Die energetischen Modernisierungen von Fassaden, Fenstern und Heizungssystemen realisieren meistens nicht die erwarteten Einsparungen. Im Forschungsprojekt Forschung EnergieEffizienzLücke (FEEL) untersucht man daher noch einen weiteren Aspekt.
Springer Professional: Zwischen berechneten Energiebedarfen und gemessenen Energieverbräuchen klafft bei Gebäuden sehr oft eine unbefriedigende Lücke. Wie groß ist diese bei Nichtwohngebäuden im Durchschnitt?
Frank Scheffler: Die Größe dieser Lücke – die Menge des unerwünschten und oft unerwarteten Mehrverbrauchs – ist sehr gebäudespezifisch. Durchschnittswerte wurden bisher nicht erhoben und ihre Aussagekraft wäre beschränkt. Schätzungen gehen davon aus, dass in vielen Fällen die Energiekosten 20 Prozent über der Kalkulation liegen. Gar nicht so selten sogar über 100 Prozent.
In Ihrem Forschungsprojekt haben Sie als wichtigen Mitverursacher dieser Lücke einen Verdächtigen ausgemacht: Das energiekritische Nutzerverhalten. Können Sie das kurz erläutern?
Diese Hypothese zur Verursachung wird augenfällig, wenn man sich den Energieverbrauch neu errichteter Nichtwohngebäude anschaut. Hier ist von energieeffizienter Dämmung und Technik auszugehen, und dennoch wird der berechnete Energiebedarf überschritten – das Rätsel der Energieeffizienzlücke ist da! Es bleiben dann eigentlich nur noch die Gebäudenutzer beziehungsweise deren Verhalten als Verursacher übrig. Jedes energetisch unsachgemäße inklusiv verschwenderische Verhalten eines Gebäudenutzers ist in diesem Sinne ein energiekritisches Nutzerverhalten, da es die besten Rahmenbedingungen übersteuern kann.
Wie gehen Sie vor, um diesem Nutzerverhalten auf die Spur zu kommen?
Unsere Forschergruppe unter Professor Kai Kummert verwendet dazu verschiedene Instrumente und Ideen. Teils haben wir allgemeine Ansätze aufgegriffen und angepasst wie etwa nutzerzentrierte Befragungsverfahren, teils haben wir Prozesse entwickelt, die sich aus unserer Beschäftigung mit dem Nachhaltigkeitsmanagement ergaben wie zum Beispiel ein Optimierungsframework. Ohne Objektbegehungen und ohne Fingerspitzengefühl geht dabei übrigens nichts.
Sie haben eine Cockpitsteuerung entwickelt, die über die technikfokussierte Sichtweise des üblichen Energiemanagements hinausgeht. Welches sind die dafür entscheidenden Aspekte und wie hilft dieses Tool bei der energetischen Optimierung von Nichtwohngebäuden?
Entscheidend bei jedem praxisorientierten Framework ist die Praktikabilität. Zurzeit liegen automatische Optimierungen des Energieverbrauchs ganzer Gebäude jenseits jeder Reichweite, deshalb muss der Optimierungsprozess von wachen menschlichen Köpfen initiiert und umgesetzt werden. Dazu benötigen die Verantwortlichen Informationen in angemessenen Dosierungen. Zum einen zeichnet diese Modularität unsere Cockpitsteuerung aus, zum anderen die explizite Berücksichtigung des energiekritischen Nutzerverhaltens bei der Bewertung des Objektes. Das Tool will nicht genauer sein als die Wissenschaft und kann deshalb schnell und produktiv eingesetzt werden. Es werden dabei folgende Aspekte berücksichtigt: die Baukonstruktion, Technische Gebäudeausrüstung, Informationstechnik, Gebäudeleittechnik, die Organisation sowie das Nutzerverhalten.
Gibt es schon verwertbare Aussagen, die Sie aus Ihren bisherigen Untersuchungen ziehen können?
Wir visieren wissenschaftliche Faustregeln als Resultate an. Diese werden statistischer Natur sein und eher einem bunten Strauß gleichen als einer einzelnen Blume. Vorstufen dieser quantifizierend-prognostischen Regeln befinden sich in der internen Diskussion. Auf jeden Fall gilt aber bereits jetzt das Folgende: Die energetischen Auswirkungen der Aktivitäten von Menschen in Gebäuden sind allzu lange stiefmütterlich behandelt worden. Der aktuelle Stand der Forschung weist hier auf große Potenziale der Optimierung hin, insbesondere im Annex-66-Projekt der Internationalen Energieagentur werden dazu Erkenntnisse gesammelt und Kompetenzen geschnürt.