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13.08.2018 | Energie | Interview | Online-Artikel

"Elektromobilität in China als Jahrhundertchance verstanden"

verfasst von: Nico Andritschke

4 Min. Lesedauer

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Deutschland soll sich perspektivisch zum Leitmarkt für Elektromobilität entwickeln. Professor Ulf Henning Richter erläutert wie China Schlüsseltechnologien erfolgreich implementiert.

Springer Professional: Bis 2021 sollen eine Million Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen unterwegs sein. Ist das mit den gegebenen Voraussetzungen hinsichtlich Technologie und Infrastruktur zu schaffen?

Ulf Henning Richter: Schlüsselfaktoren für einen nachhaltigen Erfolg der Elektromobilität ist der Aufbau von Ökosystemen, die den Verbraucher nicht nur mit finanziellen Anreizen, sondern auch durch Praktikabilität und vorteilhafte institutionelle Rahmenbedingungen überzeugen. Deutschlands Gesetzgeber und Automobilhersteller haben zunächst eher zögerlich und phlegmatisch auf die Herausforderungen aus den USA und Asien reagiert. Andere europäische Länder wie zum Beispiel Norwegen verstehen Elektromobilität als eine Chance, mit neuen Geschäftsmodellen Innovationen in einer Zukunftstechnologie voranzutreiben. Deutschland hat sowohl die Ressourcen als auch die Expertise, aber quält sich eine der größten Umwälzungen im Bereich Mobilität in den letzten hundert Jahren umzusetzen. Die bestehenden Infrastrukturinvestitionen reichen dazu bei weitem nicht aus. 

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Die Automobilindustrie, die durch politische, ökonomische, soziokulturelle und technologische Einflussfaktoren wesentlich geprägt wird, befindet sich in einer Phase der radikalen Transformation. 

Welche Rolle spielt die Elektromobilität in Asien und speziell China?

Elektromobilität wird in China als eine Jahrhundertchance verstanden, die westliche Dominanz in der Automobilindustrie zu durchbrechen, und gleichzeitig im Zusammenspiel mit der Energiewende, die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen zu reduzieren. Dies spielt insbesondere vor der historischen Erfahrung Japans, das sich zu Beginn des zweiten Weltkriegs zunächst die Öl- und Gasvorkommen Südostasiens sicherte, eine große geostrategische Rolle für die chinesische Regierung in ihrem Aufstieg zur führenden Weltmacht. Dazu kommt der große innenpolitische Druck eine Reduzierung der Abgase in den Ballungsräumen zu erwirken, da diese die Lebensqualität der urbanen, wohlhabenden Bevölkerung wesentlich beeinträchtig. Ein Indiz dafür ist, dass der heutige chinesische Minister für Wissenschaft und Technologie Wan Gang, ehemaliger Präsident der Tongji Universität (2002–2007) war. Er ist ein Automobilexperte, der unter anderem den ersten Prototypen eines Elektroautos an der Tongji Universität konstruieren ließ.

Elektromobilität funktioniert nicht ohne entsprechende Speichertechnologie. China ist auf dem Weg sich auf diesem Terrain die Marktführerschaft zu sichern. Auch andere Technologien wie Solarzellen sind in den letzten Jahren nach Asien abgewandert. Was macht die chinesischen Firmen so erfolgreich und was können wir davon lernen?

Chinesische Unternehmer, die chinesische Regierung und die ihr angegliederten Denkfabriken haben lange Erfahrung im Studium und Transfer westlicher Schlüsseltechnologien in den chinesischen Markt. Es handelt sich dabei um ein enges Zusammenspiel von Wirtschaft, Partei und Regierung, in der Finanzierungsmechanismen und die Gesetzgebung an die politischen Ziele der chinesischen Regierung angeglichen werden. Chinesische Firmen erhalten oftmals massive Subventionen von konkurrierenden Regionalregierungen, die die besten Zukunftstechnologien in ihrer Region ansiedeln wollen. Zudem werden Städte als Experimentierorte designiert. Beispiele dafür sind die weite Verbreitung von BYD’s Elektrotaxis in Shenzen oder Elektrobusse in Ningbo. 

In naher Zukunft soll in Erfurt eine Batteriefabrik der Firma CATL entstehen. Wie stark wird dieser Impuls den Markt und die Akzeptanz von Elektromobilität hierzulande möglicherweise beeinflussen?    

Batteriefabriken sind ein wichtiger Faktor im Aufbau von Elektromobilitätsclustern, welche Herstellern und Zulieferern in der Zukunft erlauben werden, neue Just-in-Time Systeme aufzubauen, unter anderem auch um potenzielle Unterbrechungen in zunehmend fragilen globalen Zulieferketten zu vermeiden. In Zeiten, in denen langanhaltende destruktive Handelskriege zwischen den USA, Europa und Asien nicht mehr in das Reich der Phantasie gehören, ist der Aufbau von belastbaren Zulieferketten eine condicio sine qua non. Zudem sind vom graduellen Aufbau von Zulieferern im Bereich der Elektromobilität Lerneffekte zu erwarten, welche langfristig auch den Herstellern nutzen werden.

Die Förderung erforderlicher Rohstoffe und der Umgang mit gebrauchten Akkus schaffen neue ökologische Herausforderungen. Werden diese bislang in den Strategien der Politik und Hersteller mitbedacht?

Die Automobilindustrie denkt traditionell in linearen Wertschöpfungsketten. So haben chinesische Investoren, wie auch Investoren die auf den chinesischen Markt wetten, schon vor einigen Jahren begonnen in Rohstoffvorkommen, insbesondere Lithium, zu investieren. Allerdings ist die großflächige Entsorgung zurzeit noch völlig ungeklärt. In der deutschen Wirtschaft und Politik wird viel über Kreislaufwirtschaft diskutiert, aber der heutige Stand der Technik in der Batterieproduktion stellt Hersteller und Verbraucher vor große neue Herausforderungen. Das Recycling von Lithiumbatterien ist beim heutigen Stand der Technik ökonomisch nicht vertretbar und lässt sich nur aus umweltpolitischen Gesichtspunkten begründen. Der Lithiumanteil einer Batterie liegt bei etwa drei Prozent, ein komplettes Recycling kostet ein Vielfaches der Produktionskosten. Weder Politik noch Wirtschaft haben zurzeit eine überzeugende Antwort auf diese Herausforderung.

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