Energieintensive Industrien in Deutschland sehen sich neben einem weltweiten Preiswettbewerb auch einer
polarisierten öffentlichen Debatte ausgesetzt. Standen im Fokus früherer Auseinandersetzungen um Energietechnologien
insbesondere deren Umwelt‐ und Sicherheitsrisiken, hat sich der öffentliche Schwerpunkt hin zu einer
„Energiegerechtigkeit“ von Strompreisen sowie zur Legitimation klimapolitischer Instrumente
verschoben. Energiepolitik, die mancher noch primär unter dem Gesichtspunkt der Umwelt‐ oder Wirtschaftspolitik
betrachtet, ist angesichts des europäischen Binnenmarktes und globaler Energietrends zu einer Frage der
Wettbewerbspolitik geworden.
Dieser Beitrag zeigt am Beispiel der Grundstoffindustrie einige Grundzüge des Spannungsfelds auf. Im Ergebnis
argumentiert er, dass die Industrie Effizienzpotenziale weiter heben oder die Einspeisung fluktuierenden Stroms
unterstützen kann. Damit ist sie schon heute Problemlöser bei der Transformation des Energiesystems. Die eigentliche
gesellschaftliche Diskussion muss jedoch über die Dringlichkeit der Versorgung von Hochtechnologieunternehmen mit
Grundstoffen geführt werden, zumal in einem sich zuspitzenden Weltmarkt um Rohstoffe.
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Die Energiekosten, so resümiert der
DIHK eine Umfrage von 2014, schlagen seit Längerem auf die Investitionsbereitschaft durch: „Gerade energieintensive Branchen
weisen in den letzten Jahren eine schwache Investitionsentwicklung auf. Unternehmen dieser Bereiche haben ihre Abschreibungen in
Deutschland seit 2001 nicht wieder komplett neu investiert. Bei den Investitionen der Metallerzeuger fehlten 11 Prozent zum
Ausgleich der Abschreibungen, in der Chemie 12 Prozent, bei Papierherstellern 17 Prozent und in der Glasindustrie sogar
29 Prozent. Allein diese Defizite summieren sich auf eine Differenz zum Kapitalstock von 2001 von 13 Mrd. Euro. Dies steht dafür,
dass Deutschland an Standortqualität verliert.“ Vgl. dazu DIHK Schlaglicht Wirtschaftspolitik (2014).
Dieser sogenannte Merit‐Order‐Effekt ist schwer zu quantifizieren und wird in der Literatur auf
0,5 bis 1,0 ct/kWh geschätzt und ist grundsätzlich umstritten (vgl. Monitoringbericht der Expertenkommission zur Energiewende
(2014). Eine genaue Bestimmung ist kaum möglich, da als Referenz ein Kraftwerkspark
modelliert werden muss, der ohne EEG‐Förderung existieren würde. Der fossile Kraftwerkspark passt sich in der Realität fortwährend
an den steigenden Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen an, wodurch sich langfristig der Merit‐Order‐Effekt im Grund
von selber wieder aufhebt und die ermittelten Werte den tatsächlichen Effekt vermutlich stark überzeichnen.
„Zweitens wurde auch verfügbaren
marktbezogenen Belegen Rechnung getragen, denen zufolge der (Teil‐)Sektor die höheren indirekten CO2‐Kosten
nicht auf seine Kunden abwälzen kann, ohne erhebliche Marktanteile an Wettbewerber in Drittländern zu verlieren.“ Vgl. Anhang II
Abs. 4 der Kommissionsmitteilung vom Juni 2012.
„Die Abgaben zur Finanzierung der Förderung
erneuerbarer Energien schlagen sich immer stärker in den Energiekosten der Industrie nieder. Dies stellt für einige
energieintensive Unternehmen eine sehr große Belastung dar, vor allem wenn sie einer starken internationalen Konkurrenz ausgesetzt
sind. Daher bieten die neuen Leitlinien die Möglichkeit, für eine begrenzte Zahl energieintensiver Wirtschaftszweige, die für die
gesamte EU festgelegt sind, diese Lasten zu verringern. Zudem werden die Mitgliedstaaten sehr energieintensive Unternehmen
entlasten können, auch wenn sie in anderen Wirtschaftszweigen tätig sind.“ Vgl. auch den Gesetzestext im Amtsblatt der
Europäischen Union (2014).
Mit den 117 GW wurden im Jahr 2013 257 TWh Strom erzeugt. Vgl. EWEA (2014, S. 12). Das entspricht einem durchschnittlichen Nutzungsfaktor von 25 Prozent, der über alle
Stunden des Jahres betrachtet zwischen weniger als 10 Prozent und 100 Prozent schwankt.
Je nach Energieintensität und Art des Produktionsprozesses kann das
Potenzial auch deutlich unter dem Wert von 0,5 Prozent je produziertet Einheit pro Jahr liegen.