müssen sie ihre Vermögenswerte und Lieferketten vor immer stärkeren Wirbelstürmen, Hitzewellen, Bränden und Dürren schützen. Zudem zahlen Unternehmen derzeit weltweit jährlich etwa 30 Milliarden Dollar an Kohlenstoffabgaben. Ein Betrag, der im Laufe der Zeit steigen wird, da immer mehr Länder eine CO2-Bepreisung in Angriff nehmen oder durchgesetzt haben und sich der Preis für den Ausstoß von CO2 weiter erhöhen wird.

Um sowohl das finanzielle als auch das materielle Risiko zu reduzieren, können Unternehmen auf sogenannte Shared-Resource-Modelle setzen. Dieses Wirtschaftsmodell, das auf die gemeinsame Nutzung von Ressourcen setzt, kann zum Beispiel die Anzahl gleichartiger Abfallströme reduzieren. Dadurch wird es für das einzelne Unternehmen einfacher und kostengünstiger Umweltvorschriften einzuhalten.

Dieses Modell kann auch dazu beitragen, Lieferkettenrisiken zu reduzieren. Denn wenn Ressourcen lokal oder regional beschafft werden, dann verkürzen sich die Lieferketten und sie sind weniger anfällig für Naturkatastrophen, weltweite Pandemien oder Handelsbeschränkungen.

Symbiosen stärken lokale Wirtschaft

Der Hafen von Rotterdam hat sich zum Ziel gesetzt, der führende internationale „Waste-to-Value-Hafen“ zu werden und durch eine kohlenstoffarme, zirkuläre Produktion eine führende Rolle bei der Ressourcenproduktivität einzunehmen. Der Hafen nimmt CO2 aus der Stromproduktion auf und liefert es an lokale Gewächshäuser. Es wurden Fernwärmenetze eingerichtet, die es Unternehmen ermöglichen, Dampf und Wärme auszutauschen. Das senkt die Ressourcenkosten, stärkt lokale Partnerschaften und reduziert Emissionen. Dank dieser industriellen Symbiose und der daraus entstehenden neuen Einnahmequellen kommt es zu mehr lokaler wirtschaftlicher Aktivität, was die Steuerbasis vor Ort vergrößert und die Beschäftigungsmöglichkeiten für die Einwohner erhöht.

Abfallströme werden zu Umsatzströmen

Die gemeinsame Nutzung von Ressourcen senkt die Beschaffungs- und Entsorgungskosten und schafft neue Einnahmequellen. Ein Beispiel dafür ist die Blue Plains Advanced Wastewater Treatment Plant in Washington, D.C., die Abwasser in Energie umwandelt und die verbleibenden Nebenprodukte zu einem Bodenverbesserer verarbeitet, der an lokale Landwirte verkauft wird. Durch die Energieerzeugung spart die Behörde etwa 10 Millionen US-Dollar pro Jahr an Stromkosten. Der Verkauf des Bodenverbesserers spart zusätzliche 10 Millionen US-Dollar pro Jahr an Transportkosten und schafft eine neue Einnahmequelle.

Auch das Stahlwerk von ArcelorMittal in Gent verwandelt Abfallströme in Umsatzströme: Die in der Stahlproduktion anfallenden Abfallgase werden in Bioethanol umgewandelt, um damit Autos zu betanken.

Der Kreislaufwirtschaft gehört die Zukunft

Die Kreislaufwirtschaft nimmt sich die Natur zum Vorbild. Dort werden Abfallstoffe einer Tierart zur Nahrung einer anderen. Alle Nährstoffe gelangen früher oder später zurück in den Kreislauf. Abfall entsteht dabei nicht. Aufgrund der wachsenden Nachhaltigkeitsanforderungen der Konsumenten und regulatorisch immer strengeren Vorgaben wird es für Unternehmen zukünftig schwerer, ohne eine Zirkularitätsstrategie erfolgreich zu sein. Doch eine durchdacht umgesetzte Kreislaufwirtschaft bietet ökologische und ökonomische Vorteile: Sie kann für einen geringeren CO2-Fußabdruck sorgen, Risiken reduzieren, die lokale Wirtschaft ankurbeln und die eigene Wirtschaftlichkeit erhöhen.

Im zweiten Teil wird auf die Schritte zum Erreichen einer Kreislaufwirtschaft eingegangen.

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