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28.10.2013 | Energie | Interview | Online-Artikel

Energiewende: Kostentreiber oder Klimaretter?

verfasst von: Günter Knackfuß

4 Min. Lesedauer

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Eine der größten Herausforderungen in Deutschland wird in nächster Zeit die Energiewende sein. Im Zieldreieck aus Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit nehmen die Spannungen zu. Aus wissenschaftlicher Sicht nachzufragen sind die unterschiedlichen Strategien des Ausbaus der erneuerbaren Energien, ihre Ziele und die Kosten. Über alternative Entwicklungspfade sprachen wir mit Dr. Brigitte Knopf, stellvertretende Leiterin des Forschungsbereichs III "Nachhaltige Lösungsstrategien" und Leiterin der Arbeitsgruppe Energiestrategien Europa und Deutschland am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK).

Springer für Professionals: Sie kritisieren die unklare Zielorientierung der Energiewende. Welche Prioritäten sollten gesetzt werden?

Dr. Brigitte Knopf: Die Wissenschaft kann nicht sagen, welche Prioritäten gesetzt werden sollen – Prioritäten können nur auf Basis eines gesellschaftlichen Aushandlungsprozesses festgelegt werden. Wir beobachten, dass die Energiewende nicht nur aus Gründen des Klimaschutzes betrieben wird. Zunehmend wird der Ausbau der Erneuerbaren als eigenständiges Ziel angesehen und die Nebennutzen der Erneuerbaren betont: neben dem Klimaschutz werden auch andere Ziele, wie Energieautarkie, regionale Wertschöpfung oder Demokratisierung der Energieversorgung betont. Auch das ist prinzipiell kein Problem, wenn die Mehrkosten oder die Opportunitätskosten für die Erreichung dieser Ziele auf den Tisch gelegt werden. Außerdem muss gezeigt werden, dass diese Nebenziele nicht vielleicht mit anderen Instrumenten zu geringeren Kosten erreicht werden können. Aber diese Debatte fehlt.

Aus ihrer Sicht ist die Energiewende bisher erfolgreich und erfolglos zugleich. Welche Faktoren haben sie bewertet?

Wenn man die Energiewende als Ausbau der Erneuerbaren Energien bei gleichzeitigem Ausstieg aus der Kernenergie versteht, so kann man sie als Erfolg bezeichnen. Wir haben einen Anteil von 23% Erneuerbaren an der Stromerzeugung erreicht. Es hat bisher – auch dank verstärkter Arbeit in den Schaltwerken – keine Black-outs gegeben. Die Akzeptanz der Energiewende in der breiten Bevölkerung ist nach wie vor hoch und die internationale Aufmerksamkeit groß. Wenn man allerdings die Energiewende aus Sicht des Klimaschutzes bewertet, so zeigt sich, dass im letzten Jahr die Emissionen auch in Deutschland wieder gestiegen sind. Bei der Emissionsreduktion ist die Energiewende bisher also weniger erfolgreich.

Inwiefern stehen Klimaschutz und Ausbau der Erneuerbaren in Konflikt zueinander?

Der Ausbau der Erneuerbaren hat nicht im gleichen Maße zu Emissionsreduktionen geführt. Zum einen wird dem Stromsektor mit dem Ausbau der Erneuerbaren sehr viel Aufmerksamkeit geschenkt, während die Emissionsreduktionen im Transport- und Wärmesektor vernachlässigt werden. Und bei den Erneuerbaren selbst fällt auf, dass mehr als die Hälfte der EEG-Umlage auf die Photovoltaik zurückzuführen ist – die aber nur einen Bruchteil zur deutschen Stromversorgung beiträgt. Hier stellt sich die Frage, ob mit dem gleichen Geld nicht durch andere Maßnahmen mehr Klimaschutz hätte erreicht werden können.
Zum anderen wird der Anstieg der Emissionen in Deutschland derzeit nur über den europäischen Emissionshandel aufgefangen. Wenn Deutschland mehr emittiert, muss woanders in Europa weniger emittiert werden. Ohne den Emissionshandel wird der Ausbau der Erneuerbaren in Deutschland alleine den Klimaschutz nicht unbedingt vorantreiben. Die Stärkung des europäischen Emissionshandels, z.B. über einen verlässlichen Pfad für Emissionsminderungen, wäre eine Möglichkeit, diesen Konflikt aufzulösen.

Beim Emissionshandel lassen ihre Untersuchungen neue Tendenzen erkennen…?

Der Emissionshandel setzt europäisch einen Deckel auf die Emissionen. Er ist das zentrale Element für den europäischen Klimaschutz, leidet allerdings derzeit unter einem starken Preisverfall. Dieser kann aber gestoppt werden, wenn ambitionierte Emissionsreduktionsziele für 2030 festgelegt werden. Derzeit gelten diese Ziele nur bis 2020. Zusätzlich könnte man den Transportsektor mit in den Emissionshandel mit einbeziehen. Auf diese Weise könnte der Emissionshandel wiederbelebt werden.

Ihr Institut hat - wie die Europäische Kommission - beim Klimaschutz u.a. auch den Zeitrahmen bis 2030 im Blick. Die deutsche Politik hat da Defizite?

Derzeit gelten EU-weit bis 2020 Ziele für Emissionsreduktion, für den Anteil der Erneuerbaren und für Energieeffizienz. Es ist nicht klar, ob es für 2030 nochmal ein Erneuerbaren-Ziel geben wird, darüber wird gerade europaweit debattiert.Es gibt aber derzeit keinerlei offizielle deutsche Position, wie die europäischen Ziele für 2030 aussehen könnten. Wenn es jedoch kein eigenes Ziel für die Erneuerbaren gibt, dann könnte das die ambitionierten deutschen Ziele in Frage stellen – und Deutschland würde mit seinem Fokus auf die Erneuerbaren alleine dastehen. Von daher ist für die deutsche Energiewende ein Erneuerbaren-Ziel auf europäischer Ebene sehr wichtig.

Zum Fazit. Wie bewerten sie schlussendlich unsere Ausgangsfrage?

Ich würde sagen: Bisher ist die Energiewende weder Kostentreiber noch Klimaretter. Die Kosten sind noch im Rahmen, aber der Ausstoß von Treibhausgasen ist eben bislang auch nicht wirklich verringert worden. Der Schlüssel zur Beantwortung dieser Frage liegt in Europa: wenn wir es schaffen, den Ausbau der Erneuerbaren europäisch voranzutreiben, und wenn wir mit dem Emissionshandel den Klimaschutz europäisch denken, dann kann Deutschland sicher seinen Beitrag zu einem bezahlbaren Klimaschutz leisten.

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Die Hintergründe zu diesem Inhalt

2013 | OriginalPaper | Buchkapitel

Politik für die Energiewende

Quelle:
Energiewende

2012 | OriginalPaper | Buchkapitel

Klima und Energie

Quelle:
Umweltschutztechnik