Skip to main content

22.05.2012 | Energie + Nachhaltigkeit | Interview | Online-Artikel

„Ein überschwemmter Fischmarkt wird heute mehr als Event, denn als Gefahr wahrgenommen.“

3:30 Min. Lesedauer

Aktivieren Sie unsere intelligente Suche um passende Fachinhalte oder Patente zu finden.

search-config
print
DRUCKEN
insite
SUCHEN
loading …

Ein Gespräch des BWK mit zwei Zeitzeugen über die Sturmflutkatastrophe vom 16./17. Februar 1962 und Konsequenzen für den Sturmflutschutz in Hamburg

Wasser und Abfall: Herr Cousin und Herr Dr. Gäbler, Sie waren beide im Februar 1962 bei der Freien und Hansestadt Hamburg als Bauingenieure tätig. Allerdings waren Sie damals in der Baubehörde nicht mit Aufgaben unmittelbar im Bereich des Deichbaus und der Deichverteidigung befasst.

Bodo Cousin: Ich war dort zwar in der Hauptabteilung Wasserwirtschaft beschäftigt. Unsere Arbeit war zur damaligen Zeit vorrangig die Lösung der wasserwirtschaftlichen Probleme bei der Erschließung von Flächen für den Wohnungsbau sowie Gewerbe- und Industrieansiedlungen. Denn nach dem Krieg lagen die Schwerpunkte der öffentlichen Investitionen im Wiederaufbau der zerbombten Hansestadt Hamburg und in der Anpassung der Infrastruktur an die enorm gewachsenen Anforderungen des Verkehrs.

Dr. Hans-Jürgen Gäbler: Nach meinem Referendariat habe ich zunächst in der Hauptabteilung Straßenbau für die neuen Baugebiete die Erschließungsbescheide gefertigt. Deichbau spielte dabei keine Rolle. Die letzte große Sturmflut mit Höchstwasserständen und relevanten Deichbrüchen lag schließlich fast 140 Jahre zurück. Erst die Sturmflut von 1962 spülte mich dann sozusagen mit vielen anderen Kollegen in die nun aufgewertete Hauptabteilung Wasserwirtschaft.

Wasser und Abfall: Das Gefühl für die Bedrohung durch Sturmfluten stand also in keinem angemessenen Verhältnis zur tatsächlich vorhandenen Sicherheit. Das begründet wohl auch die damalige Verteilung von Finanzmitteln und den Einsatz der Personalressourcen zugunsten der Infrastruktur gegenüber dem Hochwasserschutz.

Bodo Cousin: Hinterher ist man schlauer und kann leicht sagen, was hätte sein sollen. Es gab aber schon Diskussionen um die vorhandenen Deichprofile und die damalige Deichlinie. Denn neben den kriegsbedingten Schäden entsprachen die alten Deichprofile damals schon nicht mehr den Erkenntnissen an Hochschulen und Forschungsinstituten für Wasserbau. Ich hatte mich damals eher aus allgemein wasserwirtschaftlichem Interesse eingemischt. Aber auch weil die prekäre Situation an manchen Abschnitten der Deichlinie die Notwendigkeit zu grundsätzlichem Überdenken und zum Weiterentwickeln der Deichplanung in Hamburg augenfällig waren. Große Lösungen wie eine Abdeichung z. B. der Süderelbe waren aber vor der Flut nicht diskutierbar.

Wasser und Abfall: Waren Sie beide während und unmittelbar nach der Sturmflutkatastrophe im Einsatz?

Dr. Hans-Jürgen Gäbler: Ich versuchte am Tage der Flut noch in Bayern Ski zu laufen – vergeblich wegen starken Windes. Bei der Rückreise erfuhr ich auf demMünchener Hauptbahnhof zu meinem Erstaunen, dass ich über Lübeck nach Hamburg fahren müsse. Wilhelmsburg war also überflutet, und auch über Lauenburg durch die Vier- und Marschlande war offenbar kein Bahnverkehr mehr möglich. Bei Dienstantritt am Montagmorgen wurde ich an einen Deichbruch in Finkenriek an der Süderelbe geschickt. Wie und über welche Wege mich der Fahrer damals dorthin gebracht hat, ist mir heute noch unklar. Anderswo sah es wahrscheinlich noch schlimmer aus. Ich habe versucht, mir ein Bild über das gewesene Ereignis zu machen, sowie zu ergründen, was ich hier an dem kaputten Deich wohl sollte. Als mir ein Bundeswehrsoldat, der mit einem Sturmboot herangebraust kam, mitteilte, er solle auftragsgemäß den verbliebenen Deich durch Sprengung weiter öffnen, damit das Wasser schneller abfließen könne, war mir klar: Ich musste verhindern, dass dem Deich noch zusätzlicher Schaden zugefügt wird. Bis zur nächsten Sturmflut musste die Lücke ja wieder geschlossen werden.

Wasser und Abfall: Herr Cousin, auf Grund Ihrer nebenberuflichen Tätigkeit waren Sie mit Deichen und Hochwasserschutz am besten vertraut. Sie waren 1942 bis 1945 in den Niederlanden für die deutsche Verwaltung als Verbindungsmann zum Rijkswaterstaat, der Nationalen Straßen- und Wasserbehörde der Niederlande, eingesetzt worden. Es gelang Ihnen, sich per Hubschrauber schnell einen Überblick über das Schadensausmaß zu verschaffen.

Bodo Cousin: Aus diesem ersten beruflichen Kontakt mit dem Küstenschutz entwickelte sich nach dem Krieg ein intensiver fachlicher Austausch, insbesondere über Maßnahmen zum Sturmflutschutz. Im Februar 1953 erlebten die Holländer ihre schlimmste Flutkatastrophe mit über 1.800 Toten. Ich kann mich noch an einen abenteuerlichen Hubschrauberflug erinnern – mit herausgenommener Tür, um besser fotografieren zu können.


Vollständiges Interview mit Dr. Hans-Jürgen Gäbler und Bodo Cousin lesen.

print
DRUCKEN

Die Hintergründe zu diesem Inhalt