Im Interview erläutert Energieexperte Maximilian Dekorsy, was das neue Energieeffizienzgesetz von deutschen Unternehmen verlangt und mit welchen Tools und Lösungen sie Transparenz über ihre Verbräuche schaffen und Einsparpotenziale systematisch freisetzen können.
springerprofessional: Herr Dekorsy, inwieweit hat der deutsche Mittelstand seine Energiekosten anno 2024 im Blick?
Maximilian Dekorsy: Der deutsche Mittelstand hat seine Energiekosten besser im Blick denn je – und das ist auch bitter nötig. Die Achterbahnfahrt der Energiepreise seit dem russischen Angriff auf die Ukraine hat bei vielen Unternehmen für ein regelrechtes Erwachen gesorgt. Doch es sind nicht nur die Preisschwankungen, die den Mittelstand in Alarmbereitschaft halten: Das neue Energieeffizienzgesetz zwingt Unternehmen mit einem Endenergieverbrauch von mehr als 7,5 GWh pro Jahr dazu, bis spätestens Sommer 2024 ein zertifiziertes Energie-Management-System nach ISO 50001 einzuführen. Wer das verschläft, riskiert hohe Strafen. Ein Energie-Management-System ist also längst keine Kür mehr, sondern für viele Betriebe ein klares Muss. Dass viele Unternehmen bereits aktiv geworden sind, zeigen die Zahlen: Laut einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags aus 2023 haben 72 Prozent der mittelständischen Unternehmen ihren Energieverbrauch durch einfache Maßnahmen wie das Senken der Raumtemperaturen gesenkt. Weitere 9 Prozent planen solche Schritte noch. Es herrscht Aufbruchsstimmung, aber auch ein gewisser Druck. Vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) bleibt die Situation herausfordernd. Die Ressourcen sind knapp, das Know-how begrenzt und die Kosten sind ohnehin schon hoch. Laut dem KfW Mittelstandspanel 2023 sind KMU besonders betroffen, weil ihnen im Vergleich zu größeren Unternehmen oft die finanziellen Mittel und die notwendige Expertise fehlen. Es geht also nicht mehr nur darum, auf den Energieverbrauch zu achten, um Kosten zu sparen – es ist eine gesetzliche Verpflichtung. Wer jetzt in ein Energie-Management-System investiert, tut nicht nur etwas für die eigene Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit, sondern sichert sich auch rechtlich ab und vermeidet empfindliche Strafen.
Warum sollten Unternehmen ein eigenständiges Energie-Management etablieren?
Die Einführung eines eigenständigen Energie-Management-Systems nach ISO 50001 bedeutet für viele Unternehmen einen echten Wettbewerbsvorteil. Es geht dabei längst nicht mehr nur darum, grüner zu werden oder gesetzliche Vorschriften zu erfüllen. Es geht um handfeste wirtschaftliche Vorteile: Kostensenkungen, Risikominimierung und letztlich darum, in einem hart umkämpften Markt die Nase vorn zu haben. Die Vorteile liegen auf der Hand. Laut einer Studie des Bafa steigern Unternehmen durch den Einsatz von entsprechenden Systemen ihre Energieeffizienz um durchschnittlich 3 bis 4 Prozent pro Jahr – und das selbst dann, wenn sie schon lange dabei sind. Diese Effizienzsteigerungen führen zu messbaren Kostensenkungen, die oft schnell die anfänglichen Investitionen übertreffen. Ein Energie-Management-System schafft Transparenz über den Energieverbrauch, hilft Schwachstellen zu identifizieren und setzt Einsparpotenziale systematisch frei. Das ist keine grüne Propaganda, sondern ein knallhartes Kalkül: Wer effizienter arbeitet, spart Geld, wird unabhängiger von Energiepreisschwankungen und stärkt seine Position am Markt. Laut der Bafa-Studie würden die meisten Unternehmen ihre Energie-Management-Systeme sogar ohne gesetzlichen Zwang weiterführen – weil der Nutzen einfach zu groß ist, um darauf zu verzichten. Die Energiewende bedeutet daher nicht nur, die Umwelt zu schonen, sondern auch, wettbewerbsfähig zu bleiben. Unternehmen, die sich frühzeitig auf ein strukturiertes Energie-Management einlassen, sichern sich nicht nur gegen drohende Strafen ab, sondern profitieren langfristig durch geringere Energiekosten und gesteigerte Effizienz.
Mit welchen konkreten Methoden, IT-Lösungen und Tools können Mittelstandsunternehmen ihre Energiekosten senken?
Mittelstandsunternehmen können ihre Energiekosten effektiv durch den Einsatz moderner Technologien senken. Zentrale Maßnahmen sind die Implementierung von IT-Lösungen zur Verbrauchsüberwachung und die Optimierung der Energiebeschaffung. Echtzeit-Dashboards und intelligente Beschaffungsstrategien helfen dabei, Energieverbräuche transparent zu machen und Einsparpotenziale aufzudecken. Unsere Kunden sparen dadurch im Schnitt 10 Prozent ihrer Energiekosten und verbessern ihre Effizienz um 15 Prozent. Ein Software-gestütztes Energie-Management-System nach ISO 50001 spielt hierbei eine zentrale Rolle. Flexible Stromtarife ermöglichen es zudem, Strom dann zu kaufen, wenn die Preise niedrig sind, was besonders bei schwankenden Tagespreisen vorteilhaft ist. Dynamische Netzentgelte, die im nächsten Jahr eingeführt werden, bieten weitere Einsparmöglichkeiten, da sie sich an der aktuellen Netzauslastung orientieren. Unternehmen können durch eine gezielte Steuerung ihres Energieverbrauchs in Zeiten niedriger Netzbelastung Kosten senken. Dies ermöglicht eine präzisere und kostengünstigere Energiebeschaffung. Auch der Aufbau einer soliden Messinfrastruktur ist entscheidend: Sensoren und Messtechnik liefern die nötigen Daten, um Energieverbräuche präzise zu erfassen und Schwachstellen aufzudecken. Diese Daten bilden die Grundlage für alle weiteren Optimierungsmaßnahmen, denn nur wer genau misst, kann gezielt handeln.
Welche Wirkung kann der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) beim Energieeffizienz-Management erzielen?
Natürlich reden alle über Künstliche Intelligenz, aber die entscheidende Frage ist nicht, ob sie helfen kann, sondern wie und an welchen Stellen. Gerade im Energie-Management, wo gesetzliche Änderungen und komplexe Datenströme die Teams oft überfordern, bietet KI Lösungen, die spürbare Entlastung bringen. Künstliche Intelligenz hilft, aus der Flut an Messdaten klare und umsetzbare Handlungsempfehlungen abzuleiten, sodass Unternehmen im Tagesgeschäft effizient und handlungsfähig bleiben. Sie entlastet die Teams, indem sie aus komplexen Datenmengen gezielte Maßnahmen entwickelt, die schnell und unkompliziert umgesetzt werden können. So werden Energiekosten optimiert, ohne den operativen Aufwand für die Mitarbeiter zu erhöhen, und es bleibt mehr Raum für die strategische Planung und Umsetzung von Projekten.
Inwieweit sollten Mittelständler auch erneuerbare Energien in den Fokus nehmen?
Erneuerbare Energien sind die Zukunft, und das zeigt sich bereits auf den Rechnungen vieler Unternehmen. Die Kosten für grüne Technologien wie PV-Anlagen und Wärmepumpen sinken stetig, und wer jetzt investiert, profitiert nicht nur von niedrigeren Energiekosten, sondern auch von mehr Autarkie und Flexibilität. Diese Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen und deren Preisschwankungen wird sich langfristig auszahlen. Ein weiterer wichtiger Schritt ist der Bezug von Grünstrom, und hier kann ein Energie-Management-System den entscheidenden Unterschied machen. Die Einsparungen, die durch ein intelligentes Management der Energieverbräuche erzielt werden, können die Mehrkosten für den Bezug von Grünstrom ausgleichen. Indem Unternehmen durch optimierte Energieeffizienz ihre Betriebskosten senken, wird die Entscheidung, in grünen Strom zu investieren, wirtschaftlich attraktiver und schneller umsetzbar. Der größte Nutzen entfaltet sich durch die Kombination von erneuerbaren Energien und einem Energie-Management-System. Diese Systeme zeigen genau auf, wann die eigene Erzeugung Sinn macht, wie überschüssiger Strom genutzt werden kann und wann der Grünstrombezug die kosteneffizienteste Lösung ist. So wird die grüne Wende im Mittelstand nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch sinnvoll. Diese Kombination aus erneuerbarer Energie und intelligentem Management sichert die Nachhaltigkeit und stärkt die langfristige Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland.