Deutschland hält mit der Nitratbelastung seines Grundwassers einen traurigen Rekord. Forscher versuchen nun, diese mittels Künstlicher Intelligenz oder optimierter Düngung zu senken.
Viel Düngen muss nicht mehr Ertrag bringen. Das ergab eine Testreihe des IASP mit zwölf Weizensorten.
Zuse-Gemeinschaft
Die Stickstoffbelastung auf der Erde steigt von Jahr zu Jahr. "Im terrestrischen Bereich bewirken die Stickstoffverbindungen die Überdüngung der Wälder (Neuartige Waldschäden aufgrund territorial gehäuft freigesetzten Ammoniaks der industriellen Tierproduktion), in aquatischen Systemen die Eutrophierung der Gewässer und die Nitratbelastung des Grundwassers", beschreiben die Springer-Spektrum-Autoren Walter Reineke und Michael Schlömann in ihrem Buchkapitel Globale Umwelt. Klima und Mikroorganismen auf Seite 23 deren einige Ursachen und Wirkungen.
Gerade die Grundwasserbelastung mit Nitraten durch die Landwirtschaft ist in Deutschland schon seit vielen Jahren ein Thema. Seit 2018 ist eine Klage der Europäischen Union (EU) anhängig. Im Frühjahr legte die Bundesregierung eine Neufassung der Düngemittelverordnung vor. Doch diese wird kaum reichen, um die Nitratbelastung im Grundwasser wesentlich zu reduzieren.
EU-Agrarreform verspricht keine Verbesserung
Auch die im Oktober 2020 von der EU verabschiedete Agrarreform wird nur unwesentlich zur Minderung der Stickstoffdüngung und damit der Nitratbelastung beitragen. Die Förderungen für Agrarbetriebe sind auch in Zukunft nicht an verbindliche Vorgaben an den Klima- und Umweltschutz gebunden, bemängeln Kritiker.
Wissenschaftler suchen dessen ungeachtet nach Wegen, wie diese Belastung deutlich minimiert werden kann. Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) setzt dabei auf Künstliche Intelligenz (KI). Die Forscher aus Baden-Württemberg wollen im Programm "Nitrat-Monitoring 4.0 – Intelligente Systeme zur nachhaltigen Reduzierung von Nitrat im Grundwasser" (NiMo 4.0) eine intelligente Entscheidungsunterstützung ermöglichen, bei der Rechner selbstständig lernen können, um entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Die Lösungsansätze sollen in zwei wasserwirtschaftlich bedeutenden Pilotregionen prototypisch implementiert und demonstriert werden. Zum einen sind dies die Einzugsgebiete des Zweckverbands Landeswasserversorgung in Baden-Württemberg und zum anderen des Wasser- und Abwasser-Zweckverbands Niedergrafschaft in Niedersachsen.
Viel Düngen hilft nicht viel
Einen anderen Ansatz entwickelt die Zuse-Gemeinschaft. In den Jahren 2018 und 2019 hat sie auf der der Versuchsstation des Instituts für Agrar- und Stadtökologische Projekte (IASP) in Berge (Brandenburg) zwölf Weizensorten auf verschiedene Arten gedüngt. Im Ergebnis ließ sich kein Mehrertrag durch viel Stickstoff ermitteln, was besonders für die in letzter Zeit häufig trockene Witterung zutrifft. Konkret gingen mit hohen Stickstoffgaben auf dem lehmigen Brandenburger Sandboden des Versuchsstandortes bei Trockenheit sogar leicht verringerte Getreideerträgen pro Hektar einher. Bei normalen Witterungsbedingungen sank der Ertrag sogar ab einer Stickstoffdüngung von 135 kg N pro Jahr und Hektar deutlich. Hingegen reagierten die Pflanzen auf verstärkte N-Gaben bei Trockenheit mit höheren Eiweißgehalten. Diese wiederum sind aber nicht bei jeder Weizensorte erwünscht.
Diese Erkenntnis ist etwa im Ökolandbau keineswegs neu. Hier nimmt man zu Not sogar geringere Erträge in Kauf, verzichtet aber auf übermäßigen Stickstoffdüngung darauf, weiter zur Nitratbelastung des Grundwassers beizutragen. Nun könnte dies auch in der konventionellen Landwirtschaft angewandt werden – ohne dass dort die Erträge zumindest beim Weizenanbau drastisch sinken müssten. "Die Nitratbelastung lässt sich durch Extensivierung oder Ökolandbau drastisch reduzieren", benennen die Springer-Autoren Andreas Bauwe und Bernd Lennartz in ihrem Zeitschriftenbeitrag Landbewirtschaftung steuert Nitratausträge: eine Modellstudie auf Seite 14 diese Möglichkeit.