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10.01.2023 | Energienutzung | Schwerpunkt | Online-Artikel

"Was von der heimischen Produktion zurückkehrt, ist offen"

verfasst von: Thomas Siebel

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Weite Teile der Industrie bewältigen die Energiekrise unerwartet gut. Hart trifft es jedoch energieintensive Betriebe. Experten von der Dena und vom Verband Energieintensive Industrien in Deutschland beziehen Stellung.

Seit Monaten lasten hohe Energiepreise und die angespannte Gasversorgung auf Haushalten und Unternehmen. Da mag es überraschen, dass die Industrie die Energiekrise in weiten Teilen bislang unerwartet gut meistert. Laut einer Umfrage des ifo Instituts aus dem November 2022 haben drei von vier Unternehmen im vergangenen Jahr Gas gespart, ohne die Produktion zu drosseln. Im Jahr 2022 ist der Gasverbrauch in der Industrie laut Bundesnetzagentur um 15 % gegenüber dem Durchschnitt der letzten Jahre zurückgegangen. In den Monaten Oktober bis Dezember lag der Verbrauch sogar um 23 % unter dem der Vorjahre. Dabei bewältigen insbesondere nicht-energieintensive Unternehmen die Krise vergleichsweise gut, wie das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) mitteilt. Sie stehen für etwa vier Fünftel der gesamten Bruttowertschöpfung der Industrie.

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01.12.2022 | Titelthema

"Die Energiekrise bewirkt bei vielen Unternehmen ein Umdenken"

Spätestens seit der Energiekrise hat das Thema Energieeffizienz einen neuen Schub bekommen. Dietmar Gründig, Arbeitsgebietsleiter Industrie bei der Deutschen Energie-Agentur (Dena), spricht über die aktuelle Entwicklung, mögliche Maßnahmen für Industrieunternehmen und Herausforderungen bei der Umsetzung.

Allerdings hat der verminderte Gasverbrauch auch seine Schattenseiten, denn die Einsparungen gehen nicht allein auf Energieeffizienzmaßnahmen zurück. Viele Unternehmen ersetzen den Brennstoff Gas stattdessen kurzerhand durch Kohle oder Erdöl, während andere Betriebe energieintensive Güter satt aus Deutschland vom Weltmarkt beziehen – teils aus Ländern mit niedrigeren Umweltstandards. Wo aber auch das nicht hilft, wird die Produktion zurückgefahren.

Trotz Krise investieren Betriebe in Effizienz

Die Krise ändert jedoch nichts daran, dass fast alle Unternehmen in Deutschland weiterhin in Effizienzmaßnahmen investieren, wie Dietmar Gründig von der Deutschen Energie-Agentur (Dena) im Interview in der Zeitschrift Nachhaltige Industrie erläutert. "Die Energiekrise bewirkt bei vielen Unternehmen ein Umdenken", so Gründig. "Die Zeiten billiger Energie sind vorbei und Energieeffizienzmaßnahmen sind noch wirtschaftlicher als bisher schon."

Entsprechend sieht Gründig eine sehr hohe Bereitschaft, sich mit dem Thema Energieeffizienz zu befassen. Das hohe Engangement werde allerdings dadurch ausgebremst, dass zuständige Personen sich derzeit statt mit der Energieeffizienz verstärkt mit akutem Krisenmanagement, verzögerten Lieferketten oder fehlenden Fachkräften für die Montage auseinandersetzen müssten.

Hilfe bei außerbetrieblicher Abwärmenutzung nötig

Gerade Unternehmen, die sich dem Thema bislang noch nicht gewidmet haben, macht Gründig Mut. Viele Maßnahmen wie die Dämmung von Rohrleitungen oder die optimierte Regelung von Pumpsystemen ließen sich einfach umsetzen. Weitergehende Maßnahmen hingegen erforderten teilweise Jahre in der Umsetzung und seien manchmal mit großen Unsicherheiten behaftet. Als Beispiel nennt Gründig Investitionen in energieeffizientere Systeme mit Erdgas.

Gründig weist auch auf die Bedeutung technologischer Innovationen für die Energieeffizienz hin und nennt als Beispiel die Vakuumtrocknung, die sich anstelle der Trocknung auf Basis von Brennstoffen einsetzen ließe. Fast ohne Investition ließe sich zudem Energie durch den Einsatz geringviskoser Hydrauliköle sparen. Den geringen Investitionskosten stünden hier allerdings notwendige organisatorische Anpassungen gegenüber. Doch auch im nicht-technologischen Bereich ließe sich die  Energieeffizienz steigern, etwa wenn Unternehmen und kommunale Einrichtungen bei der CO2-Einsparung zusammenwirkten.

Gerade beim Ausbau der außerbetrieblichen Nutzung industrieller Abwärme stellten sich den Unternehmen jedoch Hürden, ebenso bei der Elektrifizierung von Produktionsprozessen. „Hier spielen die Infrastruktur und die langfristige Planbarkeit eine entscheidende Rolle“, so Gründig. Unternehmen könnten damit verbundene Investitionen und Risiken nur in Einzelfällen alleine tragen.

Keine Effizienzreserven in energieintensiver Industrie

So groß die Bereitschaft in der Industrie zum Energiesparen ist, so schwierig gestaltet sich das Thema jedoch insbesondere in der energieintensiven Industrie. Hier wirken sich Preissteigerungen und Risiken durch auslaufende Verträge in einem Maße aus, dass Unternehmen sie in vielen Fällen nur noch durch die Einschränkung die Produktion kompensieren können. Chemieindustrie, Metallerzeuger oder Hersteller von Glas oder Papier haben ihre Produktion im Laufe des Jahre 2022 durchschnittlich um über 10 % zurückgefahren, wie das BMWK mitteilt.

Die energieintensiven Unternehmen stehen vor dem Problem, dass sie ihre Energieeffizienz kaum mehr steigern können. "Da Energie in Deutschland schon immer teuer war, wurden die Potenziale in den letzten Jahrzehnten schon ziemlich ausgereizt", sagt Jörg Rothermel, Geschäftsführer des Interessensverbands Energieintensiven Industrien in Deutschland (EID), im Interview Wie geht es weiter mit der energieintensiven Industrie? in der Nachhaltigen Industrie 4/22.

Kurzfristige Energieeinsparungen seien daher derzeit zum allergrößten Teil nur durch Produktionseinschränkungen möglich. Dass energieintensive Unternehmen deswegen aus Deutschland abwandern, lässt sich laut Rothermel derzeit zwar nicht beobachten. Viele wichtige Vorprodukte müssten nun aber zwangsläufig importiert werden. Ob und in welchem Maße die verlorene heimische Produktion später wieder zurückkehre, sei derzeit noch offen.

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