Insbesondere durch die Möglichkeiten der Digitalisierung sind die Richtungen, in die Innovationen gehen können vielseitig. Die Diskussion darüber wird in Unternehmen häufig hinsichtlich dessen, was strategisch "richtig" ist und von Kunden gewollt wird, von Meinungen und nicht von Fakten geprägt. Oft orientieren sich diese Entscheidungen an "Trends" oder sind an Vorlieben der Innovationsverantwortlichen ausgerichtet und damit der Erfolg dem Zufall überlassen.
Sind Innovationen notwendigerweise Zufallsprodukte oder können sie mit Hilfe einer Methode zuverlässig identifiziert und zur Marktreife entwickelt werden? An welchen Kriterien sollen sich Innovationen messen lassen? Können wir unserem Unternehmen gar mit Hilfe eines "Nordsterns" eine Richtung vorgeben, die sicherstellt, dass das Unternehmen dauerhaft innovativ und somit relevant bleibt?
Zentrale Fragen für innovative Unternehmen
Dieses sind zentrale Fragen, mit denen sich ein Unternehmen, welches Innovationen schaffen will, auseinandersetzen muss, da in Unternehmen ständig Entscheidungen getroffen werden, wie Kundenbedürfnisse befriedigt werden sollen. Weitere Fragen sind: Welchen Zweck soll unser Produkt oder unsere Dienstleistung erfüllen? Welches Kunden-"Problem" wollen wir lösen? Welche Erfahrung sollen Menschen mit unserem Produkt oder unserer Dienstleistung machen? Welche Produkt- oder Servicemerkmale sollen entwickelt werden? Welche begleitenden Dienstleistungen sollen wir anbieten? "Produkt" wird im Folgenden synonym für Dienstleistung verwendet. Es soll keinesfalls indizieren, dass die hier geschilderten Prinzipien weniger auf Dienstleistungen, denn auf Produkte anwendbar sind.
Auf diese und weitere Fragen geben die klassischen Instrumente des Innovationsmanagements und des Produktmarketings nur unzureichend Antworten. Oft leiten sie "Innovationen" sogar in die falsche Richtung. Ein zentraler Punkt, dass Kunden sinnvoll nach demographischen, psychographischen und anderen Eigenschaften segmentiert werden können und für diese Segmente Produkte entwickelt werden sollten, ist fehlgeleitet und bewirkt, dass nach Kupfer anstelle von Gold "geschürft" wird.
Ein Produkt, unterschiedliche Kunden
Der Volkswagen Jetta ist in den USA ein angesagtes Auto für "Teen Driver", also junge Fahrer, während es in Deutschland seit jeher als Auto für den "älteren Mann mit Hut" angesehen ist: zwei Zielgruppen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Dieses Beispiel zeigt auf, dass ein Produkt in erster Linie bestimmte Bedürfnisse bzw. Aufgaben (so genannte "Jobs") erfüllen muss und es nicht darauf ankommt, welche demographischen Eigenschaften ein Käufer aufweist. Ebenso kann ein Produkt mehrere "zu erledigende" Aufgaben erfüllen (funktionale, emotionale und soziale).
Die seit Jahren immer mehr Akzeptanz erfahrene Jobs to Be Done (JTBD)-Theorie, gibt Antworten auf die oben aufgeworfenen Fragen. Sie wurde sowohl von disruptiven Geschäftsmodellen (AirBnB, Uber), als auch von richtungsweisenden Unternehmen (beispielsweise Amazon) verwendet und gibt diesen quasi als Kompass eine Richtung vor; von der Art und Weise, wie Kundenforschung betrieben werden soll, bis zur Ausgestaltung der internen Prozesse, welche die richtige "Erfahrung" produziert, die zur Befriedigung der "zu erledigenden Aufgaben" von Kunden dienen.
Welche Erkenntnisse sind Grundlage für die Erzeugung eines Mehrwerts?
Grundlage für die Erzeugung eines Mehrwertes ist ein tiefgreifendes Verständnis unter anderem darüber, welche "zu erledigenden Aufgaben" (JTBD) ein Kunde in bestimmten Lebenssituationen hat, ein klares Verständnis darüber, wie er/sie Entscheidungen über Alternativen trifft, welche Kompromisse gemacht werden, ob das "Leiden" so groß ist, dass Lösungen zusammengeschustert werden und welche Kräfte bei Entscheidungen für und gegen neue Lösungen wirken. Ein Eckpfeiler der JTBD-Theorie ist die Erkenntnis, dass Kunden Produkte und Dienstleistung "beauftragen", die ihnen dabei helfen, eine Aufgabe zu erledigen und einen Fortschritt in ihrem Leben zu machen. Je genauer man die zu erledigende Aufgabe und den Entscheidungsprozess bis "zur Beauftragung" einer Lösung kennt, desto effektivere Innovationen kann man entwickeln.
Warum sind diese Erkenntnisse für Energieversorgungsunternehmen wichtig?
Ebenso, wie Unternehmen in anderen Branchen, müssen Energieversorgungsunternehmen (EVUs) innovativ bleiben, um sich laufend ändernden Umwelt- und Marktgegebenheiten anzupassen und damit relevant zu bleiben.
Exemplarische "Jobs to Be Done" für Stromverbraucher
Zu erledigende Aufgabe | Aufgaben-typ | Kontext | Zu berücksichtigende Merkmale | Ersatz für EVUs |
Versorgung bei Stromausfällen | Funktional | Unzureichende Stromnetze und gleichzeitig eine zunehmende Abhängigkeit der Verbraucher | Ununterbrochene Versorgung; Fähigkeit, Nachbarn mit Strom zu versorgen; Kontrolle darüber, wo eine Notversorgung genutzt werden kann. | Notstromaggregate, verteilte Erzeugung, Stromspeicher |
Kontrolle meines Energiekonsums | Funktional | Microgrid-Infrastruktur liefert detaillierte Daten zur Stromnutzung, die es Konsumenten erlauben den Stromverbrauch zu kontrollieren | Detailliertes Reporting der Energieproduktion und Verbrauchsmuster; automatisches Elektrizitäts-Verbrauchsmanagement | Smart Grid, verteilte Stromerzeugung |
Wege zu einer nachhaltigen Versorgung bieten | Funktional, emotional, sozial | Das Bewusstsein für die globale Erderwärmung hat Verbraucher dazu motiviert, Wege zu finden, ihre eigenen Auswirkungen auf die Natur zu vermindern | Kommunale Statistiken zu reduzierten Kohlenstoff-Emissionen; Verteilung von überschüssigen photovoltaisch erzeugtem Strom durch Net-Metering | Emissionszertifikate, elektrische oder Hybrid-Autos, Bauernmärkte mit organischen Angeboten, verteilte Erzeugung |
Diese und weitere Methoden und Prozesse die von erfolgreichen Start-ups genutzt werden, werden in Herausforderung Utility 4.0 beschrieben.