Die Energiewende schlägt mitunter sonderbare Kapriolen. Um die Wärmeversorgung klimaneutral zu machen, will Hamburg Buschholz aus Namibia nutzen. Doch das ist mehr als umstritten.
Dokumentation der Verbuschung in Namibia (links 1925, rechts das gleiche Gebiet 2011). Das Holz sollte vor Ort und vor allem stofflich genutzt werden.
Royal Society: Carbon dioxide and the uneasy interactions of trees and savannah grasse; William J. Bond, Guy F. Midgley
Der Klimawandel wirkt in vielerlei Facetten. „In den mäßig feuchten Savannen Namibias wurde bei Fotovergleichen mit frühen Aufnahmen von 1876 von Rohde und Hoffman […] eine Zunahme von Gehölzen festgestellt“, beschreiben die Springer-Spektrum-Autoren Markus Hauck, Christoph Leuschner und Jürgen Homeier in ihrem Buchkapitel Savannen und Trockenwälder auf Seite 293 eine davon, der doch eher überraschend ist.
Dieses in Namibia jedes Jahr entstehende Buschholz weckt nun Begehrlichkeiten. Einheimische Farmer wollen es abholzen, weil es den Graswuchs und damit ihre Tierhaltung beeinträchtigt. Europäische Länder suchen nach klimafreundlichen Alternativen, um etwa die Wärmeproduktion klimaneutral zu gestalten.
Zweifelhaftes von der GIZ
Genau diese Interessen will die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) mit ihrem Projekt „Nutzung von Busch-Biomasse“ (BCBU) zusammenbringen. Dafür soll das Buschholz zu Holzpellets verarbeitet und in deutschen Steinkohlekraftwerken verfeuert werden. Diese werden zu diesem Zweck umgerüstet.
Ein erster Abnehmer für das Projekt hat sich auch schon gefunden: das Kohlekraftwerk Tiefstack in Hamburg. Im Mai 2020 schloss die Hamburger Behörde für Umwelt und Energie eine Klimapatenschaft mit Namibia, die den Bezug von afrikanischem Buschholz absichern soll.
Daran entzündete sich massive Kritik nicht nur von Umweltverbänden. Schon auf den ersten Blick erscheint dieser Plan nicht zielführend. Denn schließlich bestimmt einmal mehr Europa, und damit die Heimat alter afrikanischer Kolonialmächte, was auf dem schwarzen Kontinent zu geschehen hat, auch wenn das mit partikulären Interessen der dortigen Farmer zusammentrifft. Diese würden allerdings wiederum mit der Rinderzucht vermehrt das Treibhausgas Methan produzieren.
Vor Ort bliebe die Wertschöpfung, eines der eigentlichen Ziele der GIZ, überschaubar. Denn Holz zu Pellets oder Hackschnitzeln zu verarbeiten und dann zu verschiffen, was übrigens durch das benutzte Schweröl als Treibstoff wieder die Öko-Bilanz verschlechtert, ist keine Hochtechnologie.
40 Organisationen protestierten deswegen in einem offenen Brief an Bundesentwicklungsminister Gerd Müller, der letztlich Dienstherr der GIZ ist. Die fördert das Projekt mit insgesamt 14 Millionen Euro, mit denen auch 105 Biomasse-Industrieparks entstehen sollen, die für den nötigen Brennstoff sorgen. Müller entgegnete, dass die energetische Verwertung nicht vorrangiges Ziel sei. Doch genau darauf läuft es derzeit hinaus.
Keine Kostendeckung bei Stromproduktion
Auch in Deutschland ist das Projekt nicht zielführend und läuft auf eine Dauersubvention hinaus. Eine Studie des Beratungsunternehmens enervis errechnete einen Kilowattstundenpreis von 10,5 bis 12 Cent. Bis zur Marktfähigkeit benötige man deshalb noch einmal Zuschüsse von fast 4 Cent.
Der Hamburger Energietisch (HET), ein Zusammenschluss mehrerer Organisationen, schlägt deswegen etwas ganz anderes vor. „Statt Export-Strukturen zu schaffen, sollte die GIZ Inlands-Strukturen schaffen“, so Dietrich Rabenstein, Vertreter des (HET) im Energienetzbeirat Hamburg.
Schädlicher als Erdgas
Die Hamburger Experten wiesen zudem dem Institut für angewandtes Stoffstrommanagement (Ifas) Trier, auf dessen Gutachten sich die Strategie des GIZ stützt, zahlreiche Berechnungsfehler nach, so bei der CO2-Bilanz, deren möglicher Reduzierung als Kohleersatz sowie beim Transport. Demnach ist Buschholz aus Namibia zweieinhalbmal klimaschädlicher als Erdgas. Auch die möglichen jährlichen Einschlagsmengen seien fehlerhaft, da etwa Buschbrände nicht ausreichend berücksichtigt worden seien.
Es müsse, so der HET, vor allem um eine stoffliche Nutzung vor Ort gehen. Ein Beispiel: Namibia baue viele Schulen. Doch die Schulmöbel würden zu 100 Prozent importiert. Auch Bauholz würde dringend benötigt. Damit würden nachhaltige Wertschöpfungsketten vor Ort geschaffen, anstatt einer wieder nur sehr kurzen und wenig nachhaltigen Wertschöpfung vor Ort.
Holz würde dabei ausreichend zur Verfügung stehen. „Besondere Verhältnisse herrschen auf zweistöckigen Böden […], wie zum Beispiel in Namibia, wo dann bei einem Jahresniederschlag von nur 185 mm noch eine Buschsavanne wächst […]. Bei dieser Regenmenge wäre auf tiefgründigem sandigem Boden reines Grasland zu erwarten“, beschreiben die Springer-Spektrum-Autoren Siegmar-W. Breckle und M. Daud Rafiqpoor im Buchkapitel Zonobiom der Savannen bzw. laubwerfenden Wälder und Grasländer bzw. des tropischen Sommerregengebietes auf Seite 193 diese stetig nachwachsende Rohstoffquelle.