Interview mit Prof. Dr. Wolfgang Winkler,Leiter des Instituts für Energiesysteme und Brennstoffzellentechnik an der HAW Hamburg
Sie leiten das Verbundprojekt mit dem Codenamen "tubulAir". Was verbirgt sich dahinter?
Der Name "tubulAir" enthält als neue Wortschöpfung bereits die wesentlichen Elemente, die das Vorhaben kennzeichnen. Er steht einerseits für die tubuläre Bauform der Zelle und die Silbe "Air", aus dem Englischen entlehnt, für die Nutzung von feuchter Luft als Reaktionsmittel der Redox Flow-Batterie.
Diese Redox-Flow-Batterien gibt es bereits. Welche neuen Forschungsansätze verfolgen sie jetzt?
Es gibt heute schon Redox-Flow-Batterien, allerdings nicht solche, die sich mit Luft betreiben lassen und die Zellstapel sind aus Platten und nicht aus Röhrchen aufgebaut. Aus diesen beiden Bedingungen folgt ein völlig neues Konzept mit der Zielsetzung, die Energiedichte gegenüber einer heutigen All Vanadium Redox Flow Battery etwa zu verdoppeln und die Leistungsdichte des Zellstapels durch die tubuläre Bauweise deutlich zu erhöhen. Diese Zielsetzungen erfordern einen breiten Ansatz, wie er für Verbundprojekte typisch ist, der von der Forschung im Labor und am Computer bis hin zur Konzeption und Umsetzung industrieller Fertigungsverfahren mit marktfähigen Kostenzielen reicht.
Dafür muss auch die Grundlagenforschung einen Beitrag leisten…
Die hier notwendigen Grundlagenuntersuchungen beziehen sich im Wesentlichen auf die Erforschung und Entwicklung geeigneter Materialen, die von den Katalysatoren, Elektroden und Membranen bis hin zu neuen Elektrolyten reicht und durch Simulationsrechnungen begleitet wird. Diese Ergebnisse fließen dann in die industrielle Entwicklung ein und müssen daher auch Fragen der Herstellung einschließen.
Welche Partner haben sie an ihrer Seite?
Unsere Partner sind im Bereich der Forschung der Arbeitsbereiche die Arbeitsgruppe Elektrochemie am DECHEMA-Forschungsinstitut in Frankfurt mit Herrn Dr. Mangold und Frau Dr. Weidlich, die Arbeitsbereiche von Herrn Prof. Wessling am DWI an der RWTH Aachen, die zwei anorganisch-chemischen Arbeitsbereiche an der Friedrich-Alexander Universität Erlangen und der Universität Hamburg von Herrn Prof. Bachmann und Herrn Prof. Burger. Die beteiligten Industriepartner sind die Firma FuMA-Tech in St. Ingbert unter der Leitung von Herrn Dr. Bauer und der von Herrn Fischer geleitete Arbeitsbereich der Firma Uniwell Rohrsysteme in Ebern. Außerdem ist der Arbeitsbereich von Herrn Dr. Tsotridis am Institut für Energie und Transport der Generaldirektion Gemeinsame Forschungsstelle Petten der Europäischen Kommission assoziierter Partner.
Was müssen die Kooperationsinstitute und Firmen im Einzelnen leisten?
Die Beiträge der Grundlagenforschung gehen unmittelbar in die Umsetzung der Entwicklungsziele über. Beim Dechema-Forschungsinstitut erfolgt die elektrochemische Charakterisierung und die Erarbeitung industrieller Qualitätssicherungskonzepte, am DWI die Entwicklung von Katalysatoren- und Membran-Herstellverfahren, an der Universität Erlangen die Entwicklung nanostrukturierter Elektroden, an der Universität Hamburg die Entwicklung neuer Elektrolyte mit hoher Energiedichte, während wir selbst an der HAW für das Prozess-Engineering mit experimenteller Evaluation und Simulation verantwortlich sind. FuMA-Tech betreibt die industrielle Membranentwicklung, während Uniwell industrielle Fertigungstechnologien für tubuläre Membrane und Membran-Elektroden-Einheiten entwickelt.
In 5 Jahren soll der neue stationäre Energiespeicher den Markt erobern. Wo liegen die Risiken?
Zunächst ist natürlich bei jedem neuen Konzept mit einem hohen Anteil von Grundlagenforschung damit zu rechnen, dass alle Beteiligten deutlich mehr hinzulernen müssen als sie ursprünglich erwartet hatten. Hier hoffen wir aber, durch die unterschiedlichen Erfahrungen der Partner auf gleichermaßen relevanten Fachgebieten, Probleme frühzeitig identifizieren und lösen zu können. Andererseits sind stets die Aspekte Lebensdauer und Zuverlässigkeit neben der Erreichung der Kostenziele wesentliche Größen für den Produkterfolg.
Wie schätzen sie den Stand der internationalen Speicherforschung ein?
Die asiatischen Industrieländer, wie Japan und Korea haben hier in den letzten beiden Jahrzehnten enorme Fortschritte gemacht und insbesondere China hat sich hier Spitzenpositionen erobert. In Deutschland sind leider, sozusagen antizyklisch zu Asien, die traditionell weltweit führenden Forschungskapazitäten im Bereich der Elektrochemie abgebaut worden. Auch der erste Atomausstieg hat bedauerlicherweise daran nichts geändert, erst in jüngster Zeit ist man sich der Bedeutung dieses Fachgebiets für die zukünftige industrielle Entwicklung wieder bewusster geworden. Es besteht also Hoffnung, dass uns der Anschluss wieder gelingt, allerdings dürfen wir uns neue Fehler nicht mehr leisten.
Vielen Dank für das Interview.