Springer Professional: Wie groß ist der Anteil des Straßengüterverkehrs an den klimaschädlichen CO2-Emissionen in Deutschland?
Martin Wietschel: Der Anteil des Lkw-Sektors an den Treibhausgasemissionen in Deutschland liegt aktuell bei knapp 5 Prozent, wobei der Großteil auf die schweren Sattelzugmaschinen (SZM) entfällt. Die deutschen SZM machen im Bestand nur knapp 190.000 Fahrzeuge aus. Sie verursachen aber durch die hohen jährlichen Fahrleistungen (im Schnitt 100.000 Kilometer) und den hohen Verbrauch über 20 Millionen Tonnen an Treibhausgasen.
Als interessante Alternative kommen Hybrid-Oberleitungs-Lkw ins Spiel. Wie weit ist die Entwicklung vorangeschritten und welches Potenzial haben sie?
Oberleitungs-Lkw basieren in vielen Punkten auf bekannten Technologien, unter anderem von Bahntechnologien und Oberleitungs-Bussen. Einige technologische Bereiche müssen aber weiterentwickelt werden. Derzeit werden Pilotprojekte errichtet, um die Praxistauglichkeit zu testen. Vielbefahrene Autobahnen und zum Teil auch Bundestraßen bieten ein relevantes Potenzial für diese Technologie. Wenn man nur die Hälfte der Autobahnen in Deutschland elektrifiziert, dann kann man rund 70 bis 80 Prozent der gefahrenen Kilometer von SZM elektrisch fahren.
Wie engagiert arbeiten die Lkw-Hersteller mit?
Diese sind derzeit eher etwas zurückhaltend. Systemanbieter wie Siemens pushen das Thema stärker.
Im letzten Jahr sind ja weltweit Pilotvorhaben für Oberleitungs-Lkw gestartet. Wo finden diese statt und gibt es bereits erste Ergebnisse der Begleitforschung?
Bislang gibt es weltweit Pilotprojekte zu Hybrid-Oberleitungs-Lkw unter anderem in den USA und in skandinavischen Ländern. Mit einer Teststrecke in der Nähe von Berlin und drei geplanten Projekten (Schleswig-Holstein und Hessen an Autobahnen sowie in Baden-Württemberg an einer Bundesstraße) sind auch bereits erste Demonstratoren in Deutschland in der Umsetzung. Da sich die Pilotstrecken in Deutschland erst im Aufbau befinden, gibt es noch keine großen Erfahrungen mit einer Begleitforschung. Erste Erfahrungen mit der Akzeptanz in der betroffenen Bevölkerung beim Pilotprojekt eWayBW in Baden-Württemberg zeigen, dass die breite Mehrheit dieser Technologie derzeit offen gegenübersteht, einige wenige sich allerdings auch kritisch äußern.
Die erforderliche Infrastruktur, Akzeptanz bei Fahrern und der Bevölkerung oder energiewirtschaftliche Auswirkungen sind nur einige der drängenden Fragen. Sind Sie optimistisch diese zu lösen oder liegen eventuell andere Optionen auf dem Tisch, wie ein Brennstoffzellen-Lkw?
Von der Energieeffizienz sind die Oberleitungen allen anderen Alternativen deutlich überlegen. Auch von der Wirtschaftlichkeit haben sie Vorteile, wenn die Oberleitungsinfrastruktur erst einmal aufgebaut ist. Aber die Einführungshürden bei den Oberleitungs-Lkw sind hoch. Dies bietet Chancen für andere Optionen. Zu nennen sind hier einmal die von Ihnen angesprochenen Brennstoffzellen-Lkw. Hier liegen die Herausforderungen in der Kostensenkung der Fahrzeuge, in der noch zu geringen Reichweite sowie dem fehlenden Tankstellennetz. Zum anderen bieten synthetische Kraftstoffe, sei es in gas- oder flüssiger Form, ein Potenzial. Der Vorteil liegt in den Nutzungsmöglichkeiten von vorhandenen Infrastrukturen und den vergleichsweise günstigen Verbrennungsmotoren. Die Nachteile liegen in dem niedrigen Wirkungsgrad der gesamten Kette von der Herstellung der Kraftstoffe bis zu deren Nutzung und den hohen Kraftstoffkosten. Welche der verschiedenen Optionen sich künftig durchsetzen wird ist derzeit noch schwer zu sagen. Ich sehe aber die Oberleitungs-Lkw in einer recht guten Wettbewerbssituation.