Die Energiewende findet auch in der Steuerzentrale jedes einzelnen Gebäudes statt – und vielleicht schon bald im Inneren eines alten Smartphones. Daran arbeiten Forschende des empa.
Dieses Gebäude diente als Versuchsumgebung für die experimentelle Studie.
Zooey Braun
Mit dem Ausbau erneuerbarer Energien wie Solar- und Windkraft steigen nicht nur die Chancen für eine nachhaltige Energieversorgung, sondern auch die Anforderungen an die Netzstabilität. Um die Versorgungssicherheit in einem zunehmend dezentral organisierten Energiesystem zu gewährleisten, braucht es mehr als nur neue Solarpanels auf den Dächern – es braucht intelligente Steuerungssysteme, die Produktion, Einspeisung und Verbrauch vorausschauend und effizient koordinieren. Genau daran arbeiten Forschende der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa).
Bezug nur bei ausreichender Menge
Die Energiekrise im Winter 2023 hat deutlich gemacht, wie fragil unser Versorgungssystem sein kann. Dabei liegt das Kernproblem weniger in der Menge produzierter Energie, sondern vielmehr in der Logistik: Unser Stromnetz war ursprünglich für zentrale Großkraftwerke konzipiert, die konstant Energie einspeisen. Erneuerbare Energien wie
Solar- oder Windkraft hingegen produzieren nicht konstant – sie sind wetter- und tageszeitabhängig. Damit das Stromnetz künftig dennoch stabil bleibt, müssen Lastspitzen abgefedert, Stromüberschüsse sinnvoll genutzt und Verbrauchsspitzen gezielt geglättet werden. Im Zentrum steht ein intelligenter Kontrollalgorithmus, der das Energiemanagement auf Ebene einzelner Gebäude optimiert – Gebäude entwickeln sich damit von reinen Energieverbrauchern zu aktiven Akteuren im Energiesystem. Diese Systeme kalkulieren auf Basis der lokalen Produktion, der verfügbaren Speicherkapazitäten sowie der momentanen Netzlast, wann Energie gespeichert, verbraucht oder eingespeist werden sollte.
Der Vorteil: Der Komfort der Nutzer bleibt erhalten – Duschen, Kochen oder Laden des E-Autos sind jederzeit möglich, selbst wenn gerade keine eigene Energie erzeugt wird. Gleichzeitig wird überschüssige Energie effizient verwertet, statt ungenutzt zu verpuffen.
Praxistest im NEST
Wie sich solche Konzepte in der Realität bewähren, hat die Empa im Forschungsgebäude NEST (Next Evolution in Sustainable Building Technologies) erprobt. In einem bewohnten Gebäude untersuchte das Team der Abteilung „Urban Energy Systems“, wie sich CO₂-Emissionen reduzieren, die Energienachfrage flexibilisieren und zugleich der Wohnkomfort erhalten lassen. Herzstück des Versuchs war ein prädiktiver Kontrollalgorithmus, der mithilfe künstlicher Intelligenz aus dem Verhalten der Bewohner lernte und das Energiemanagement entsprechend anpasste.
Zum technischen Setup gehörten eine Photovoltaikanlage, ein Batteriespeicher, eine Wärmepumpe und eine bidirektionale Ladestation für Elektrofahrzeuge. Ziel war es, Strom möglichst dann aus dem Netz zu beziehen, wenn dieser aus erneuerbaren Quellen stammt. Gleichzeitig wurden Mindesttemperaturen für Innenräume und Warmwasser garantiert.
Das Ergebnis: Die CO₂-Emissionen des Gebäudes konnten um mehr als 10 Prozent gesenkt werden – allein durch intelligente Steuerung. Noch bemerkenswerter: Das Gebäude konnte vorausschauend kommunizieren, wann es Strom benötigt oder einspeisen kann – ein zentraler Schritt hin zu einem flexiblen, stabilen Stromnetz.
Haussteuerung mit Handys
Damit solche Systeme künftig breit ausgerollt werden können, ist eine konsequente Digitalisierung der Gebäudetechnik notwendig. Doch der digitale Fortschritt bringt seinerseits neue ökologische Herausforderungen mit sich – insbesondere durch den hohen Ressourcenbedarf neuer Hardware. Der Empa-Forscher Hanmin Cai hat sich deshalb mit einer alternativen Lösung befasst: dem Einsatz wiederverwendeter Smartphones für die Gebäudeautomation.
Im Projekt „reuse-Smartphones“ zeigen Cai und sein Team, dass alte Mobilgeräte mit geringem Energieverbrauch als Steuerzentralen für intelligente Gebäudetechnik eingesetzt werden können. Die Vorteile liegen auf der Hand: Elektroschrott wird reduziert, die CO₂-Bilanz der IT-Infrastruktur verbessert und gleichzeitig ein wichtiger Beitrag zur Kreislaufwirtschaft geleistet. Laut der Studie verbraucht ein recyceltes Smartphone nur einen Bruchteil der Energie im Vergleich zu herkömmlicher Steuerungshardware – bei ähnlicher Leistungsfähigkeit. Mit „Kuafu“ soll ein Startup diese Ideen zur Marktreife entwickeln.