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23.03.2021 | Energie + Nachhaltigkeit | Schwerpunkt | Online-Artikel

Pflanzenvielfalt in Deutschland nimmt drastisch ab

verfasst von: Frank Urbansky

3:30 Min. Lesedauer

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Bei über 70 Prozent von mehr als 2000 untersuchten Arten sind in den letzten 60 Jahren deutschlandweit Rückgänge zu beobachten. Das wurde im Programm sMon – Biodiversitätstrends in Deutschland ermittelt.

Die Pflanzenvielfalt in Deutschland ist auf dem Rückzug. "Zunehmende Düngung erhöht […] zwar die Produktivität, aber verringert die Pflanzenartenvielfalt […]. Der Effekt hängt nicht nur von der Menge, sondern auch von der Art des eingesetzten Düngers ab. So scheinen organische Dünger die Pflanzenvielfalt weniger zu beeinträchtigen als mineralische Dünger", benennen die Springer-Vieweg-Autoren N. Wrage-Mönnig, C. Bisgwa und A. Graunke in ihrem Buchkapitel Die Deichbegrünung unter ökologischen Gesichtspunkten auf Seite 51 einen der Gründe.

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Das Projekt sMon, das Biodiversitätstrends in Deutschland untersucht und vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), den Universitäten Jena, Halle und Rostock, dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) sowie dem Bundesamt für Naturschutz (BfN) und den oberen Naturschutzbehörden aller 16 Bundesländer, realisiert wurde, ermittelte nun dramatische Zahlen. Über 70 Prozent von mehr als 2000 untersuchten Arten haben in den letzten 60 Jahren deutschlandweit den Rückzug angetreten. Seit den 1960er Jahren wurden Einbußen von durchschnittlich 15 Prozent verzeichnet. Dafür wurden 29 Millionen Daten ausgewertet.

Zwei Prozent weniger je Jahrzehnt

In der Fläche wurde über ganz Deutschland hinweg in jedem Rasterfeld, das etwa 5 mal 5 Kilometer betrug, ein mittlerer Rückgang der Artenvielfalt um rund zwei Prozent pro Jahrzehnt festgestellt. Zu den Verlierern zählen Archäophyten, also Arten, die durch den Menschen bereits vor der Entdeckung Amerikas nach Deutschland gelangten, wie die Saat-Wucherblume und der Echte Frauenspiegel, aber auch der Große Klappertopf und der Gute Heinrich. Neophyten hingegen, also Arten, die nach 1492 Deutschland erreicht haben, breiteten sich aus. Dazu gehören etwa das Drüsige Springkraut oder das Schmalblättrige Greiskraut. "Selbst diese Zunahme konnte die Verluste der Artenzahl pro betrachteter Flächeneinheit nicht ausgleichen", so die Wissenschaftler.

"Es wird einmal mehr deutlich, dass wir in unserem Umgang mit Natur und Landschaft zu einem Umdenken kommen müssen. Denn die in der Studie nachgewiesenen Bestandsrückgänge erstrecken sich über die gesamte Fläche Deutschlands. Wir müssen breit in der Fläche an der Land- und Forstwirtschaft ansetzen, die beide zusammen ja 80 Prozent der Flächen in Deutschland einnehmen. Naturverträglichere Nutzungsformen sind dringend geboten", so die BfN-Präsidentin Beate Jessel.

Deutlichkeit der Ergebnisse hat überrascht

"Die Ergebnisse haben uns in dieser Deutlichkeit wirklich überrascht. Sie zeichnen ein sehr düsteres Bild des Zustandes der Pflanzenvielfalt in Deutschland", sagt Erstautor David Eichenberg von iDiv. Dabei wurde bestätigt, dass die Rückgänge nicht auf die ohnehin seltenen oder besonders gefährdeten Arten beschränkt seien, sondern offensichtlich schon seit längerem ein schleichender Biodiversitätsverlust der Mehrzahl der Pflanzenarten in Deutschland stattfinde.

Die Autoren halten es zudem für wahrscheinlich, dass der beobachtete Rückgang der Pflanzenvielfalt wesentliche Auswirkungen auf die Biodiversität und die Leistungen von Ökosystemen habe. Aufgrund der oft sehr komplexen Zusammenhänge über Nahrungsnetze und Kaskadeneffekte könnten derartige Verluste sehr gravierende Auswirkungen haben. Offensichtlich würden die vielschichtigen Beziehungen bei den Insekten, die sowohl in ihrer Vielfalt als auch in ihrer Häufigkeit abnehmen.

Die Studie zeigt den Autoren nach aber auch, dass die Datenlage weiterhin verbessert werden müsse, um auch schleichende Verluste der biologischen Vielfalt möglichst frühzeitig zu entdecken. Um dies zu erreichen, lege das Bundesamt für Naturschutz gerade die Grundlagen für ein Monitoring mittelhäufiger Pflanzenarten in Deutschland. Im Gegensatz zu seltenen Arten, deren Bestände und Vorkommen oft gut untersucht seien, fielen Verluste bei den mittelhäufigen bis häufigen Arten mit den gegenwärtigen Erfassungsmethoden erst spät oder gar nicht auf.

Aber selbst wenn dies erkannt wird, braucht es Maßnahmen, um dieser Entwicklung entgegenzusteuern. "Der Anlage und Gestaltung umfangreicher und strukturierter Randbereiche mit Sträuchern, Blühmischungen oder Säumen kommt eine hohe Bedeutung für die Biodiversität zu", beschreibt ein Springer-Spektrum-Autorenkollektiv um Jens Dauber auf Seite 397 seines Buchkapitels Agrarholzanbau und Biodiversität eine dieser Möglichkeiten.

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