Das Energierecht zählt nicht zu den klassischen, von anderen Rechtsgebieten präzise abgrenzbaren
Rechtsmaterien. Als moderne Querschnittsmaterie enthält es sowohl privatrechtliche wie öffentlich‐rechtliche
Vorgaben. Mehr als 10.000 Vorschriften können auf Unternehmen Anwendung finden, die im Energiesektor tätig
sind. Zumeist handelt es sich dabei um Vorschriften, die auf Unternehmen in der Energiebranche ebenso Anwendung finden
wie auf andere Unternehmen. Das gilt beispielsweise für das Gesellschafts‐, Steuer‐, Insolvenz‐, Wettbewerbs‐,
Vergabe‐, Arbeits‐ oder Strafrecht. Teilweise werden diese allgemeinen Rechtsmaterien im Einzelnen durch
energierechtliche Sonderregelwerke, wie etwa das Stromsteuergesetz, ergänzt oder modifiziert.
Das Energierecht im engeren Sinne – soweit man es aus Praktikabilitätsgründen so bezeichnen möchte – umfasst
mehr als 1000 Vorschriften, von denen der Gesetzgeber eine Vielzahl erst in den vergangenen zehn Jahren seit Beginn
der Liberalisierung des Energiemarktes erlassen hat. Ein wesentlicher Teil dieser Vorschriften betrifft die
Energieversorgungsnetze. Um Wettbewerb auf dem Energieerzeugungs‐ und Energievertriebsmarkt ermöglichen zu können,
muss das Netz als natürliches Monopol reguliert werden. Daneben gibt es Vorschriften zur Errichtung von Netzanlagen,
die Teil des allgemeinen und besonderen Bauplanungsrechts sind. Einen weiteren Schwerpunkt bildet das Recht der
erneuerbaren Energien, das der Gesetzgeber wie keinen anderen Bereich des Energierechts stetig geändert und reformiert
hat. Dem Umweltrecht zuzuordnen sind energierechtliche Vorschriften zum Emissionshandel und zum Anlagenrecht.
Aus der Fülle energierechtlicher Normen werden im Folgenden die Grundzüge derjenigen Vorgaben behandelt, die für
Industrieunternehmen im energiewirtschaftlichen Kontext relevant werden können. Der hier allein mögliche kursorische
Überblick erübrigt freilich keine Detailprüfung des Einzelfalls. Der Fokus liegt dabei auf Unternehmen, deren
Hauptgeschäft nicht in der Energieerzeugung, dem Transport bzw. der Verteilung oder dem Vertrieb von Energie liegt,
für die aber etwa die Eigenerzeugung von Strom zur Deckung des Energiebedarfs für die eigene Produktion attraktiv sein
könnte. In solch einem Fall stellen sich rechtliche Fragen insbesondere hinsichtlich der Anlagengenehmigung und
ggf. der Anlagenförderung. Neben der Eigenerzeugung käme etwa durch Nutzung von Dach‐ oder Freiflächen auf dem
Betriebsgelände auch eine Nebenerzeugung von Elektrizität aus erneuerbaren Energien aufgrund der Förderung durch das
Erneuerbare‐Energien‐Gesetz („EEG“) als Finanzanlage oder Investition in die
„Corporate Responsibility“ in Betracht. Auch bei einer reinen Energiebeschaffung stellt sich eine Vielzahl
insbesondere vertraglicher Fragen. Von wesentlicher Bedeutung sind ferner die Vergünstigungen beim Gesamtstrompreis,
die stromintensive Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen in Anspruch nehmen können, zum Beispiel nach der
besonderen Ausgleichsregelung oder bei den Netzentgelten. Auch hier wird sich die zum 1. August 2014 in Kraft
getretene Reform des EEG besonders bemerkbar machen. Unter dem Aspekt der Senkung des Strombedarfs sind zudem
gesetzliche Vorgaben hinsichtlich der Energieeffizienz von besonderer Bedeutung.
Anzeige
Bitte loggen Sie sich ein, um Zugang zu diesem Inhalt zu erhalten
Zu den
operativen Aspekten der Strombeschaffung vgl. Kap. 19; weiterführend zur rechtlichen Bewältigung des Handels an der EEX
vgl. Härle (2014, S. 417 ff.).
Ein Beispiel bildet der Plan der Hafengesellschaft Groningen Seaports zur Errichtung einer
Direktverbindung zwischen dem niederländischen Delfzijl und Emden in Norddeutschland; vgl. energate messenger, Nr. 123 vom 1. Juli
2014, S. 5.
Vgl. Monitoringbericht 2014 der Bundesnetzagentur und des Bundeskartellamtes, S. 154 f. Die hier angegebenen Prozentzahlen wurden unter Einbeziehung der
Umsatzsteuer i. H. v. 19 Prozent berechnet, die in den Mittelwerten der BNetzA nicht angegeben wurde.
Mit Urteil vom 04.11.2014
hat das Landgericht Hamburg (Az. 312 O 17/14, noch nicht veröffentlicht) eine Gaspreiserhöhung in Sondertarifverträgen für nichtig
erklärt, die auf einer Preiserhöhungsklausel entsprechend der GasGVV beruhten und keine Kriterien für Preisänderungen
enthielten. Vgl. energate messenger No. 213 vom 6. November 2014, S. 1.
Vgl. Monitoringbericht 2014 der
Bundesnetzagentur und des Bundeskartellamtes, S. 265. Die hier angegebenen Prozentzahlen wurden unter Einbeziehung der
Umsatzsteuer i. H. v. 19 Prozent berechnet, die in den Mittelwerten der BNetzA nicht angegeben wurde.
Vgl. Monitoringbericht 2014 der Bundesnetzagentur und des Bundeskartellamtes, S. 266. Die hier
angegebenen Werte verstehen sich einschließlich der Umsatzsteuer i. H. v. 19 Prozent.
BGH, Urteil vom 14. Mai 2014 – VIII ZR 114/13 Rn. 45 (juris); im Verhältnis zu
Verbrauchern stellt sich eine solche Klausel jedoch als unangemessene Benachteiligung dar: BGH, NJW 2010, 2793 (2796).
Vollstädt und Bramowski (2014, S. 1668). Nach
der Legaldefinition in § 64 Abs. 6 Nr. 2 EEG 2014 ist die
„Bruttowertschöpfung“ die Bruttowertschöpfung des Unternehmens zu Faktorkosten nach der Definition des Statistischen Bundesamtes,
Fachserie 4, Reihe 4.3, Wiesbaden 2007 2, ohne Abzug der Personalkosten für Leiharbeitsverhältnisse; die durch vorangegangene
Begrenzungsentscheidungen hervorgerufenen Wirkungen bleiben bei der Berechnung der Bruttowertschöpfung außer Betracht. Zur näheren
Berechnung vgl. Junker (2014, S. 196).
Vgl. OVG Magdeburg, Urteil vom 17.09.2009, Az. 2 L 228/08, Rn. 40 (juris):
Allgemeine Leistungsklage gegen die Klassifikation durch das Statistische Landesamt Sachsen‐Anhalt im Rahmen eines
Investitionszuschlags; Hampel und Neubauer (2014, S. 190 f.).
BAFA, Merkblatt für Unternehmen des produzierenden Gewerbes zu den gesetzlichen Regelungen nach §§
40 ff. Erneuerbare‐Energien‐Gesetz 2012 vom 7. Mai 2013,
S. 25.
Eingehend: Uwer und Rademacher (2013, S. 142 ff.); sehr kritisch:
Wustlich (2014, S. 1120). Wären die Einwände der Literatur gegen die Verwaltungspraxis
des BAFA und ihre Bestätigung durch die Rechtsprechung unberechtigt gewesen, hätte der Gesetzgeber die Vorschrift auch nicht
„klarstellen“ müssen.
Pressemitteilung des BMWi vom 10. Juli 2014; BMWi Infopapier zur Rückzahlung
von Beihilfen im Zusammenhang mit dem alten Erneuerbare‐Energien‐Gesetz (EEG 2012).
Richtlinie 2010/30/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom
19. Mai 2010 über die Angabe des Verbrauchs an Energie und anderen Ressourcen durch energieverbrauchsrelevante Produkte mittels
einheitlicher Etiketten und Produktinformationen.
Richtlinie 2009/125/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 zur Schaffung eines Rahmens
für die Festlegung von Anforderungen an die umweltgerechte Gestaltung energieverbrauchsrelevanter Produkte.
Richtlinie 2006/32/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2006
über Endenergieeffizienz und Energiedienstleistungen. Die Richtlinie wurde durch das Gesetz über Energiedienstleistungen und
andere Energieeffizienzmaßnahmen („EDL‐G“) umgesetzt. Unmittelbare Verpflichtungen für die
Industrie ergaben sich aus der Richtlinie sowie dem EDL‐G nicht.
Richtlinie 2012/27/EU des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 zur Energieeffizienz, zur Änderung der Richtlinien 2009/125/EG und
2010/30/EU und zur Aufhebung der Richtlinien 2004/8/EG und 2006/32/EG.
Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Teilumsetzung der
Energieeffizienzrichtlinie, BTDrs. 18/3373 vom 01.12.2014; verkündet am 21. April 2015, BGBl. 2015 I‐578.
Demgegenüber wird die (zumindest anteilige) Lieferung an Dritte bereits als
Energieversorgung gewertet, selbst wenn es sich dabei um eine Nebentätigkeit handeln sollte (arg. e contrario § 117a EnWG). Für
diesen Fall können Anzeige und Genehmigungspflichten nach § 5 EnWG sowie § 4 Stromsteuergesetz und weitere Vorgaben
greifen. Vgl. dazu Dümke (2014, S. 157). Gegen die Einbeziehung bei bloßer Direktleitung
vgl. Moench und Lippert (2014, S. 397).
Dabei gelten diverse Übergangsvorschriften (§§ 100 ff. EnWG 2014). Soweit etwa
die Anlage nach dem 31. Juli 2014 aber vor dem 1. Januar 2015 in Betrieb genommen wurde und einer Genehmigung nach dem BImSchG
bedurfte und entsprechend vor dem 23. Januar 2014 genehmigt wurde, gelten der Sache nach die Grundsätze vor dem 1. August 2014
(§ 100 Abs. 3 EEG 2014). Der Vertrauensschutz wird insoweit bis zum Kabinettsbeschluss vom 22. Januar 2014
gewährt.
Die Definition der Eigenversorgung in § 5 Nr. 12 EEG 2014 weicht von derjenigen der Eigenerzeugung in § 37 Abs. 3 EEG 2012 insoweit ab, als die Nichtdurchleitung durch ein Netz und der Verbrauch
in räumlichem Zusammenhang nunmehr kumulativ vorliegen müssen und nicht länger alternativ vorliegen dürfen. Für Altanlagen stellt
§ 61 Abs. 3 Nr. 3 EEG 2014 allerdings auf die alternative Erfüllung eines dieser beiden Merkmale ab. Da diese Merkmale erst zum
01.12.2012 eingeführt wurden, sieht § 61 Abs. 4 Nr. 1 EEG 2014 zudem vor, dass für vor diesem Zeitpunkt in Betrieb genommene
„Alt‐Bestandsanlagen“ grundsätzlich auch die Voraussetzungen des § 61 Abs. 3 Nr. 3 EEG 2014 nicht gelten.
Inwieweit Speicheranlagen Genehmigungsanforderungen unterliegen, richtet sich vor allem
nach der Art des Speichers. Die Zulassung von Pumpspeicherkraftwerken richtet sich vor allem nach wasserrechtlichen Vorgaben. Bei
Druckluftspeicherkraftwerken sind bergrechtliche Vorschriften zu beachten.
Die Errichtung eines Notstromaggregates kann allerdings
als Auflage in Baugenehmigungen enthalten (vgl. BGH, NJW 1987, 3178) und mit besonderen Bauausführungsvorgaben belegt sein, etwa
um Schallschutzanforderungen einzuhalten. Nach § 4 Abs. 3 Arbeitsstättenverordnung hat der Arbeitgeber Notaggregate in
regelmäßigen Abständen sachgerecht warten und auf ihre Funktionsfähigkeit prüfen zu lassen. Bei der Installation bzw. Aufstellung
von Notstromaggregaten sind ferner diverse DIN bzw. ISO Normen zu beachten, wie die DIN VDE 0100 (Errichten von
Niederspannungsanlagen).
Vgl. § 37 Abs. 1 Satz 3 EnWG, § 4
StromGVV. Für die Heranziehung beim immissionsschutzrechtlichen Begriff entsprechend zu den Vorgängervorschriften vgl. Ludwig
(2003, B. 2.4), 4. BImSchV, Anhang Nr. 1, zu 1.2 Rn. 14.
Vgl. etwa § 65 Abs. 1 Nr. 44a Bauordnung NRW, § 57 Abs. 1 Nr. 3 bb)
Bayerische Bauordnung, Nr. 3 c der Anlage zu § 50 Landesbauordnung Baden‐Württemberg, Nr. 3.9 Anlage 2 zu § 55 Hessische
Bauordnung.